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Brief (Transkript)

Paul Rockstroh an seine Ehefrau und Söhne am 20.11.1915 (3.2011.2334)

 

Kruschewratz[?], 20.11.15.



Meine Lieben!
Gestern morgen erhielt ich reichliche Post u. zw. Karten v. 21.10, Briefe v. 25., 28. u. 31.10. Besten Dank dafür. Packete sind noch nicht da.
Liebes Gretel! Mache Dir nur nicht zuviel Sorgen! Es kommt doch, wie Gott es will. Den Brief von Grossenhain hatte ich einem Verwundeten mitgegeben. Bock kann sich freuen, daß er von dem Kilt[?] losgekommen ist. Zum Schlachten würde ich gern kommen u. gleich dableiben, aber leider! An das Übernachten im Freien gewöhnt man sich. Man gräbt sich dem Feinde gegenüber so tief ein, daß man volle Deckung hat, legt sich, wenn möglich, Mais oder Heu unter, deckt sich mit der Decke zu u. schläft so ganz mollig. Das einzige, was kalt wird, sind die Füße. Dann läuft man ein bischen rum u. dann ist man wieder warm. Aber doch, was gäbe ich drum, wenn ich zu Hause sein könnte. Uns allen steht es bis obenan. Hast Du denn die 15 Mk. erhalten, die ich Dir schon vor einigen Wochen schickte? Auf unserem Rückmarsch sind wir gestern wieder in Kruschewatz[?] eingetroffen, aber völlig verdreckt, denn durch den Schnee ist alles ein Morast geworden. Heute haben wir Ruhetag u. da ich von meinem Kameraden einen Brief bekommen habe, schreibe ich ihn Dir gleich. Ich bin nur neugierig, wohin wir kommen werden. Am liebsten kämen wir nach der Heimat. Wenn doch nur der verfl. Kram ein Ende hätte. Die Völker müssen doch selbst einsehen, daß es so nicht weitergehen kann. Die Männer verkommen im Felde u. im Lande können die Leute die Nahrungsmittel nicht mehr bezahlen. Da muß doch bald ein großer Zusammenbruch kommen. Ich bin im Felde recht weich geworden. Wenn ich an Euch denke, u. das ist immer der Fall, wenn wir Zeit haben, kommt mir das Wasser in die Augen. Krieg ist doch das Schlimmste, was es geben kann. -
Ich hatte kürzlich 2 Paar Strümpfe bestellt. 1 Paar kann dünner sein, da ich es zum Überziehen nehme. Notfalls lassen sich auch baumwollene hierzu verwenden. Dann kannst Du mir auch 2 Paar Einlegesohlen schicken, ebenso ein Paar Schlüpfer, natl. von Reichenbach. Und dann vor allen Dingen Batterien regelmäßig schicken. Ich habe keine mehr. In den Städten hier kann man nichts kaufen. -
Lieber Hans! Sei froh, daß Du Dich nicht in Feindeslande herumzutreiben brauchst. Auf das Besehen der weiten Welt will ich gerne verzichten, wenn ich mich nur in der lieben Heimat aufhalten könnte. Den Wert der Heimat kann man erst richtig erkennen, wenn man sie meiden muß. Ja, wenn man zum Vergnügen reisen kann, dann ist das eine ganz andere Sache. Wenn es bei Eurem Rektor auch hart hergeht, ertrage es u. gebe Dir Mühe, damit Du vorwärts kommst. Damit dienst Du Dir am besten u. Du machst Deinen Eltern Freude. Glaube es, wir haben es sehr nötig. Wenn es mal nicht so glatt gehen will, beiße die Zähne zusammen, ich muß es auch so oft tun, um den Kopf oben zu behalten.
Lieber Paul! Grüße nur die Schweine u. Moppi wieder von mir. Daß Du so fein rechnen kannst, freut mich. Ich werde sehen, ob es wahr ist, wenn ich wieder zu Euch komme. Bleibe nur weiter so fleißig u. halte den Garten recht in Gang. Hat denn Dein Karnickel noch keine Junge? Hier könntest Du aber Nüsse u. Honig essen. Wir haben soviele Bienenstöcke leer gemacht. -
Und nun, meine Lieben, lebt wohl u. bleibt gesund u. munter, betet, daß wir bald wieder alle zusammen sein können. Grüß bitte die Eltern u. Göhrings. Vor allem aber seid Ihr herzlichst gegrüßt u. geküßt von Eurem
Papa.

 

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