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Brief (Transkript)

Robert Witzke an seine Ehefrau am 13.5.1941 (3.2002.7605)

 

Afrika,T. / 13.5.1941



Geliebtes Ingeken!

Kannst Du Dir eine afrikanische Nacht vorstellen mit Vollmond, schöner, dumpftönender Musik aus Geschützrohren - Leuchtspurbahnen wandern hinüber und herüber. Zwischendurch bellen auch mal die MG's auf, als wollten sie sagen: - "Wagt ja nicht heranzukommen, wir sehen alles." - "Piiiüüüuung - Krach!" - "Piiiüüüuung - Krach!" Das sind Granaten und dieses mal ganz in der Nähe "Piiiüüüuung flupp!" Das war ein Blindgänger. So geht es nun schon wochenlang - uns stört es nicht mehr.
Drei Mann in einem Erdloch eng zusammengerückt, rundherum ist mit großen Steinen und Sandsäcken ein Wall geschaffen gegen Granatsplitter usw., denken an die eben verdrückte Mahlzeit und den ewig gleichbleibenden militärischen Speisezettel: Heute gab es Nuudeln!! - morgen gibt es Dörrgemüse, dann Erbsen, dann Brühreis, evtl. auch mal w. Bohnen - aus. Dann ändert sich die Reihenfolge etwas, damit ein wenig Abwechslung reinkommt, und so geht das immer fort. Ach, schöön!
Alle drei liegen auf dem Rücken und starren weltentrückt in den sternenreichen Himmel. Jeder hat so seine eigenen Gedanken. Wo mögen sie wohl hinwandern? Ein unendlich tiefer Seufzer, aus der tiefsten Tiefe einer menschlichen Gefühlskammer hervorgestoßen, unterbricht diese Stille mit den anschließenden Worten: - "Mensch Kinder - jetzt eine Schüssel Bratkartoffeln mit Rührei - und dann ein schönes eisgekühltes Glas Bier hinterher-". "Auuu!" - ertönt es einstimmig und damit ist der Bann gebrochen. Die erlesensten Gerichte werden aufgezählt, 3 Stunden lang schwelgen sie in diesen lukullischen Genüssen. Ach, sind wir satt geworden- und das mitten in der Wüste - Eine Wache von vielen . ---
Erdrückend heiß war es heute. Bei 42° im Schatten war man froh, wenn man sich nicht bewegen brauchte. Jetzt um 18 Uhr ist es ganz erträglich. In einer Stunde ist die Sonne verschwunden, und um 20:00 Uhr ist es stockdunkel. Um 21:00 Uhr bricht der Spähtrupp auf, er soll sich bis an den engen Drahtverhau 'ranarbeiten, um festzustellen, wie weit die engl. Vorposten liegen.
21:00 Uhr - Mit Gewehren, Handgranaten, Marsch-Pistolen und 1 l.MG marschieren 16 Mann in die Nacht hinaus. Hier, in dieser elenden Wüste, wo es keine Anhaltspunkte gibt, kann man nur nach Marsch-Kompaß laufen. Die Marschrichtungszahlen sind bei Tage genau festgelegt worden. Lautlos schleichen wir vorwärts. Bei Tage liegt der Feind 3000 m vor uns. Jetzt müssen wir etwa 700 - 800 m vor dem Panzergraben sein. Äußerste Vorsicht ist nun geboten. Platt an den Boden gedrückt geht es kriechend langsam vorwärts. Der Wind, aus Feindrichtung kommend, steht für uns günstig. - 400 m mögen es wohl noch sein. Da, das sind Stimmen. - Lautlos bleiben wir liegen. Unendlich lange glaubt man, doch nichts wiederholt sich. Weiter! - Nach 20 m erneut Geräusche. - Alle Sinne sind gespannt. - Plötzlich huscht ein dunkler Schatten in einiger Entfernung vor uns davon, weiter links noch einer und noch einer - Schießen dürfen wir nicht, um uns nicht zu verraten. Wir biegen nun nach rechts ab. Unendlich langsam geht es weiter. Nach Möglichkeit sollen Gefangene mitgebracht werden. - So vergeht mit Kriechen, Horchen, wieder Kriechen - wieder Horchen eine weitere Stunde. Mit dem Glas kann man in der Dunkelheit nun schon den Drahtverhau erkennen. - Da! - Im Nu preßt sich der Körper an den Boden, eine MG Garbe klatscht blind in die Nacht hinein. Erkannt sind wir noch nicht. Doch nun sind sie unruhig geworden. Mehr Marsch-Gewehre bellen auf. - Patsch - fffftt! - steigt eine Leuchtkugel hoch, gelblich-rot. Am Panzergraben erkennt man eingebaute MG-Stellungen. Aus! - Zurück! - Zu allem Überfluß streut nun auch die feindliche Artillerie das Gelände ab. Diese Ecke scheint dem Tommy nicht geheuer zu sein. Vor Wochen ist hier unser Btl. todesmutig vorgegangen. Es wird nun Zeit für uns, abzuhauen. Leise und geduckt geht es sprungweise zurück. In ausgebuddelten Löchern, in denen wir am 11., 12. und 13.4. gelegen haben, wird einen Augenblick gesammelt. 