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Brief (Transkript)

Robert Witzke an seine Ehefrau am 31.3.1941 (3.2002.7605)

 

Afrika, den 31.3.41



Meine liebe Inge!

"Die Deutschen kommen!" - wie oft ist dieser Ruf in diesem Krieg schon erklungen - voll Sorge, Bangen und Angst. Es war ein Ruf, der den Gegner ankündigte. Nun aber, in Italien, liegt in ihm Freude, Zuversicht und Vertrauen. "Die Deutschen kommen!" - kaum ist es erklungen, läuft es auch schon durch Straßen und Gassen und bringt alles auf die Beine, was nur irgendwie Zeit hat. In langen Kolonnen straff ausgerichtet, mit metergenauen Abständen zwischen den Fahrzeugen, rollt ein Teil des deutschen Afrika-Korps durch eine italienische Stadt nahe Neapel. Durch ein Spalier des Jubels und der hochgereckten Arme fahren wir zu einer Kaserne, wo wir einige Tage bleiben sollen, bis unsere Verladung in Neapel klar ist.
Kurze Zeit nur waren wir in Italien, aber wir haben es verstanden, durch Auftreten und Haltung und unsere straffe Disziplin die höchste Bewunderung der Bundesgenossen hervorzurufen, die sich nun in echt südländischer Begeisterung äußert.
Die wenigen Tage werden ausgenutzt, um Land und Leute kennenzulernen. Heute fahren wir nach "Neapel". Wir sind sehr gespannt darauf, auf die Stadt, von der Goethe einmal sagte: "Neapel sehen und dann sterben."
"O mia bella Napoli - du Stadt am blauen Meer.
O schmutziges Neapel - enttäuscht hast du mich schwer."
Wie überhaupt ganz Italien, aber das gehört nicht hierher. Vielleicht muß man Neapel mit einem gewissen Künstlerauge sehen - na, ist ja auch egal.
Von Neapel geht es zum Vesuv. Hier bin ich begeistert. Ich freue mich, dieses gewaltige Naturwunder gesehen zu haben.
Wir stehen in dem riesigen Krater auf den augenblicklich erkalteten Lavamassen, während es um uns brodelt und an verschiedenen Stellen die zähflüssige, rotglühende Masse hervorquillt, sich Zentimeter um Zentimeter weiterschiebt, endlich erstarrt und an anderer Stelle wieder hervorbricht. Man kann sich nun lebhaft vorstellen, wie furchtbar es sein muß, wenn dieser Riesentopf überkocht und sich die glühende Masse den Berg hinunterwälzt.
Von hier geht es weiter nach Pompeji. Diese einst vollkommen verschüttete Stadt sehen und dann den Berg vor Augen haben - - o weh - - hier müßte man sich hinsetzen und das Buch "Die letzten Tage von Pompeji" lesen.
Dann, am 4. Tage ist es soweit: In den sinkenden Abend hinein fahren die Kolonnen in Richtung Neapel. Auf den riesigen Verladeplätzen im Hafengebiet formieren sie sich zu wohlgeordneten Blöcken. Ohne Halt werden die letzten Vorbereitungen zur Verladung getroffen. Kommandos erschallen über den weiten Platz. Die Riesenarme der großen Greifer fassen Fahrzeug um Fahrzeug, die starken Winden ziehen hoch und senken sich in die Luken. Fahrzeug um Fahrzeug verschwindet in den dicken Bäuchen der Schiffe. Ehe der Morgen graut, sind alle Fahrzeuge verschwunden, und eine große Ruhe breitet sich über dem Hafen aus. Wieviel in den Schiffen ist, das weiß nur der, der es gesehen hat. Als der Morgen anbricht, stehen die deutschen Soldaten in Einheiten abgeteilt zur Verladung bereit. Jeder hat außer seinen Waffen und dem Gepäck eine Erkennungskarte bereit, die er beim An-Bord-gehen persönlich abgeben muß. An Bord werden wir auf die Zwischendecks verteilt, wo in den weiten Hallen die Strohsäcke bereitliegen, die als Nachtlager dienen. Gegen 11:00 Uhr ist es soweit: Es geht los. Die Taue werden gelöst, der kleine Schlepper zieht langsam an und fast behutsam löst sich der Dampfer vom Kai. Hinaus aus dem Hafen geht es in langsamer Fahrt dem Ziel entgegen: AFRIKA!
Neapel zeigt nun sein schönstes Gesicht. Eine wunderbare Sonnenlandschaft grüßt die scheidenden Soldaten, alles ist in helles Licht getaucht, so gefällt mir Neapel. Da wir das Achterschiff bewohnen, haben wir lange diesen vollen Blick nach rückwärts. An Capri geht es vorbei - und dann sind wir auf der freien See. Hier draußen empfängt uns eine anständige Brise. Das Mittelmeer zeigt, daß es auch trotz Sonne nicht immer friedlich ist. Ein Verband schaukelnder Seefahrzeuge bewegt sich gen Afrika; und mit ihm schaukeln auch die Menschen. Das ist nicht angenehm. Nun haben wir hier hinten den schlechtesten Platz. Es dauert auch noch keine halbe Stunde, da unterliegen in diesem ungleichen Kampf die ersten Soldatenmägen. Als das erste Opfer mit dicken Backen und torkelnd wie ein Betrunkener an die Reling stürzte, da gab es ein großes Gelächter, doch innerhalb einer Stunde, wurden es immer mehr und diejenigen, die vorher am meisten gelacht hatten, liegen nun selbst mit dem ganzen Oberkörper über der Reling und würgen. Kotzt du in die "Luv" , kommt's wieder ruff - k.... du in die "Lee" - geht's in die See! Diesen Spruch sollte jeder beherzigen, doch gelang es nicht immer und so haute der Wind oft den Kameraden einige Brocken um die Ohren. Hi - pfuii!!

