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Brief (Transkript)

Robert Witzke an seine Ehefrau am 20.4.1941 (3.2002.7605)

 

20. April 1941



Meine geliebte Inge!

Dein Osterpäckchen habe ich bekommen. Recht schönen Dank dafür. Es ist einige Tage später angekommen, aber vielleicht war es gut so.
Damit Du nicht von anderer Seite aufgebauscht erfährst was hier geschehen ist, will ich Dir nun selbst berichten
Da wir mit die erste Einheit sind die hier herüberkam ergibt es sich von selbst, daß das Btl. stets in vorderster Linie kämpft. Mit „El Agheila“ fing es an. Dann kam „Agedabia“. In kühnem Vorstoß nahm die 2. Kp. diese Stadt. Dann wurde ein ganzer Kampfverband zusammengestellt, zu dem auch wir gehörten. Dieser wurde von „Agedabia“ aus quer durch die Wüste auf Tobruck vorgeschoben, um dem Feind den Rückweg abzuschneiden. Inzwischen wurde Benghasi genommen, während wir uns auf einem fürchterlichen Marsch durch die Wüste befanden, den wir wohl nie vergessen werden.
Am 5. Tage schwenkten wir ab nach Norden auf „el-Mechili“ zu. Hier hatte sich der Feind mit starken Teilen festgesetzt. „Mechili“ war ein starkes Wüsten-Fort. Es wurde von dem Verband genommen (hierbei hat das Btl. wieder starken Anteil. Kaum war das „Fort“ gefallen, (es wurden rund 2000 Gefangene gemacht und eine Riesenbeute an Fahrzeugen) da wurde die 2. Kp. herausgezogen und mit verstärkten Zügen unter Führung des Kommandeurs nach „Derna“ geschickt, um Derna unbedingt zu nehmen. Mit knapp 150 Mann wurde Derna genommen unter geringen eigenen Verlusten. Ca. 450 Gefangene wurden gemacht, darunter 2 Generale und der stellvertr. kommand. General, der größte Teil der Engländer war in Richtung „Tobruck“ entkommen.
Am nächsten Tag wurde eiligst aufgetankt u. die Munition aufgefüllt dann ging es weiter – Marschziel war Tobruck.
Bis auf 18 km kamen wir an Tobruck ran, dann gab es ein unerhörtes Feuer + starken Fliegerbesuch, den ganzen Tag lagen wir auf der Westseite von Tobruck. Gegen Abend war der Feind einige km zurückgeworfen worden und wir besetzten verschiedene Höhen. Der Feind mußte in ganz schöner Stärke in T. sitzen. Noch in der Nacht gegen 01.00 Uhr wurden wir aus der Stellung gezogen, die dann die Ital. besetzten. Wir wurden dann am vormittag in einem großen Bogen auf die Südseite von T. geworfen zusammen mir einem Panzerverband. Inzwischen war das M.G. Btl. 2 südostwärts T. angelangt und so der Kreis um Tobruck geschlossen. Unabhängig von uns war inzwischen die ganze restliche Kampfgruppe von „Mechili“ in Richtung „Bardia-Sollum“ weitergerückt.
Und nun kommt der bitterste Tag für uns, den das Btl. in seiner bisherigen Kriegsgeschichte zu verzeichnen hat.
Karfreitag! 11. April 41 – In 2 Tagen ist Ostern. Ostern, Ostern! Frühlingserwachen! - - Ostern! Ostern! Auferstehen! - - Das sind Gedanken die im Kriege keine Daseinsberechtigung haben. Was ist der Mensch doch für ein erbärmliches, kleines Häufchen.
Wir sind auf einer unendlichen, freien Pläne angekommen. Wie ein riesengroßer Tisch dehnt sich das Gelände vor uns aus nur dünn mit, kärglichen, dürren Büscheln bewachsen. In breiter Front vor uns fahren die Panzer. T. muß in ca. 10 – 12 klm vor uns liegen. Es ist glühend heiß. Da - unverhofft schlagen einige Granaten in die ersten Fahrzeugreihen. Alles hält. Einige Minuten vergehen. – Dann heißt es „Kompanien absitzen, als Schützenzug marsch! Marschzahl 57!“ –
