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Brief (Transkript)

Robert Witzke an seine Ehefrau am 22.4.1942 (3.2002.7605)

 

Afrika, den 22. April 42



Meine liebe Ingeborg!

Es ist toll! Augenblicklich haben wir so gar keine feste Bleibe. Bei Tage müssen wir hübsch unsichtbar bleiben, damit uns der Tommy nicht spitz bekommt; sonst deckt er uns dermaßen mit seiner Artillerie ein, daß wir lieber auf Ostern und Pfingsten verzichten. Wir haben "ihn" 10 - 12 km vor uns liegen. (Die Entfernung reicht für die kleinsten Köfferchen.) Bei Nacht rückt die Komp. noch 3 - 4 km dichter ran und "igelt sich ein!" Weißt Du überhaupt, was "Einigeln" heißt? - Ich glaube es nicht. Sieh mal, wenn sich ein Igel einigelt, dann ist er rundherum durch seinen Stachelschutz unangreifbar. Wir fahren bei Nacht eng zusammen und bauen rundherum unsere Waffen auf und sind so - - wie? - aha, capito! - -Bueno!
Das war bisher nur die Einleitung, damit Du weißt, wie wenig Zeit man hier hat (zum Briefeschreiben natürlich) und doch muß es sein. Die günstigste Zeit dazu ist gegen Abend, wenn die Sonne nicht mehr so heiß brennt. Schatten braucht man schon unbedingt. Man kann sich also nur in den Volkswagen setzten, den Block auf den Schoß nehmen und schreiben. (Wenn es die Lage erlaubt.) Leider ist die Zeit immer sehr schnell um und es ist plötzlich dunkel. Einen Raum, wo man abends in aller Ruhe so schön bei Licht schreiben kann, gibt es leider nicht.
Wie schön haben es dagegen unsere Angehörigen in der Heimat. Sie können schreiben, wann sie Lust und Zeit haben. Sei es am Tage oder abends bei Licht. Keine drückende Hitze stört sie, kein Sandsturm, kein Wind, der einem stets die Blätter wegnimmt. Sie brauchen nicht fluchtartig alles beiseite werfen und in einem Erdloch verschwinden, wenn in der Nähe Artillerieeinschläge sind oder Tiefflieger kommen. Ach muß das schön sein!
Mein Frauchen muß das erkannt haben, denn sie schreibt wirklich fleißig. Hab Dank für Deine Briefe # 42 und 44. #43 muß sich in der Wüste verlaufen haben, weil er heute nicht mit dabei war; aber er wird sich schon noch anfinden, wo ich doch ziemlich bekannt hier bin.
Mit geht es gut, allemal. Wie geht's meinem Ingeken jetzt im Urlaub? Wie war's in Strausberg? - Ward ihr wieder krebsen? -
Es fängt an dunkel zu werden. Die Komp. macht sich schon langsam fertig, um in den Nachtstützpunkt zu rücken. Die Nacht wird sternenklar. Ich werde wieder nach dem "Gr. Bären" sehen, und dann begegnen wir uns. Seit ich Dich habe, liebe ich auch die Nacht mehr als früher. Der Tag zerstreut so sehr mit seinem bunten Allerlei. Wenn es Abend wird, erst steht da ein Stern, ganz unerwartet, und da noch einer und dann kommen sie alle herauf - dann wird es still - und dann bin ich ganz bei Dir. Der Tag hält am Boden fest, aber die Nacht gibt Flügel. Im Nu ist man dort, wo man sein möchte. Man sollte nicht lächeln, wenn es heißt, die Nacht gehört allen Liebenden. Nicht nur deshalb, weil sie sich über alle Heimlichkeiten deckt, sondern weil sie uns so vollständig umkrempelt. Es kommt alles so von Innen heraus. Ganz von Innen heraus sein und atmen und leben, so kann man lieben und dazu die Nacht.
Robert höre auf, sonst bekommst Du eine vor den Ballon. Na, schön! Ich muß sowieso jetzt aufhören. Die ersten Fahrzeuge rollen bereits, und ich kann kaum noch was sehen.
Gute Nacht mein geliebtes Mädchen.
Ich habe Dich unendlich lieb. Gruß und Kuß
Robert.

Grüße bitte die lb. Eltern usw.

 

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