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Brief (Transkript)

Heinz Sartorio an seine Schwester am 4.8.42 (3.2002.0827)

 

Im Felde, den 4.8.42.



Liebe Elly,

Gestern kam endlich wieder mal Post von Dir und zwar der Brief vom 23.7. Recht schönen Dank. Ich habe schon immer gelagert denn der vor- letzte Brief kam am 18.7. und da ich nicht gewöhnt bin von Dir so selten Post zu bekommen, dachte ich schon es wäre etwas passiert. Ich bitte Dich deshalb öfter mal zuschreiben? WENN ES AUCH NUR EINE Karte ist, ( Hatte eben versehentlich den Feststeller gedrückt.) damit ich wenigste immer weiß was los ist. Die Post geht aber jetzt auch länger und in nächster Zeit wird es wohl damit noch schlechter werden. Zunächst aber erst noch einmal die Bestätigung Deiner Post. Die Absendedaten kann ich. leider nicht mehr feststellen, aber die Ankunft notiere ich mir neuerdings immer. Es kamen also: am 16.7.5 oder 6 Päckchen, am 17.7. 1 Päckchen, am 18.7. ein Luftpostbrief, am 30.7. 3 Päckchen und am 2.8. der letzte Brief. Von mir sind abgegangen: Briefe am 9.7., 13.7. (L), 18.7. 20.7., 25.7. (L), 29.7., 31.7. ( L-Luftpost). Scheinbar hattest Du die letzten 6 Briefe beim Schreiben Deines Briefes noch nicht erhalten. Mit der Luftpost geht es also wohl doch nicht so schnell. Und nun zur Beantwortung Deine Briefes: ( Der Reihe nach) Mir fehlt nur noch Brillantine und ein Spiegel. Streichhölzer brauch ich nicht mehr, da ich inzwischen welche bekommen habe. Esbit oder Meta bitte ich dagegen in jeder erreichbaren Menge aufzukaufen, da ich das Zeug viel brauche. Gestern habe ich mir ein paar Kartoffeln im Kochgeschirrdeckel gebraten und dazu nimmt man am besten Trockensprit, da es sonst zu lange dauert. Offenes Feuer dürfen wir außerdem nicht machen, damit wir durch den Rauch nicht unsere Stellung verraten. Blechdosen schicke ich in kürze wieder zurück. Habe noch einige Schokacolaschachteln, da wir neulich mal Schokacola bekommen haben. Schmeckt übrigens prima. Bekommen jetzt ca. alle 1o Tage Schokolade. Außerdem könnt Ihr aber ruhig den Trockensprit auch in anderer Verpackung, z.B. Pappschachteln versenden. Es passiert schon nichts. Kalkpräparate usw. sind sehr schön. Möglichst aber in Tablettenform. Pulvertüten werden zu leicht zerdrückt. Nun weiter in Deinem Brief: Über einen Satz habe ich mich halb tot gelacht. Da hast Du unbeabsichtigt einen Witz gerissen. Du schreibst: " Am Freitag habe ich mich gesund schreiben lassen, am Sonnabend gewaschen und am Sonntag aufgehängt." Dass Du gesund geschrieben worden bist, freut mich. Dass Du Dich gewaschen hast, halte ich für selbstverständlich, dass Du Dich aber aufgehängt hast finde ich feige. Ich hoffe aber, dass Du es gesund überstanden hast. —Die Sache mit dem Darmkatarr ist verheerend. Liegt scheinbar an Fettmangel. - Dass Du mit Eingemachtem einigermaßen versorgt bist beruhigt mich. Von den Urlaubern hört man nämlich keine schönen Sachen. Einer sagt, dass er seine Frau bald nicht wiedererkannt hat. Sie sei zur Spinne geworden. Von Bekannten höre ich auch, dass sie 30 und 40 Pfund abgenommen haben. Da geht es uns tatsächlich noch gut. Wir bekommen ja auch verdammt wenig und schlechte Verpflegung, aber ab und zu kann man sich doch noch mal sattessen. Ich gehe z. B. jetzt Öfter mal schnorren zur Küche beim Stab. Mit 2 Portionen wird man dann satt. — Das Wetter war 4 Tage lang auch hier sehr schlecht. Nach der großen Hitze gab es ein sehr starkes Gewitter und regnete dann 2 Tage lang ununterbrochen. Alles ist aufgeweicht und die Strassen sind nur noch Schlamm und Modder. Dazu ist es sehr kühl geworden und ich habe wieder den Pullover angezogen. Heute ist es aber einigermassen warm und die Sonne ist auch schon etwas, durchgekommen. Es wird wohl wieder besser werden. - Hautkrem brauche ich nicht mehr. Bin vorläufig versorgt und geh sehr sparsam damit um. Die Brille kam im rechten Augenblick.