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Brief (Transkript)

Kamerad an Friedrich Pietzsch am 29.02.1916 (3.2002.9029)

 

Beeskow, den 29. II. 16.


Frankfurter Str. 24

Mein lieber Kamerad Pietzsch,

Ihre freundl. Karte vom 2. v. Mts. hat mich nicht mehr im Schützengraben erreicht, sie ist mir nach Oranienburg nachgesandt worden, nehmen Sie herzl. Dank für Ihre Zeilen. Sie werden estaunt sein, mich nun wieder in Beeskwo zu wissen?! Ja, es kommt manchmal sehr schnell! Also, die neue Stellung, die ich Anfang Dezember bezog, ich schrieb Ihnen darüber, war äußerst naß: Sumpf, dazu anhaltendes Tauwetter bei fußhohem Schnee. Sie können sich natürlich vorstellen, daß wir „etwas“ Wasser in die Stiefel bekamen. Sämtliche Unterstände waren in veritable Schwimmbassins verwandelt. Pfahlbauten à la Venedig wurden ausgeführt um die müden Knochen trocken zu betten. Aber man lag stets über den Wassern! Mein Bursche mußte, weil ich der Gefährung wegen nicht höher bauen konnte, täglich 80-90 Eimer Wasser ausschöpfen
ausschöpfen, damit mein Lager einigermaßen trocken blieb. Dennoch zogen die vom Wasser ausströmenden Dünste in meinen Körper und ich hatte andauernd Schmerzen im Rücken, namentlich in der Nierengegend. Ich erbat deshalb Urlaub um nach Hause fahren zu können und mich von meinem Arzte untersuchen zu lassen, nebenbei wollte ich das Weihnachtsfest in der Familie verleben. Ein junger Res. Hauptmann u. Bat. Führer glaubte aus rein persönlichen Gründen mir altem Kerl u. ehem. Etappenschwein den Urlaub versagen zu müssen. Jetzt packte mich die Wut, denn ich hatte bereits wochenlang das höchst zweifelhafte Vergnügen, einen noch nicht 26jährigen Referendar als Komp. Führer und Vorgesetzten zu ertragen, der nochdazu am Befehlskoller gemeingefährlich erkrankt sein mußte. Ich meldete mich krank und der Bat.-Arzt schickte mich zum Lazarett. Vom Feld-Lazarett kam ich ins Kriegs-Lazarett in Mitau, wo ich grade Weihnachten eintraf u. an meine Frau depechieren konnte, daß ich auf dem Heimwege sei. Das war natürlich eine große Freude u. Beruhigung für meine Familie, ein richtiges Weihnachtgeschenk! Von Mitau wurde ich per Lazarettzug nach Lübeck geschafft, wo ich um 30/12.15 ankam u. bis zum 11. v. Mts verblieb. Dann aber hatte ich keine Ruhe mehr, wollte nach Hause. Der Chefarzt entließ mich schließlich. Ich meldete mich zu meinem alten Truppenteil, den Leib-Grenadieren, zurück u. erbat Urlaub, da ich jetzt mit meinen Nerven völlig zusammenbrach. Es trat die Reaktion ein. Seit 14 Tagen mache ich hier nun wieder Garnisondienst und bin einstweilen auch nur garnisondienstverwendungsfähig. Mein körperliches Befinden ist gegenüber dem vor Jahresfrist ganz wesentlich verändert u. verschlechtert. Der geringste Marsch erschöpft mich, der Schlaf ist miserabel. Wie es mit meiner weiteren Verwendung ist, bleibt eine Frage der Zukunft. - Nun, lieber Kamerad, wie geht es Ihnen jetzt in dem öden Nest? Haben sich die Verhältnisse inzwischen ein wenig gebessert? Welche Herren, die ich noch als Offiziere kenne, sind jetzt noch beim Bat.? Schreiben Sie mir, bitte, bald einmal wieder, grüßen Sie Ihren Caruso und seinen Sie herzlich gegrüßt von Ihrem getreuen Kameraden Pfeiffer.

 

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