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Brief (Transkript)

Heinz Sartorio an seine Schwester am 29.8.1942 (3.2002.0827)

 

Im Felde, den 29.8.42.



Liebe Elly,

Nun mal zu der ausführlichen Beantwortung Deines Briefes vom 15.8. Auf die Bilder von Bobruisk kann ich mich nicht mehr genau besinnen. Ich kann daher auch nicht mehr sagen, was die Gebäude alle für eine Bedeutung haben. Eins ist aber sicher: Dass das Theater weder Alt-Schinkel noch sonst ein Stil ist. Auf den Bildern sieht alles 10 X schöner aus, als es in Wirklichkeit ist. Die Aufnahmen sind schlecht gemacht und alles ist von der besten Seite gesehen. Die Innenaufnahmen sind nicht das Soldatenheim, sondern unser Gemeinschaftsraum. Das Soldatenheim ist lange nicht so hübsch. Auf eine Aufnahme von einem Schloss kann ich mich nicht besinnen. Es gibt auch kein Schloss in B. Wirklich hübsch, wenn auch einfach, ist nur die Kirche. Erklärungen zu den Bildern gebe ich Euch später mal, wenn ich Urlaub bekommen sollte. Die Bilder nach hier schicken ist zu umständlich. Auf dem Bild im Gemeinschaftsraum am Tisch das Ihr mir geschickt habt, ist rechts vorn unser Alter, links vorn unser Spieß. Das andere sind Fw. und 1Uff z. der Kolonne. Erklärungen auch später mal. Ich will versuchen, noch bessere Aufnahmen von unseren Stars zu bekommen. Schicke sie dann ebenfalls. Für Deine Bemühungen um den Foto vielen Dank. Es wäre schön, wenn ich ihn bekommen könnte. Filme würde ich durch Frau B. bekommen können. Für die Karte von Russland nochmals schönen Dank. Leider werde ich sie vorläufig nicht gebrauchen können, denn wie haben uns ja jetzt erst mal festgefahren. Die Zahlen sind evtl. auch mal rückwärts zu lesen« Päckchen sind bisher nicht gekommen. Werden aber wohl in den nächsten Tagen eingehen, denn die Post kommt jetzt Wieder prompt. Auf die Tabakspfeifen bin ich gespannt. Kann sie gut gebrauchen. Ebenso die Schachfiguren. Es ist zwar schade, dass es gute Figuren sind, aber man kann ja später wieder welche besorgen, falls sie mir hier verloren gehen sollte Durch meine Schuld wird das jedenfalls nicht geschehen, denn ich freue mich schon darauf, mal wieder eine schöne Partie Schach spielen zu können. Diese geistige Anregung wird mir sicher gut tun. Mit den Blumen ist das hier Essig. Es gibt fast keine mehr, oder nur ganz gewöhnliche Sorten. Ich habe zwar nicht viel Ahnung, werde mich aber trotzdem bemühen, Samen zu besorgen, falls wir wieder mal in eine so blumenreiche Gegend kommen sollten. Hier ist nur alles Wald und grüne Wiese. Trockensprit brauche ich z.Zt. nicht, da wir auf offenem Feuer kochen. Jetzt können wir das riskieren. Später werde ich aber sicher wieder Beste darf haben. Ihr könnt also Eure Bemühungen fortsetzen, soweit es Euere t Zeit erlaubt. So, das wäre alles zu Deinem Brief. l Hier hat sich nun weiter nichts ereignet. Es herrscht himmlische Ruhe. Leider zuviel, denn die Herren werden bereits wieder ulkig. Appell usw. Mich betrifft es zwar nicht weiter, aber ich ärgere mich trotzdem darüber. Es kommt alles wieder so, wie es in Bobruisk war, wo ich mich so viel j zu beklagen hatte. Aber lassen wir das. Das Thema ist zu hässlich. Gestern war großer Waschtag. Habe mich elend gequält und ein Hemd und eine Unterhose zerrissen. Nur dadurch bin ich in den Besitz sauberer Sachen gekommen, sonst wäre es kaum gelungen. 