— Was Du mit Fehler in meinem Brief meinst, weiß ich nicht. Was heißt mit Verdummung anstecken lassen?" —Zahnpulver habe ich noch. Bei Bedarf fordere ich an. Halte bitte 2-3 Päckchen in Reserve. — Die Abzüge von den Bildern unseres Ltn. hat noch keiner bekommen und ich moniere heute von der Kolonne aus. — Lesestoff habe ich genug. Mehr als Zeit. Wir bekommen regelmäßig viele Zeitungen. Außerdem habe ich die Bücherei von etwa 15o Büchern. Illustrierten bekomme ich auch von Kameraden zur Ansicht. Habe aber zum Lesen zu wenig Zeit und lese nur regelmäßig "Das Reich". In Nr. 29 v. 19.7. ist von Goebbels ein interessanter Artikel; "Die sogenannte russische Seele" Habe nur flüchtig lesen können und kann daher nicht ausführlich Stellung nehmen. Glaube aber, dass G. im allgemeinen Recht hat mit dem, was er über die Russen schreibt Die R. kommen einem manchmal wirklich die Tiere vor. Allerdings gibt es auch bei uns genug Leute, die nicht auf einer kulturell viel höheren Stufestehen. Wir machen uns, glaube ich, ganz falsche Vorstellungen von der kulturellen Höhe der Völker. Darüber gelegentlich mal mehr, wenn ich viel Zeit habe. Was die Leute über die Mittelfront sagen, ist alles Blödsinn. Wir haben militärisch keine Schwache und es fehlt uns an nichts Knapp sind nur Lebensmittel und langsam steht auch ein Personalmangel. Das ist aber auf der anderen Seite auch nicht besser. Waffen und Munition haben wir aber auf jeden Fall genug. Es verläuft hier, wie an den anderen Frontabschnitten alles planmäßig und wenn der geeignete Augenblick da ist, wird auch hier wieder angegriffen. Wir können militärisch beruhigt in die Zukunft sehen. In anderer Hinsicht habe ich allerdings auch schwere Bedenken. Das schlechte Wetter wird die Ernte "bestimmt nicht begünstig n. Ich kann mich direkt ärgern, dass Ihr auch nichts ernten könnt. Ich hatte fest damit gerechnet, dass Ihr durch die Obst- und Gemüseernte gut über der Sommer kommt, nun fällt diese Hoffnung aber auch weg. — Papa schreibt, dass er sich über Dich geärgert hat, weil Du ? eine Zigarre verpasst hast. Er hat deshalb so lange nicht geschrieben. Wollte aber am gleichen Tage noch einen Brief an Dich absenden, den Du ja inzwischen auch bekommen hatte wirst. Hurra, eben kam wieder mal Post. Von Dir 2 Karten und 1 Päckchen, Inhalt 4 Kekse, 1 Spiegel und Feuersteine. Habe mich sehr gefreut. Vielen Dank. Der Spiegel ist etwas klein, dafür aber haltbar. Wenn Du aber noch einer größeren auftreiben kannst, dann: schicke ihn bitte. Kann ihn gebrauchen --Was Du mit dem Geld machst, ist mir egal. Verwende; es, so gut Du kannst und wie Du es für richtig hältst. Ich habe im Augenblick nicht sehr viel Interesse dafür. Allzu viel kann ich im Augenblick ja such nicht schicker denn ich bekomme ja monatlich nur 75 RM und etwas gibt man ja auch aus, für Marketenderwaren etc. Bei nächster Gelegenheit schicke ich aber wieder etwas. —Die Karten von Schmöckwitz sind nicht so. wichtig. Ich freue mich, wenn ich wieder mal eine sehe, aber extra raussuchen, brauch Du keine. Das wäre nun alles, was ich auf Deinen Brief zu antworten hätte. Nun die Neuigkeiten von mir: Von den wirklich interessanten Sachen kann ich ja nun leider nicht viel schreiben, da die Geheimhaltung unbedingt gewahrt bleiben muss und selbst den Schaden davon hätte, wenn ich irgendetwas über unsere Vorhaben schreibe und das der feindliche Spionage in die Hände fällt. Abgesehen davon ist das ja auch strafbar. Ich kann Dir also nur mitteilen, dass wir bald wieder mal umziehen. Wem: Du diesen Brief erhältst, wird wohl schon alles vorbei sein und wir sind am Ziel. Wenn etwas besonderes passiert gebe ich Dir per Luftpost