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Brief (Transkript)

Paul Rockstroh an seine Ehefrau am 13.01.1916 (3.2011.2334)

 

Russland, 13.1.16



Liebe Grete u. Kinder!
Ich schreib Dir gestern einen Brief, ebenso vorgestern. Gestern bat ich Dich, liebe Grete, um Zusendung eines Paares Fausthandschuhe u. Pulswärmer.
Die Kälte hält hier an, doch hat sich der Wind gelegt. Heute Vorm. hatten wir einen kleinen Übungsmarsch, der uns besser gefiel als das Exerzieren. Heute Abend sollen wir nun das 1. Mal wieder Packete bekommen. Hoffentlich sind da mehrere von Euch dabei.
Vergangene Nacht habe ich so darüber nachgedacht, wie es sich ermöglichen ließe, daß ich mal auf Urlaub käme. Hierzu wäre aber eine amtliche Bescheinigung notwendig, denn es sind noch soviel in unserer Kompanie, die länger im Felde sind als ich und auch noch nicht auf Urlaub waren. Da dachte ich nun daran, daß ich vom Hafen aus auf eine Zeit von 8 Wochen – ¼ Jahr reklamiert werden könnte. Der Hafen hat doch ohne Zweifel sogenannte Kriegslieferungen auszuführen und könnte ja Herr Eichler angeben, daß zu deren Abwicklung die anwesenden Kräfte nicht ausreichten, andere Hilfe aber nicht zu beschaffen wäre u. er mich deshalb auf vorgenannte Zeit beurlaubt haben möchte. Ich könnte ja deswegen direkt an Herrn Eichler herantreten, möchte aber den Schein vermeiden, als ob ich, wie Paul Richter, das Soldatenleben nicht zu ertragen vermöchte. Auch würde mir, wie bereits gesagt, eine Beurlaubung von 8 – 13 Wochen genügen, in der Zwischenzeit könnte sich ja manches ereignen. Vielleicht hörst Du deswegen mal.
Sollte sich nun dieser Weg nicht gangbar erweisen, so hätte ich noch eine Möglichkeit. Du klagst ja immer über Deinen Kopf u. daß Du keine Gedanken hättest. Vielleicht nimmst Du mal deswegen mit Figge Rücksprache u. könnte er evtl. ein Attest darüber ausstellen, daß sich Deine „Gemütskrankheit“ so verschlimmert hätte, daß die längere Anwesenheit Deines Mannes zur Wiederherstellung Deiner Gesundheit erforderlich wäre. Ich kann mich hierüber in diesem Brief aus begreiflichen Gründen nicht näher auslassen. Dieses Attest müßte dann wieder beglaubigt werden u. könnte hierbei vielleicht Major Placke einige Worte mit beifügen.
Ich würde mich ja zu sehr freuen, wenn ich wieder mal einige Zeit bei Dir, liebes Gretel, u. unseren Kindern sein könnte. Manchmal hat man eine richtige Sehnsucht nach Hause u. ich kann es begreiflich finden, wenn hierbei Jemand den Kopf u. seine Überlegung verliert u. auf eigene Faust verschwindet. Wenn man nun schon die langen Jahre immer zusammen gewesen ist u. sich so aneinander gewöhnt hat, dann gehört tatsächlich eine große Überwindung dazu, wenn man eine so lange Trennung ertragen will. Sieh zu, liebes Gretel, was Du in dieser Sache machen kannst, Du wirst schon das Richtige finden. Hier draußen kann man auch keinen klaren Gedanken fassen.
So geht hier alles seinen gewohnten Gang. Es kann sein, daß wir am 17.1. zum Schanzen kommen. - Schreibe mit bitte recht bald über meinen Vorschlag. Euch Alle herzliche Grüße
von Eurem Papa.

 

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