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Brief (Transkript)

Walter Kappmeier an seine Frau am 27.02.1945 (3.2002.1246)

 

# 27

aus dem Westen vom 27.2.45



Meine über alles geliebte Frau!

Heute ist es bei uns mal gelungen mit unserem Funkgerät den Wehrmachtsbericht zu hören. Das ist etwas schwierig, da wir damit nur die Kurzwellen hören können, die aber von der Feindseite sehr gestört werden. Nach dem Wehrmachtsbericht zu urteilen hoffe ich annehmen zu können, daß Ihr noch zu Hause seid. Ich hoffe und wünsche so inbrünstig, daß Ihr dort auch bleiben könnt.
Nun, mein Süßer, will ich mich zu Deinen Briefen äußern. Daß die Zeitungen noch angekommen sind ist sehr schön. Nun habe ich doch für die nächsten Nächte, wo ich Dienst habe zu lesen. Kannst Du mir evtl. den Roman im Umschlag schicken? Weist Du, mein Purzel, zur geistigen Anregung muß man unbedingt etwas zum lesen haben. Das Buch „Mein Kampf“, daß ich angefangen hatte zu lesen, habe ich in dem Keller zurückgelassen. Ich hätte es gern mitgenommen, aber es gehörte ja immerhin Deutschen, den ich nichts nehmen will. Plünderungen vom Eigentum deutscher Volksgenossen, auch wenn die Häuser zerstört sind, werden mit Todesstrafe bestraft. Es sind sogar schon Urteile vollstreckt. In der einen Zeitungssendung lag Dein Brief vom 15.1., unnummeriert. Dabei waren der Brief #2 von Gisela und der Zettel von Klaus. Ach, Muttilein, ich hätte früher nie gedacht, daß so etwas einen Mann glücklich machen kann. Ich freue mich immer so sehr darüber und wenn es nur das Gekritzele von Bernd ist. Ich kann mir vorstellen daß Klaus mit hochroten Bäckchen gegessen und gemalt hat. Auch weiss ich, daß er seinem Vati sehr lieb hat. Grüße die Kinder herzlichst von mir. Ich werde Ihnen noch extra schreiben.
Schönen Dank für die Grüße von Herrn Sander. Das hast Du schon richtig gemacht. Du kennst ja Deinen Mann. Im übrigen versuche ich ja immer Dir meine jetzige Einstellung zu allen Dingen mitzuteilen. Aber alles kann man ja leider auch nicht schreiben. Bei Siemens wundere ich mich nur, daß ich nicht ein einziges Mal von der Firma etwas höre. Dabei ist doch eine Betreuungsstelle für die Eingezogenen da. Aber selbst aus dem Fabo hat bis heute noch nicht einmal einer geschrieben. Abgesehen von Simon, was ich aber auch mehr privat betrachte. So ist das eben, aus den Augen aus dem Sinn. Ich s. Zt. von Brdbg. aus und zum Weihnachtsfest dorthin geschrieben. Das ich bereits seit dem 5.1. „jenseits“ bin, wirst Du ja inzwischen gemerkt haben. Deine Frage in Stenografie kann ich nicht entziffern. Meinst Du den Fluß? Die Sendung „Für jeden Etwas“ habe ich letzmalig am 1.1.45 gehört. Dann hattest Du mal auf einem Briefumschlag von einem neuen Liede geschrieben, „Ich grüße Dich, mein Korporal“ oder so ähnlich. Das kenne ich nicht.
Aus Deinem Zettel, der bei der Zeitungssendung vom 27.1. lag, sehe ich, daß Du das Schlafzimmer umgeräumt hast. Denselben Gedanken hatte ich auch schon. Eben gerade darum, um Bernd Nachts trocken zu halten. Sage man en Kindern, sie sollten mein Bett gut verstecken, damit ich recht lange suchen muß.
Dein lieber Brief, # 14 vom 10.2: Deine Geburtstagswünsche sind nun 2 Wochen früher eingetroffen. Die Post von Dir zu mir geht also auch 12 - 14 Tage. Du mein Lieb, ich danke Dir für Deine Wünsche. Es ist auch mein Hoffen, daß wir uns in diesem Jahre alle gesund wiedersehen, um dann für immer zusammenbleiben zu können. An unseren Geburtstagen werde ich mit meinen Gedanken besonders stark bei Dir sein. Es wäre ja gut, wenn ich mir unnötige Sorgen um Euch machte. Du schreibst dann etwas vom Urlaub Mein Purzel, da ist garnicht dran zu denken. Von der Stromeinschränkung