Nachricht! Wird zwar auch nicht viel Zweck liefen, dass ich per Luftpost schreibe, denn wahrscheinlich werden wir dann nicht mehr so günstige Postverbindungen haben, wie bisher. Auch werde ich wohl bald nicht mehr so viel Zeit haben, wie bisher, ich werde mich aber bemühen, möglichst oft zu schreiben, wenn es auch nur kurze Mitteilungen sind. Sonst hat sich nicht viel ereignet. Vor- gestern war ich in einer Sauna zum Baden. Wir haben in der Nähe des Bahnhofs die Badeanstalt entdeckt und ich musste davon natürlich sofort Gebrauch machen. Bin mit dem Krad rübergefahren und erst mal, nein, ein paar mal auf die Schnauze gefallen. Der Weg war durch den Hegen ein. Bei der und dabei schliddert man nur so. Jedenfalls war ich danach richtig dreckig zum Baden. Es hätte aber auch schon vorher erlangt. Die "Badeanstalt" ist eine Holzbaracke, in der ein Kessel ist, in dem Wasser warm gemacht wird. Dann gibt es noch einige Schüsseln, in denen man sie waschen kann. Dazu ein kleiner Raum etwa 10 cbm Inhalt in dem eine breite Holztreppe ist, die in 5 Stufen bis zur Decke geht. In diesem Raum, der eigentlichen Sauna, ist ein Ofen der fürchterlich eingekachelt wird. Man wäscht sich darin mit heißem Wasser und setzt sich auf die Stufen, so hoch man es aushält. Bei der Hitze kommt man mitunter nicht hoch hinaus, denn man schwitzt sich tot dort oben. Das gute bei der Sache ist aber, dass man den ganzen Dreck rausschwitzt, den man dann mit heißem und kaltem Wasser abwechseln abspült. Die Kur ist bestimmt nicht schlecht» Auf dem Rückweg bin ich dann auch wieder einmal geflogen, war aber auch nicht schlimm. Nur durch den Staub an den trockenen Stellen bin ich gleich wieder erheblich eingedreckt. Soeben marschiert wieder ein Pferdetransport von einigen Hundert Pferden vorbei. So geht es den ganzen Tag. Ein Transport nach dem anderen wird auf dem Bahnhof ausgeladen und marschiert dann an uns vorbei. Die Kutscher und Pferdelenker sind oft Russen. Ein komischer Krieg in dem die Feinde von gestern die Verbündeten von heute sind. Als wenn es nur darauf ankommt, sich gegenseitig totzuschlagen, Manchmal weiß man wirklich nicht mehr, was für einen Sinn das ganze hat. Mir ist das aber auch schon ziemlich egal. Ich suche mir das beste von der ganzen Sache für mich raus und es ist für mich jetzt weiter nichts als ein Abenteuer. Mein einzigstes Interesse ist, heil aus dem Dreck heraus- zukommen. Und die Chance ist für mich ziemlich groß, denn so toll wird es bei meiner Kolonne sowieso nicht. Das einzigste was wir in nächster Zeit zu befürchten haben, ist Ariefeuer und evtl. noch Flieger, Aber es wird schon gut gehen. Ein komisches Gefühl ist es aber trotz- dem, wenn man weiß, dass man so allerhand für die Zukunft zu erwarten hat. Trotzdem ist die Gefahr wahrscheinlich nicht größer, als die, von einem Autobus auf der Leipziger Str. überfahren zu werden. Schlimm ist es nur für die, die direkt an den Kampfhandlungen als stürmende Truppe eingesetzt sind. Die tun mir ja dann allerdings auch leid. Aber nun genug davon. Mal wieder etwas was mich, viel mehr interessiert: An Papa habe ich jetzt schon die 2. Päckchenmarke geschickt, ein Päckchen ist aber noch nicht angekommen. Muss aber auch in den nächsten Tagen eingehen, denn mein 1. Brief ist am 13. per Luftpost abgegangen. Hoffentlich sind viele leckere Sachen drin. Ich bin schon gespannt darauf und bei jeder Postsendung gilt mein erster Blick den großen Päckchen. Es ist aber noch keins mit Marke angekommen. Urlaub: Mit Urlaub ist jetzt die halbe Kolonne durch 30 Mann von den alten fehlen noch. In nächster Zeit werden ja nun wohl keine Urlauber mehr fahren dürfen. Bisher ging es aber immer noch, allerdings sind in letzter Zeit nur wenige gefahren. Bei der Unregelmäßigkeit der Zuteilungen kann ich daher auch