1. sind die Sachen unwahrscheinlich dreckig und 2. habe ich nur die Kriegsseife und damit kann man ja beim besten Willen keine großen Erfolge erzielen. Wetter: warm und trocken. Verpflegung; wie bisher und weiterhin zusätzlich Kartoffeln. Komme dadurch ganz gut zurecht. Dass man sonst so viel entbehren muss, merkt man schon gar nicht mehr. Nur manchmal, wenn es etwas besonderes gibt, erinnert man sich an bessere Zeiten. Gestern gab es z.B. Bier. Gutes deutsches Exportbier. Man gibt sich wirklich viele Mühe, um uns das leben hier erträglich zu gestalten. Wenn wir alles bekommen würden was uns zugedacht ist, wäre es wirklich sehr schön. Meine Schreibmaschine macht mir Sorgen. Man kann nur ganz langsam schreiben, da sie dauernd hackt und ich manchmal nach jedem Buchstaben die Leertaste drücken muss. Daher kommt also die schlechte Handschrift.
Heute füge ich dem Brief nun eine Frontzeitung bei, in der ein interessanter Artikel steht: "Todgespickte Erde". Die Schilderungen in diesem Artikel handeln von unserem Abschnitt und treffen genau auf unseren Vormarsch zu. Die erwähnten Tanksperren und Bunker habe ich selbst gesehen und durch die genannten Ortschaften bin ich auch gefahren. Alles was in diesem Artikel steht kann ich nur bestätigen. Außerdem habe ich wieder mal einen Bericht (Nr.5) geschrieben, den ich ebenfalls beilege. Will versuchen heute noch mehr zu schreiben. Wenn ich es schaffe bis der Kurier fortgeht, lege ich es ebenfalls bei Mir geht das Schreiben nicht mehr sehr flott von er der Hand, da die Erinnerungen schon wieder schwach geworden sind, denn ich lebe im allgemeinen nicht von Erinnerungen, sondern von den Ereignissen des Tages. Da sich hier nun wieder nichts ereignet, fange ich also bereits auch wieder zu sterben an und komme so langsam in den Zustand, in dem ich mich den Winter über in B. befunden habe, als ich vor Langeweile bald umgekommen bin. Man kann sich nämlich seine Freiheit nicht so einteilen, wie man das gerne möchte. Die Kameraden hindern einen ständig daran. Schläft man z.B., so finden sie es originell, wenn sie einen wecken und fragen, wie man geschlafen hat. Liest man, so fragen sie beständig, was man liest und schreibt man, dann kommen sie und fühlen sich verpflichtet, einem in die privaten Briefe zu sehen und evtl. auch noch ihre Kritik auszusprechen. Bei jeder anderen Beschäftigung kommen sie auch und meckern, dass ihnen dies und jenes nicht gefällt und sie alles anders machen würden. Wie ich schon oft gesagt habe: Ich habe mit diesen "Kameraden" ganz besonderes Pech. Es ist das unkultivierteste Volk was ich je gesehen habe, alles Penner und Proleten. Es sind nur 4 oder 5 Mann mit denen ich mich mal unterhalten kann und die sind alle mit mir zusammen hierher gekommen. Alles andere ist unter aller Sau. Habe bei keiner Truppe bisher so schlechte Kameradschaft kennen gelernt. Na, egal das wird ja auch noch mal vorübergehen.
Ja, und das wäre nun alles, Was ich für heute zu berichten hätte. Habe ja auch in letzter Zeit reichlich viel geschrieben und mal muss ja auch der Stoff alle werden. Das nächste Mal schreibe ich nun wieder, wenn sich etwas besonderes ereignet, oder ich Post von Dir zu beantworten habe. Sonst tritt evtl. eine längere Pause ein. Meine letzten Briefe waren übrigens, soweit ich mich erinnern kann und meine Notizen stimmen, vom 9.8./lo.8./l2.8./14.8./l7.8./21.8./23.8./25 .8./27.8.und der heutige. Dazu kommt dann noch das Päckchen. So und nun Schluss für heute.
Alles Gute und recht herzlichen Gruß auch an Fred und Onkel
Heinz
Liebe Elly,
Soeben trifft Dein Brief, vom 18.8. hier ein. Schönen Dank. Die Beantwortung erfolgt in den nächsten Tagen, da ich jetzt keine Zeit mehr dazu habe. Bis zum nächsten mal also
recht herzlichen Gruß
Heinz
Anlagen 2 Berichte 1 Zeitung
Feldpostkarten zur gefI. Bedienung.

 

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