300 m sind es von hier zum Graben.- - Man vermutet uns nun scheinbar doch hier. Piu! - piu, piu, piu ! - Immer öfter pfeifen Gewehr- und MG-Geschosse vorbei. Einem klatscht ein Querschläger gegen die Seitengewehrscheide und zerreißt ihm die Hose. "Los, zurück!" - 2 Schritt weiter in einem Loch bleibt einer noch ruhig liegen. Die Arme liegen draußen. Er will oder kann noch nicht. "Mach, daß du zurückkommst!" - Immer noch nicht. - Ein Sprung, ein Griff zum Arm, - steif und kalt - puh! - welch ein Gestank. Seit Wochen liegt der arme Kerl hier und konnte nicht geholt werden. Die Sandstürme haben ihn fast zugeweht. In der nächsten Woche wird er an Ort und Stelle beerdigt. Die Tommys haben sich bestimmt gewundert, als sie am Morgen ein Grab mit einem Kreuz vor ihrer Nase sahen. Es war einer von unserer Komp., jung, verheiratet, mit 3 Kindern. Früh gegen 3:00 Uhr sind wir wohlbehalten in der Stellung. Eine Nacht von vielen, - "Schön war die Nacht, die lauschige Nacht, es leuchten die Sterne, Dich hab ich gerne, Dich - ja, Dich nur allein."
Tobruk ist eine Festung, wie man sie sich als Außenstehender gar nicht vorstellen kann. Man schätzt den Feind nach Gefangenenaussagen auf 30 000 Mann. 100 Geschütze wissen ein ganz gutes Abwehrfeuer zu bereiten. Der Verteidigungsring beträgt gut eine Breite von 20 km und eine Tiefe von 10 - 12 km. Wir waren keine Angriffs-Division, sondern eine kleine Verteidigungs-Division, die auch als solche aufgestellt war und die bei Agheila das weitere Vordringen des Feindes verhindern sollte. Trotzdem wurde der Tommy in kurzer Zeit bis an die ägypt. Grenze zurückgeschlagen und sitzt nun mit seinen Hauptkräften, die er hier hatte, in Tobruk eingeschlossen. Was hier geleistet wurde, läßt sich vielleicht noch gar nicht ermessen. Unsere Stuka u. Artil. haben ihn nun schon reichlich zermürbt. Die Wasserbrunnen vernichtet, die Wasserversorgung ist nun das Schlimmste für ihn. Immer häufiger versucht er bei Nacht Ausbruchsversuche. Doch immer wieder wird er zurückgeschlagen. So einen Feuerzauber hat es wirklich wohl nur im Weltkrieg gegeben. Rundherum blitzen am Horizont die Mündungsfeuer auf. Ein Donnern, ein Rollen und Schluchzen ist in der Luft. Die Luft ist so rein, und jedes Geräusch ist beinahe 100-fach verstärkt. Die Panzerabwehr-Geschütze schicken ihre Leuchtspurgeschosse in alle Richtungen, sie ziehen eine leuchtende, lange Bahn. Dazwischen das feine piu - piu der Infantrie-Geschosse mit ihren feinen Leuchtspurbahnen. Unzählige Leuchtpatronen lassen bestimmte Geländeabschnitte für Augenblicke taghell erleuchten. Ein imposanter Anblick, traumschöne Nächte, und doch birgt dies alles Tod und Verderben in sich. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wird auch Tobruk fallen. -
Recht schönen Dank für Deinen Brief vom 27.4. Ich habe ihn am 10.5. bekommen. Die Züllichauer halten Dich ja ganz schön mit ihren besonderen Wünschen auf den Beinen. Na laß' sie, Hauptsache, sie bringen die Angelegenheit bald in Ordnung.
Der Ernst ist also im Osten, - das ist mir neu. Von ihm habe ich noch keine Nachricht. Inge, was meinst Du, wenn ich wieder zu Hause bin, was wird das für ein Leben. Da freuen sie sich hier schon alle drauf. Das erste ist natürlich später der Volkswagen, dann kommt unser 1-Mann-Zelt, in dem wunderbar 2 Menschen schlafen können - 1 Koffergrammophon - 1 Wochenendkoffer, in dem am Abend zuvor das Frauchen schon die leckersten Gerichte packt; alles in den Wagen, und dann geht's mit dem Ingeken ins "Grüne" j.w.d. Später sind die hinteren Plätze dann auch belegt, - ach wird das ein Familien-Ausflug. Au! Au! - -
Ingeken, nun kannst Du den Faden weiterspinnen. Ich mache Schluß und lasse bald wieder von mir hören. Bis dahin küsse ich Dich recht herzlich. Ich hab' Dich ja so lieb.
Sei nun vielmals gegrüßt von
Deinem Robert
Herzliche Grüße auch den lieben Eltern, Gerda und Günter.
2 Päckchen mit je 2 Filmen sind auch abgeschickt.

 

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