hatte ich schon gehört. Was Habt Ihr denn beim Alarm für Licht? Petroleum gibt es doch auch nicht. Es ist ja immer noch besser zu Hause diese Einschränkungen hinzunehmen, als fort zu müssen. Mein liebes, gutes Purzel, es braucht doch für Dich kein schrecklicher Gedanke zu sein, wenn ich mich mit Eueren Sorgen beschäftige. Hattest Du denn die Absicht, Dich mit mir darüber garnicht zu unterhalten? Du hattest doch letzthin selbst geschrieben, daß wir danach handeln wollen, was wir uns vor 10 Jahren versprochen haben. Es ist doch für Dich auch leichter, zum mindesten seelisch, wenn Du Deine Sorgen mit uns teilen kannst. Es ist schlimm genug, daß ich Dir in dieser schweren Zeit nicht beistehen kann. In jedem Falle hast Du mein vollstes Vertrauen zu all dem, was Du tust. Wenn Du im äußersten Falle nach Gronau kommen könntest, würde ich das natürlich sehr begrüßen. Wenn um Berlin wirklich gekämpft werde sollte, ich kann aber immer noch nicht daran glauben, ist es natürlich besser, daß Ihr fortfahrt. Aber allein des Transports wegen tust Du mir leid. Mein Purzel, was habe ich später alles gutzumachen an Dir. Ich habe auch hin und her überlegt, was ich Dir für einen Rat geben soll.
Es ist ja immerhin fraglich, ob um unsere Siedlung je gekämpft werden wird, zumal wir nicht an einer Hauptverkehrsstrasse nach Bln. liegen. Meine größte Sorge ist, das im Falle einer Besetzung keine Nahrungsmittel nach dort kommen. Und allein aus diesem Gründe möchte ich raten dann zu versuchen von dort fortzukommen. Selbst hier in den Dörfern, um denen gekämpft wurde, sind Frauen mit Kindern verblieben. Die wohnen natürlich nur in den Kellern. Ihnen ist aber auch zum größten Teile nichts passiert. Ernähren tun sie sich vom Eingemachten, auch aus den Kellern der geflüchteten Nachbarn. Außerdem haben sie hier noch die Gelegenheit, das zurückgelassene Vieh zu schlachten. Das fehlt doch aber alles bei Euch. Wenn Du nun wirklich nach Gronau kommen solltest und in Banteln nicht unterkommst, dann versuche es mit Tante Mathildes Hilfe in Betheln. Tante Mathilde hat auch in Eitrum Bekannte. Aber ich weis ja auch nicht, wie es dort aussieht. Solange es irgend geht, bleib man dort. Man kann in solchen Dingen schlecht einen Rat geben. Deine grundsätzliche Ansicht zu dieser Frage ist auch die meinige. Eins möchte ich Dir aber noch sagen, wenn Du eine Entscheidung treffen solltest, die sich später als übereilt oder gar falsch herausstellen sollte, so werde ich Dir niemals einen Vorwurf daraus machen. Du hast mein volles Vertrauen und ich billige alles das, was Du tust.
Deiner Ansicht über die Gesamtlage kann ich nur zustimmen. Das Deutschland ganz besteht, ist ausgeschlossen. Ich habe unseren westl. Gegner, besonders den Ami, ja nun kennengelernt. Dazu kann ich nur sagen, wenn wir das Material hätten, d.h. Mengenmässig, was die haben, dann würden wir sie jagen, daß sie innerhalb einer Woche im Kanal lägen. Daß bei dem großen Materialaufwand unserer Gegner von uns aus die Front gehalten wird, beweist unsere kämpferische Ueberlegenheit. Gegen den deutschen Soldaten kommt doch keiner an. Sei Du froh, daß Du kein Mann bist und dieses Handwerk nicht ausüben brauchst, Du tust bestimmt so Deine Pflicht, wenn Du für unsere Kinder, die auch ich so lieb habe, sorgst. Denn sie verkörpern ja die Zukunft, für die wir dies alles durchmachen. Ich hoffe nun, mein geliebtes Purzel, daß dieser Brief Dich zu Hause bei einer inzwischen geklärten Lage erreicht. Bleibt auch Ihr mir alle gesund. Grüße Gisela, Klaus, Bernd und Omi von mir herzlichst.
In liebevollem Vertrauen grüßt und küßt Dich herzlichst
Dein Mann

 

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