nicht sagen, wann ich wohl mal rankommen werde. Voraussichtlich werde ich wohl aber doch im Spätherbst dran sein, Z.Zt. liegt mir nicht viel an Urlaub, denn das Zurückfahren würde mir doch zu schwer fallen. Jetzt habe ich mich schon so an die Entbehrungen gewöhnt, dass ich sie schon nicht mehr merke. Wenn man aber auf Urlaub war, merkt man erst wieder, dass es auch noch etwas anderes als russischen Dreck gibt. Und dann fällt einem alles noch mal so schwer. Mir ist dann schon lieber, wenn ich im Winter fahren kann, denn vor dem Winter habe ich die meiste Bange. Den Winterorden (auch Wintersportabzeichen oder Gefrierfleischorden genannt) bekommen wir übrigens nicht, da wir zu spät gekommen sind und nicht im Kampf eingesetzt waren. Ist mir so auch lieber, obgleich es jetzt bald auffällt, wenn einer ohne Orden rumläuft. Aber bald werden wir ja alle einen haben. Prima, nicht? Dann stößt man wenigstem nicht so sehr von den anderen ab und wird evtl. als etwas besonderes angesehen. - Von den Kameraden mit denen ich damals hierher versetzt worden bin und von denen einige wieder ins Reich zurückgekommen sind (aus Gesundheitsgründen) , habe ich auch nichts gutes gehört. Einer z.B. der Lungenkrank ist, ist jetzt zum Pionier-Batl. versetzt worden und befindet sich jetzt in den vordersten Stellungen an der Front. War ein netter Junge und tut mir wirklich leid. Aber daran sieht man eben wieder mal, dass man nie weiß, wozu es gut ist, wenn man mal eine schlechte Zeit verleben muss und dass es durchaus nicht immer das beste ist, wenn man allzu überstürzt eine Änderung seiner Situation herbei- führen will. Ich bin jedenfalls z.Zt . mit meinem Leben ganz zufrieden, wenn man berücksichtigt, dass es anderen noch viel schlimmer geht. Gesundheitlich geht es mir gut und die Tätigkeit die ich augenblicklich aus übe gefällt mir verhältnismäßig auch und was das Leben sonst betrifft mit Bezug auf Verpflegung und Unterhaltung, so kann ich nur sagen, dass ich mit der Verpflegung einigermaßen zurecht komme, und die Unterhaltung vermisse ich nicht weiter. Radio habe ich und das Vergnügen das man früher in Berlin gehabt hat, würde mir heute nur schal vorkommen, da es bestimmt nicht in die Zeit passt. Ich bereue jeden- falls nicht, dass ich von Berlin und der BWA weg bin. Dauernd an einem Platz zu sein behagt mir sowieso nicht und die moralische Belastung die sich daraus ergibt, dass man sich dauernd unter diesen Minderwertigen Menschen befindet und sich von ihnen befehlen lassen muss ist vielleicht schlimmer, als die Gefahr, die man hier hat. Hier lebe ich jedenfalls z.Zt. ziemlich frei und fühle mich dadurch wohl. Also langer Rede kurzer Sinn: Man weiß eben nie, wozu es gut ist und in einem alten Soldatenlied heißt es ja: "Und setzet Ihr nicht das Leben ein, nie wird Euch da Leben gewonnen sein." Und wer immer zu hause hinter dem warmen Ofen sitzt, hat auch nichts vom Leben gehabt. Kommt man heil aus dem Krieg zurück, dann kann man doch immer sagen, dass m man etwas erlebt hat kommt man nicht zurück, dann hat man eben Pech gehabt. Schlimm ist es ja nur für die Krüppel. Aber man muss ja nicht immer gleich das Schlimmste annehmen. / und hoffe Also abschließend: Mir geht es gut und ich glaube auch, dass ich des in Zukunft behaupten kann. Hoffentlich geht es Euch auch gut und über- steht Ihr den Krieg gesund. So, jetzt spanne ich nicht noch einmal ein. Ich habe sowieso schon in Raten geschrieben, da immer dienstliche Sachen dazwischen kamen. Ich will sowieso Schluss machen, denn es gibt nichts neues weiter, höchstens, dass ich eben erfahren habe, dass sich unsere Veränderung doch noch etwas verzögern wird. Nächstens also mehr. Bis dahin recht herzlichen Gruß auch an Fred u. Onkel Alex

 

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