Im Nu ist das Koppel umgebunden mit den Magazin-Taschen, die Hemdsärmel aufgekrämpelt die M.P schußbereit in der Hand, marschiere ich beim Komp.Trupp in der Nähe des Chefs. Links von uns läuft der Kommandeur mit seinem Unterstab, dann kommt die 3. Kp. und ganz links, etwas rückwärts die 1. Kp. Rechts von uns ist die Flanke noch offen. Vorsichtig aber stetig geht es vorwärts. Noch liegen die Einschläge der feindl. Artillerie zieml. zerstreut. 1 klm. sind wir so weitergekommen. Das Gelände, das bisher sanft anstieg, liegt nun ganz flach vor uns. 4 – 4 ½ klm vor uns zieht sich von rechts kommend eine Straße hin. Sie liegt etwas erhöht. Davor ein langer Drahtverhau. Nichts ist zu beobachten. Marschrichtung die Straße geht es weiter. - -
Plötzlich ein Orgeln und Pfeifen in der Luft. Deckung ist kaum vorhanden – platt liegen wir auf dem Boden. Und nun fetzt es heran. Krachend und berstend, mit ungeheurem Getöse schlagen die Granaten vor uns ein. Schnell tasten sie sich näher – und nun liegen sie genau zwischen uns. Wir müssen fabelhaft zu sehen sein. Minutenlang liegen wir nun in einer Hölle aus der es kein Entrinnen gibt. Ganz plötzlich springt das Feuer von uns zu den anderen Komp. über, die inzwischen weiter vorgesprungen sind. Jetzt ist es Zeit für uns „Spung - auf
Marsch Marsch“. Doch wir haben kaum 100 m geschafft, da packt man uns wieder. Jetzt aber noch schlimmer. Hin u. wieder schreit jemand auf. – Es ist fürchterlich. Der Befehl zum Eingraben kommt. Ich habe keinen Spaten. Von irgendeinem Verwundeten wirft man mir einen Spaten zu. Im Liegen holt man sich den Sand unter dem Körper weg. Es ist schwer in den steinigen Boden zu kommen, aber es geht, - geht blitzschnell. Immer wieder fliegt Lage auf Lage zwischen uns. Doch dann ist es ruhig. Singend und orgelnd ziehen die Granaten über uns weg und schlagen weiter hinter uns ein. Vorsichtig heben sich die Köpfe und dann sehen wir was los ist. Die Panzerwagen haben sich inzwischen bereitgestellt und nun kommen sie heran – Kette auf Kette – 30 – 40 Stück. In breiter Front rasseln sie heran. Ach ist das ein Gefühl, „Na warte Tommy, Dir wird das Schießen jetzt vergehen!“ – Wie wild schießen die Engl. auf die Panzer. Noch einmal müssen wir das Feuer über uns ergehen lassen, während die Panzer zwischen uns durchfahren, dann heißt es: „Fertigmachen!“ Als letzte Kette kommen Sturmpanzer, hinter diesen sollen wir vorgehen. Wir sind wieder kaum 50 m weiter, da heißt es: „Volle Deckung!“ Unsere Panzer sind bis zum Drahtverhau vorgestoßen. Ein breiter verminter Panzergraben, dann der Drahtverhau und zuletzt die erhöhte Straße auf der nun plötzlich feindl. Panzer und starke Panzer-Abwehr erscheint, stellen sich ihnen zunächst als uneinnehmbares Hindernis in den Weg. Unsere ersten Panzer sind bereits an unserer rechten Seite vorbei und hinter uns im Rücken angelangt. Die letzten machen nun kehrt und jagen im Karacho zurück, verfolgt von dem feindl. Art.-Feuer u. den Panzer-Granaten. Wir hatten unsere Löcher verlassen und sind nun wieder dem ganzen Feuer ausgesetzt. Um nicht überfahren zu werden heben wir nur den Spaten hoch. Nachdem dieser Spuk zu Ende ist, springen wir in unsere „alten“ Löcher zurück. Viele sind inzwischen gefallen oder verwundet. Uns ist elend zu Mute. Stunden sind bereits vergangen. Es ist längst später Nachmittag geworden. Doch das Feuer nimmt kein Ende. „Wir müssen unbedingt an die Straße heran“ – heißt es vom Kommandeur. Nun geht es, immer zwischen Einschlag u. Abschuß, sprungweise vor. 3 ½ - 4 klm geht es so. Bis auf 400 m sind wir inzwischen an die Straße herangekommen. Das Feuer hat sich derart verstärkt, daß wir uns eingraben müssen. Sobald jemand den Kopf hebt, gibt es auch noch Gewehr- u. M.G. Feuer. Es ist ein Glück, daß es langsam dunkel wird. Man hält es bald nicht mehr aus. Dieses Hilfe-Rufen und Schreien nach dem Sanitäter.
