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Brief (Transkript)

Kamerad an Friedrich Pietzsch am 08.07.1916 (3.2002.9029)

 

Oranienburg, den 8. Juli 1916.



Mein lieber Kamerad Pietzsch,

Sie sind gewiß schon böse, daß Sie von mir so lange nichts hörten!? Vielen Dank für Ihre l. Zeiten vom 29/4., sie interessierten mich wirkl riesig. Schade, daß ich nicht wieder mal eine kl. Gastrolle beim 1. Landst. Bat. Spandau geben konnte, nun ist es voraussichtlich endgültig Essig. Den unermüdlichen Bemühungen des Ausw. Amts ist es schließlich Ende Mai cr.[?] geglückt, mich zunächst bis 31.8.16 frei zu bekommen. Jetzt sitze ich wieder im Amt u. schufte. Es gibt viel aufzuräumen, denn die Herren Vertreter haben nur halbe Arbeit verrichtet. Meine Familie freut sich naturgemäß am meisten, besonders meine Frau.
Obwohl das kameradschaftliche Leben in Beeskow zuletzt recht nett war, so wurde das Leben dort für mich immer teurer, sodaß ich diese Lösung im Grunde freudig begrüßte. -
Durch den, „Schwarzen“erfuhr ich, daß mein Josef in der Woche vor Pfingsten in Berlin sei. Ich suchte ihn sofort bei seinem alten Arbeitgeber in der Mittelstraße auf und bekam ihn so noch am letzten Tage seines Urlaubs zu Gesicht. Das war keine kleine Freude! - Aus den politischen Winkeln und diplomatischen Salons ist nicht „Großes“ zu berichten. Es wird fortgewurstelt. Man läßt sich von den politischen Strömungen treiben und segelt teilweise ganz offen unter jüdischer Flagge, d. h. begünstigt damit die Sache unserer eigentlichen Feinde, der Engländer u. Amerikaner, treibt also Hochverrat. Ja, ja lieber Freund, es sieht traurig aus, trotz aller unserer militärischen Erfolge und unsrer Unbesiegbarkeit. Ich sehe sehr schwarz, aber ich glaube nach allen meinen Beobachtungen u. Erfahrungen dazu berechtigt zu sein. Wir werden durch die Großkapitalisten, Allerweltsbetrüger und Riesenwucherer systematisch ausgehungert und zum Frieden „weich“ gemacht. Aber ich hoffe noch immer, daß nach dem großen Friedensrummel einem großen Teile der blöden Masse endlich die Augen aufgehen werden, nur daß dann der unvermeidliche Kladdradatsch im Inneren erfolgt. - Wie sind denn dort die Stimmungen unter Mannschaften u. Offizieren? Sind von letzteren wieder einige zur Front gekommen? Ist Hebeisen noch immer dort? Schreiben Sie mir gelegentlich doch auch darüber etwas. Ihnen alles Gute und weniger Arbeit wünschend grüße ich Sie in alter getreuer Kameradschaft als Ihr Pfeiffer.
Empfehlen Sie mich auch Ihrer l. Gattin vielmals.
Meine Frau wünscht frdl. Grüße bestens.

 

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