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Brief (Transkript)

Heinz Sartorio an seine Schwester am 18.2.1943 (3.2002.0827)

 

O.U., den 18.2.43



Liebe Elly, lieber Fred,

Gestern bin ich nun endlich, leider von meinem Kommando zurückgekehrt. Die ganze Expedition hatte sich immer netter gestaltet und mir hat es direkt leid getan, dass ich wieder zurück musste. Vor allem sind wir mit der Verpflegung prima zurecht gekommen und ich hatte noch nie so viel zu essen, wie in den letztem Tagen und konnte mir sogar ohne Entbehrungen einige Dosen mit Fleisch ersparen, sodass ich auch noch in der nächsten Zeit genug habe, um immer satt werden zu können. Wenn ich Zeit habe, will ich über die Reise noch einmal ausführlich schreiben. Jetzt will ich nun erst mal auf Eure Post antworten, die ich auch gestern erhalten habe. Es sind insgesamt mit den schon bestätigten Briefen angekommen: 1 Luftpostbrief von November, auf den ich ja wohl nicht mehr antworten brauch, dann Briefe vom 25.1.,27.1., L-Brief vom 29.1. und Brief + Zeitungen vom 2.2. sowie ein Brief mit Zigaretten und ein großes Paket mit der Stolle und dem Foto-Apparat. Für alles recht schönen Dank. Ich habe mich sehr gefreut, besonders aber über die Stolle. Jetzt habe ich ja wieder Appetit auf Kuchen, Er schmeckt auch prima, und hat sich sehr gut gehalten. Mit dem Foto konnte ich mich noch nicht viel beschäftigen. Zu-nächst gefällt mir die Tasche am besten, da sie am stabilsten zu sein scheint. Sobald ich mehr Zeit habe werde ich ihn ausprobieren. Filme werden schwer zu beschaffen sein. Ich habe hier nur Filme 6x9 und die passen ja wohl nicht. Na, im Augenblick kann ich mich damit nicht näher befassen MUSS erst mal sehen, was hier so los ist. Den guten Foto schicke mir auf keinen Fall hierher. Es könnte sein, dass ich mal alles im Stich lassen muss und dann wäre es ja schade um den Apparat. Und nun erst mal zu den Briefen: Zunächst zu Pauli. Ich habe ihn inzwischen nicht mehr gesehen, da ja mein Kommando dazwischengekommen ist. Werde wohl auch kaum mit ihm so oft zusammen kommen, da ich ja auch nicht so viel Zeit habe. So besonders ist seine Gesellschaft auch nicht und ich erwarte bei dem jetzt, gen Stand der Dinge auch nicht, dass er mir viel nützen kann. Die ganze Sache ist ja auch weiter nicht wichtig. - Ich bin froh, dass Ihr bei den Luftangriffen nichts abbekommen habt. Seid nur vorsichtig, denn die Angriffe werden immer schlimmer und gefährlicher. Ich habe inzwischen einige ausradierte Städte gesehen und kann mir von der Wirkung eines großen Angriffs also eine gute Vorstellung machen. Wenn wir nicht immer so trübes Wetter gehabt hätten, wäre es uns auf unserem Kommando vielleicht auch schlecht ergangen, so sind wir aber verschont geblieben. — Das Wetter ist jetzt bei uns ziemlich warm und meist taut es. Sicher wird es bei Euch auch so sein und Ihr habt wenigstens nicht unter Kälte und Kohlenmangel zu leiden.— Fred zu seiner Nichteinberufung meinen herzlichsten Glückwunsch. Sonst zieht man ja jetzt alles ein, was überhaupt noch Beine hat. Ich habe an der Front z.T. Leute gesehen, bei denen man annimmt, dass sie der 1. Windstoss umwirft. Es ist für die alter Herren wirklich traurig, aber es wird eben jeder Mann gebraucht und da kann man keine Rücksicht mehr nehmen. Na, Ihr wisst ja auch, wie es aussieht. —Die Päckchenangelenheit hat sich ja inzwischen erledigt. Wenn ich neue Marken bekomme, schicke ich sie Euch. Im Augenblick habe ich aber keine Wünsche, da ich mit allem versorgt bin. Sogar Zigaretten habe ich in Massen. 1. habe ich auf dem Kdo. organisiert und 2. hat es Marketenderwaren gegeben. Ich habe unter der Hand 300 Zigaretten und 1 Paket Tabak bekommen. Die Zigaretten taugen zwar nichts (polnische) aber besser, als nichts. Die erübrigte Verpflegung musste mindestens noch 14 Tage reichen, wahrscheinlich aber noch länger. Ich würde Euch gerne etwas schicken, aber es ist gefährlich. Unterwegs wird ja so etwas doch geklaut und es sind alles große Büchsen, die sehr auffallen.