Dann tritt langsam Ruhe ein. Es ist Nacht. Nur hin u. wieder fällt ein Schuß, der blind in die Gegend abgefeuert wird. Leise springe ich von Zug zu Zug um mir melden zu lassen was fehlt. Es ist eine Unmenge. Mit 2 Soldaten suche ich das Gelände ab. Viele sind tot, doch noch mehr verwundet. Es war ja auch wie ein Katze- u. Mausspielen. Ein besseres Preisschießen konnte dieser verfluchte Tommy nicht haben. Als ich zu dem Chef ans Schützenloch krieche u. melde was ungefähr fehlt, da spüre ich was es heißt Komp.-Chef zu sein. - - Leise befiehlt er mir zurückzugehen, einen Krankenwagen zu holen und die Gefallenen u. Schwerverwundeten zurückzuschaffen. Müde und zerschlagen mache ich mich auf den Weg. Es ist stockdunkel. Als ich bei den Fahrzeugen ankomme, werde ich wie ein Geist angesehen u. umringt, - Was sie den ganzen Tag von hier aus beobachtet haben, war furchtbar. - -
Sofort gehen von jedem Zuge Leute los mit Essen u. Trinken u. um die Verwundeten und Gef. zu holen. Ich will früh wieder zurückgehen, noch bei Dunkelheit. 2 Stunden habe ich noch Zeit, diese schlafe ich bei den Fahrzeugen. Um 05.00 Uhr, nachdem ich noch die Fahrer mit Kaffee für die Komp. losgeschickt habe, setze ich mich auf ein Krad u. fahre los. Nach kaum 500 m haben wir eine Panne. Nun muß ich die 5 klm laufen. Gar zu plötzlich wird es hell. Ich komme nur bis zum Btl.-Gefechtsstand. Die Kp. liegt etwa 500 – 600 m weiter, aber diese Gegend liegt so sehr unter Feuer, daß dort niemand durchkommt. Am Nachmittag springe ich die ganze Strecke im Art. Feuer zurück. Ich muss wissen, was man inzwischen gefunden hat und will dann in der Nacht zur Komp. Die Nacht ist mondhell, was sich sehen läßt wird beschossen. Am nächsten Abend beginnt schon früh ein unheimliches Feuer. Es heißt, das Btl. hat angegriffen. Es ist Oster-Sonntag. Oster-Montag treffen früh 3 4 Mann bei uns ein, völlig verstört und aufgelöst und melden: „Das Btl. ist weg! - - gefangengenommen.“
Inge, das war Wahnsinn, das konnte niemand glauben. Und doch stimmte es. Unsere Pioniere hatten in der Nacht eine Bresche in den Verhau geschlagen, die Minen weggeräumt und an einer Stelle den Panzergraben zugeworfen, damit unsere Panzer durchkonnten. Im Morgengrauen fand der Angriff statt. Unsere Panzer waren durchgebrochen, das Btl., das vorher schon in dem gr. Panzergraben lag, hinterher - - und doch sind sie alle weg. Was im Einzelnen geschah will ich weiter nicht berichten, weil alles noch zu unklar ist. Das Fürchterliche ist Wahrheit. Der Kdr. mit seinem ganzen Btl. ist verschwunden. Mit den Fahrern und den wenigen M.G.-Leuten, die sich durchgeschlagen haben, müssen wir denselben Abschnitt halten. Täglich gibt es Art.-Feuer und was noch schlimmer ist Fliegerangriffe, bis eines Tages Tobruck genommen ist. Heute haben wir bereits den 20.4. und immer noch liegen wir hier.
Wir können uns nur täglich fragen – Wer lebt noch von den Kameraden? – und, werden sie noch da sein, wenn wir einrücken? - -
Ja Inge, das war Ostern 1941. Ob der Uffz. Engelhardt auch dabei ist, weiß ich nicht. Die 1. Kp. hat noch die wenigsten Verluste, 2 Züge waren davon nicht eingesetzt. Inge, denke weiterhin fest an mich. Ich habe den unerschütterlichen Glauben, daß ich gesund zu Dir zurückkomme.
Wenn Du in der letzten Zeit wenig von mir gehört hast, dann liegt es an den ganzen Umständen die der Einsatz von Agheila an mit sich gebracht hat.
Ich danke Dir noch einmal für Dein liebes Osterpaket.
Grüße mir nun recht herzlich die lb. Eltern, Günther u. Gerda, auch Großvater u. Max usw. usw.
Meinem lieben Frauchen nun recht viel Sonne wünschend bleibe ich mit einem lieben Gruß und Kuß

Dein Robert

 

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