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Brief (Transkript)

Paul Rockstroh an seine Ehefrau und Söhne am 28.02.1916 (3.2011.2334)

 

Russland, 28.2.16.



Liebes Gretel!
Deinen Brief vom 21.2. empfing ich heute zugleich mit der Butter von Reichenbach, die noch ganz gut schmeckt. Ich habe Dir, solange ich im Batls.-Geschäftszimmer bin, jeden Tag geschrieben.
Heute ist\'s hier wieder grimmig kalt.10° Kälte mögen es wohl sein. In unserer Gegend ist seit gestern die Artillerie wieder recht lebhaft. Unsere ganze Bude wackelt immer, wenn die Batterien dröhnen. Heute Abend hatten wir von der Küche Schellfisch. Es war ein ganz schönes Essen. Im allgemeinen bekommen wir hier z. Zt. nicht allzuviel Verpflegung. Alle 2 Tage kriegen wir 1-2 Rollmops, vielleicht auch einen Hering, aber ein strammes Vieh u. dann eine Kleinigkeit Fett u. Butter. Auch giebt es manchmal etwas Büchsenwurst.
Lieber Hans!
Befolge nur das, was Dir Dr. Meyer sagt. Gehe vor allem viel in die frische Luft. Es ist nicht nötig, daß Du immer zu Hause hockst. Immer raus ins Freie. Wenn die Mama Vorm. nicht mit kann, gehst Du eben allein, nach dem Dorf oder sonst nach dem Damm. Zu Hause wird es mit Deinem Leiden nicht besser. Und mache immer das, was Dir die Mama sagt. Reiß Dich zusammen. Wenn es auch mal nicht so gehen will, wie man möchte, so muß man sich eben aufraffen u. sich sagen, daß die Zeiten sich ändern. Liege vor allem nicht der Mama zur Last, sondern mache das, was sie sagt. Sie meint es nur gut mit Dir und wenn ich nach Hause komme, möchte ich nur Gutes über Dich hören. Deine Mama und ich haben jetzt schon so den Kopf voll.
Lieber Paul!
Du willst mich also doch zu Ostern besuchen? Da möchte ich doch lieber solange hier bleiben, damit ich Dir alles zeigen kann, was es hier zu sehen gibt. Wenn Du nun jetzt hier wärst, so könntest Du schön im Schlitten fahren, denn hier giebt es noch viel Schnee. Und dann die großen Kanonen, die hier stehen! Wenn die losschießen, so mußt Du Dich vorher hinlegen, sonst schmeißt Dich der Knall um. Sieh nur zu, daß Du vorher noch schießen lernst, denn hier kommen öfter mal Wölfe u. Jeder, der draußen im Freien herumläuft, muß eine Flinte mitnehmen, damit er die Wölfe totschießen kann, wenn sie kommen. Wenn Du nun einen erschossen hast, ziehen wir ihm das Fell ab. Das nimmst Du dann mit nach Hause u. wenn Du aus dem Zuge steigst, hängst Du das um, sodaß die Mama denkt, es kommt ein Wolf rausgeklettert. Da soll sie sich aber mal erschrecken. Und dann nimmst Du Dir auch ein paar Läuse mit, die Du der Mama ankrappeln läßt. Da soll sie aber mal kratzen lernen. Daß Du aber auch kommst. -
Eurer Aller gedenkt mit den besten Grüßen
Euer Papa.

 

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