— Und nun zu den Neuigkeiten von Berlin: Es wird ja nun recht traurig aussehen, wo alle nicht kriegswichtigen Gaststätten geschlossen worden sind und alles zum Kriegsdienst eingezogen wird. Ich hoffe nur, dass man auch wirklich alle Faulenzer schnappt, damit sie auch mal sehen, was Krieg und Arbeiten heißt. Sicher werden sie aber auch diesmal w wieder einen Dreh finden um sich zu drücken, - Dass die Stimmung recht gedrückt ist, kann ich mir vorstellen. Wir haben ja auch offen bar große Schlappen erlitten. Stalingrad war verdammt teuer und auch in Welikije-Luki sind die Verluste recht groß gewesen. Was ich in den letzten Tagen erfahren habe, hat mich einigermaßen erschüttert und ich bin nur froh, dass wir damals rechtzeitig weggekommen sind. Sonst wäre es uns dreckig gegangen. Jetzt ist dort oben aber Ruhe. Die großen Kämpfe sind jedenfalls abgeschlossen. Anders ist es ja nun weiter südlich. Im Herbst habe ich bedauert, dass wir unser schönes Winterquartier und ich meinen Posten als Sicherungsunterabschnittskommandantenadjutant aufgeben mussten und jetzt ist vielleicht such das unser Glück gewesen, denn ich glaube in der Gegend wird es auch recht unangenehm werden. Ich nehme aber an, dass - der Geländegewinn, den die Russen jetzt erzielen konnten, ihr Untergang sein wird, da sie dann wahrscheinlich große Nachschubschwierigkeiten haben werden, die für uns ja dann zum Vorteil sind. Aber wir können das ja alles nicht beurteilen. Trotzdem. Meine Voraussagen sind ja bisher immer ziemlich genau eingetroffen. Hoffentlich habe ich auch Recht mit der Prophezeiung, dass noch in diesem Jahr der Krieg beendet, zumindest aber entschieden sein wird. Wir hoffen es jedenfalls alle und glauben es auch, so oder so. Im allgemeinen teilt man aber hier meine optimistischen Ansichten und ich kann nur sagen, dass die Stimmung bei den. Soldaten sehr gut ist.
19.2.43
Die Maschine ist ständig in Gebrauch. Ich schreibe deshalb mit der Hand weiter, damit Ihr den Brief bald bekommt. – Weiter zu Euren Briefen: Inzwischen habe ich erfahren, dass die Stadt die Hauptstadt von Weißrussland werden sollte. Daher die großen Bauten. Man hat sich dann aber alles anders überlegt und wollte Witebsk zur Hauptstadt machen. Die Bauten in M. sind deshalb einfach stillgelegt worden und stehen schon mehrere Jahre unvollendet, was mir nicht recht begreiflich ist. Hoffe bald Bilder von der Stadt schicken zu können. - Bin heute beim Funkhaus vorbeigekommen + Pauli kurz besucht. Es lohnt nicht. Er ist dof, Marianne + Viktor haben sich versöhnt + alles ist in bester Butter. Wie zu erwarten. Marianne hat mir auch geschrieben. Ist aber belanglos. – Meine Kameraden sind gestern auch von der Jagd gekommen. Alles verlief im Sande, da der Feind rechtzeitig getürmt ist. Als Opfer waren nur zu beklagen: 1 Rind, 1 Schwein + mehrere Hühner, die alle nächste Woche unseren sonst unwahrscheinlich mageren Küchenzettel bereichern. – Allgemeines: Urlaub: aussichtslos. Päckchensperre wird noch lange dauern. – Tauwetter + kalter Wind, Glatteis + Matsch. Grippewetter. – Heute Wache. – Täglich neue Parolen, die meist einige Tage später der Wehrmachtbericht bestätigt. Vielleicht sind wir nicht mehr lange hier. Ich fürchte, dass wir mal ganz plötzlich zum Einsatz kommen. Es wird wohl nicht ein großes Durcheinander geben. Vielleicht geht auch unser Chef weg + der ganze Haufen platzt. Vorläufig ist das aber nur so eine Ahnung von mir. - Die Pacht sollte m.W. von 34 auf 32,- RM gesenkt werden und später sogar bis auf 20,- Aber genaues weiß ich nicht. – Zum Lesen bin ich jetzt selten gekommen. Werde wohl auch in Zukunft wenig Zeit haben. Muss noch 15 Briefe beantworten. Von Egon keine Nachricht. Aber viel Post aus der Heimat und so nette und trostreiche Briefe. – Habt Ihr eigentlich von Bürgel Antwort bekommen? Ja, ich wollte eigentlich nun noch viel schreiben + fragen, habe aber schon wieder alles vergessen. Es war eben etwas viel Betrieb in den letzten Tagen. – Gestern habe ich Teile der Goebbels-Rede gehört. Der VB sagt, es war ein Volksentscheid für den Krieg. Jedenfalls war es sehr interessant + die Rede Rede im Sportpalast hat bei den Kameraden ungewöhnlich viel Aufsehen erregt. Überhaupt ist man jetzt hier politisch + militärisch sehr interessiert. Früher hat sich kein Mensch dafür interessiert, jetzt ist es aber scheinbar doch spannend geworden. Na, hoffen wir, dass uns die Zukunft recht viel Gutes bringt. Ich glaube jedenfalls an den baldigen Frieden. Nun Schluss. Sobald ich Zeit habe, schreibe ich mehr.
Einstweilen alles Gute, für Fred recht gute Besserung und herzlichen Gruß auch an Onkel Alex
Heinz

 

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