Als am 2. Tag der Sturm abgeflaut war und nur noch eine leichte Brise uns begleitete und die Sonne ihr schönstes Licht auf das Mittelmeer warf, da gab es an Bord nur noch lachende Gesichter. Das Bild von heute war ein anderes als das von gestern. Wer gestern auf das Mittelmeer geschimpft hatte, fand es heute herrlich. An Gefahr dachte niemand. Warum auch? Links und rechts und vor uns sichern Seestreitkräfte den Transport. Tag und Nacht ziehen die Sicherungsfahrzeuge ihre Bahn. Und am Tage selbst, da brausen über den Transportern und ihrem Weg (wir sind 7 Schiffe) die Kampfflugzeuge und Zerstörer der deutschen und italienischen Luftwaffe. Jeder fühlt sich ja so sicher und läuft mit seiner dicken, umgehängten Schwimmweste gewichtig an Bord umher.

Wir laufen im Zickzackkurs auf Tunis zu, wo wir am späten Nachmittag ankommen. In 5 - 6 km Entfernung fahren wir daran vorbei. Vorbei geht es an Pantellaria und in der Nacht sind wir in der Höhe von Malta. Auch hier zeigt sich nichts von dem seebeherrschenden Albion. Es klingt beinahe wie ein schlechter Witz, wenn Mr Churchill ausgerechnet zu der Zeit, als ein deutscher Transport ungehindert das Mittelmeer passiert, seinen staunenden Hörern verkündet, daß kein deutscher Soldat mehr Afrika betreten wird. Wir haben laut gelacht, als wir das hörten. Und Mr Winston hätte sich vor Scham verkriechen müssen, wenn er gesehen hätte, wie mitten im Mittelmeer deutsche Soldaten der letzten großen Rede des Führers lauschten.
Am Nachmittag des 3. Tages heißt es: "Land in Sicht" - einer ruft es und aus ist es mit der beschaulichen Ruhe. Viele Stunden liegen hinter uns, in denen es nur Himmel und Wasser zu sehen gab. Nun aber ist Land in Sicht. Hunderte von Augenpaaren suchen den Horizont ab. Langsam wird die Küste erkennbar und bald liegt auch das Land vor uns in seinen Umrissen, das viele nur aus Büchern kennen. Nun liegt es fast greifbar nahe im Glanz der untergehenden Sonne. Schlanke Türme und weiße Häuser erheben sich über dem flachen, weiten Land.
Afrika liegt vor uns. In wenigen Minuten werden wir seine Erde betreten. Unbekannt und geheimnisvoll noch jetzt. Was wird es uns bringen? - Wir liegen nun im Hafen von Tripolis. Ehe unsere Schiffe anlegen können, werden wir auf Fischerboote ausgeladen und an Land gebracht. Da hier der Engländer häufig nachts angreift, werden wir einige Kilometer außerhalb der Stadt in einem Sammellager untergebracht. Am nächsten Morgen geht es schon beim Morgengrauen wieder zum Hafen, um die Fahrzeuge