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Brief (Transkript)

Kurt L. an seine Mutter am 28.5.1942 (3.2002.0885)

 

O. U., den 28.05.42



Liebe Mutter !

Heute erhielt ich Lucie`s Briefe vom 19. u. 20.5. Das war die erste Post seit Lublin. Mit der Zeit werden ja die noch fehlenden Briefe u. Päckchen kommen. Ich wusste ja nicht, das Lucie schon dort ist. Sie schrieb damals zwar, dass sie nach dort kommen sollte. Hoffentlich hat Fr. Schwertmann ihr die Post nachgeschickt. Ist sie noch dort oder ist sie schon wieder fort? Ich will Dir heute unsere Umgebung mal beschreiben. Sie ist sehr eintönig und langweilig. Wald und Sumpf, wo es viel Mücken gibt, die uns das Leben schwer machen. Wir haben schon Netze bekommen, die wir über den Kopf ziehen. Auch Nachts im Schlaf lassen sie uns keine Ruhe. Dort muß es ja jetzt schön sein, wenn alles in Blüte steht. Hier ist noch alles zurück. Die Bauern bestellen erst jetzt die Felder, die durch die heiße Witterung erst langsam abtrocknen. Es geschieht größtenteils alles mit der Hand, da nur noch wenig Pferde vorhanden sind und die Maschinen von den Bolschewisten mitgenommen wurden. Das System ist noch das Kollektivsystem, wonach alle gemeinsam arbeiten, ein Stück nach dem anderen. Jeder Bauer hat jetzt jedoch wieder ca. 2 Morgen Eigentum, das er für sich bearbeiten kann. Milch und Eier müssen auch zum größten Teil abgeben werden. Die paar Obstbäume, die es hier gibt, blühen noch nicht.
Unsere Bahnstrecke laufen wir am Tage zu zweit, nachts zu Dritt ab. Jetzt wo wir gerade Vollmond haben, ist es ja nicht so dunkel. Des Nachts kommen auch hier die russ. Flieger vorbei. Gestern war heftiges Flakschießen. Aber angerichtet haben sie hier nichts. So wird die sowieso kümmerliche Nachtruhe auch meist noch gestört. Des öfteren waren wir auch gegen Partisanen ausgezogen, diese sind jedoch jedes mal schon wieder fort und woanders. Sie plündern dann ein Dorf aus, um sich neu mit Lebensmitteln zu versorgen. Sie sind so schwer zu fassen. Unser Haus ist ein hier typisches Bauernhaus aus rohen Baumstämmen ohne jeden Nagel zusammen gefügt. Ein großer Wohnraum mit großem Ofen, als Koch u. Schlafstelle, dann kommt eine Art Tenne und am anderen Ende der Stall mit Kuh, Pferd u. Hühnern. Demnächst beziehen wir ein eigenes Haus, das erst noch ausgebaut werden muß. Es war ein altes Bahnwärterhaus, das für uns 11 Mann zu klein gewesen wäre. In dem Wohnraum liegen unsere Strohsäcke (Flachsstroh). Es ist etwas härter als gewöhnliches Stroh, das es hier aber nicht mehr gab. Die Hitze ist recht groß, so dass man in der Badehose rumlaufen könnte, wenn die Mücken nicht da wären. An der Bahnstrecke stehen auch alle 50 m des Nachts 2 Russen, die mit ihrem Leben dafür gerade stehen müssen, dass nichts passiert. Nun will ich schließen. Sei Du u. Hilde u. eventuell auch Lucie vielmals gegrüßt

Von Deinem Kurt.

 

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