auszuladen. Ein ungeheurer Betrieb setzt ein. Araber und Neger müssen diesmal tüchtig zupacken, doch diese Burschen können einen mit ihrer Trägheit zur Raserei bringen. Die Fahrzeuge sind kaum ausgeladen, da müssen wir uns umkleiden. Feldgrau ab - hinein in die Tropensachen - und dann ab zur Parade. General Rommel nimmt sie persönlich ab. Es ist ein erhebender Augenblick. (Die Bilder davon hast Du ja bereits in der Zeitung gesehen.)
Früh um 3:00 Uhr schon rücken wir weiter zu einem Marsch von 700 km. Und nun sind wir in der Wüste. Heute sitzt die 2. Kp. in einem Wüsten-Ford (1785111), von dessen Einnahme Du ja inzwischen gehört hast. Und wenn morgen dieser Brief abgeht, ist inzwischen ein neuer Ort genommen.

Liebe Inge! Inzwischen habe ich einen Brief vom 20.3. und heute einen vom 23.3. bekommen. Recht schönen Dank dafür. Ich kann Dir nur sagen, daß ich noch gesund bin und wir uns so ziemlich an das Wetter gewöhnt haben. Auf Deine Vertrauensfrage bezüglich des Schlafzimmers will ich jetzt noch nicht antworten, weil der Krieg ja hier jetzt erst anfängt. Ich glaube aber, wenn es heißt - es geht nach Hause - dann ist uns das einfachste Bett ein Paradies. Also mache Dir darum keine Sorgen. Mit den Filmen ist es halb so schlimm, ich bin ja kein Anfänger mehr im Fotografieren. Jedenfalls komme ich augenblicklich damit aus. Wenn die Filme alle werden, werde ich früh genug schreiben.
In der Wochenschau habt Ihr uns also gesehen. Bei der Parade habe ich mit unter den Reportern gestanden und meine Aufnahmen gemacht. Es ist jetzt auch erlaubt, Filme nach Hause zu schicken. Du kannst also in Kürze damit rechnen. Bei 100 g kann man bloß nicht viele schicken.

Ja, ja, der Stern Deiner Geburt. (Skorpion) Vor einigen Tagen bin ich von solch einem Biest gestochen worden und ausgerechnet am Ringfinger der rechten Hand, wo der Ring mit dem I.A. sitzt. Ist das nicht ulkig? - Ich habe gesaugt wie ein Verrückter und auch gleich ein kleines Loch 'reingebissen. Zwei Tage war der Finger wie tot, am 3. Tag fing er an zu kribbeln, wie bei einem eingeschlafenen Glied. Na, jetzt ist er wieder ganz wach.
Ingeken, ich habe einen Wunsch! - Freust Du Dich schon? - Schicke mir bitte das Luftkissen, das ich damals so sehr verschmäht habe. Nun lachst Du, aber Du ahnst nicht, wie wertvoll es hier sein wird. Kannst Du es überhaupt entbehren?
Und nun von Deinem lieben, großen Jungen und 28-jährigen Mann recht herzliche Grüße und einen Kuß.

 

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