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Brief (Transkript)

Adolf Dick an seine Frau Marieluise am 01.01.1945 (3.2002.7565)

 

Absendestelle: Hfw. A. Dick auf dem Transport.


1te Meldung


Ort: im Packwagen


Dat.: 1.1.45


Zeit: 18 Uhr, beendet 21 Uhr



An meine liebe Marieluise!

Der erste Brief im neuen Jahr soll für Dich sein. Er wird auf dem Transport zu einem neuen Kriegsschauplatz im Osten geschrieben. Wir haben ganz kurz Deutschland berührt, sind dann aber nach dem Südosten abgebogen. Die Fahrt war erträglich. Da Mangel an Mannschaftswagen war, kam ich mit meinen 18 Mann in den Packwagen. Ein bißchen eng zum Schlafen, aber sonst ganz angenehm. Der Ofen heizt gut, im Postabt. ist die Verpflegung gut gekühlt untergebracht. Da man durch die Fenster vor Dreck u. Verdunkelungsanstrich nichts sehen kann, wird die meiste Zeit geschlafen. Zuerst ging die Fahrt sehr flott, jetzt müssen wir oft lange warten auf den Stationen. Am Sylvester – Abend hörten wir Dr. Goebbels seine Ansprache. Sie war wieder zuversichtlicher als die letzten. Ein tschechischer Zugführer machte dann sehr interessante Ausführungen über die Stimmung in dem Protektorat. Sie ist deutschfreundlicher als wir gedacht hatten. Nur eben die höheren Schichten sind wie immer die Stärkeren. Seine Ausführungen über die Schuhfabrik Batia u. seine Gründer waren sehr wissenswert u. so ging die Zeit im Fluge dahin. Ich konnte vom Zahlmeister noch 3 Flaschen Schnaps besorgen, so daß wir nicht ganz trocken ins Neue Jahr rutschen brauchten. Um 10 Uhr legte sich alles schlafen. Das Radio lief weiter. Ich erwachte vom Glockengeläute u. weckte alle. Wir haben einander zugetrunken. Jeder wünschte dem anderen recht viel Kriegsglück, zumal es in einen neuen Einsatz geht. Solch eine Sylvesterfeier habe ich auch noch nicht mitgemacht. Alles war um das Radio geschart u. wartete auf die Rede des Führers. Meine Gedanken wanderten einige Jahre zurück. Wie waren die Minuten so ganz anders. Da konnte ich mein Lieb in die Arme nehmen u. herzhaft küssen u. lieben. Wir zwei waren für uns, konnten uns unsere Glückwünsche u. Wünsche sagen. Zwei Menschen waren voller Liebe u. Glück. Wie anders waren die Kriegssylvester draußen in den Bunkern. Unter Kameraden in froher Stimmung. Dieses Mal waren alle ernst. Harte Gesichter, die angespannt auf die Worte des Führers warteten. Die Flasche Nordhäuser wurde nicht einmal leer. Als die Rede zu Ende war, legte sich jeder wieder schlafen in dem Bewußtsein, daß er in Kürze wieder seinen Beitrag für die Größe u. das Bestehen Deutschlands geben müßte. Es war eine heilig ernste Stimmung nach den Worten des Führers. Sie waren auf fruchtbaren Boden gefallen. Wir kämpfen für unsere Lieben daheim war die Parole. Und ich glaube, jeder ist mit seinen Gedanken daheim gewesen, ehe er eingeschlafen ist. Ich habe noch lange wach gelegen u. an Dich u. die Kinder gedacht. Viele schöne Stunden kamen wieder ins Gedächtnis zurück u. rollten nochmals beinahe lebenswahr an mir vorüber. Meine liebe Marlies, es waren doch schon viele schöne Tage, wofür wir dankbar sein müssen. Den großen Verlust, den uns die feindlichen Bomber bereitet haben, werden wir bald überwunden haben; wenn der Krieg siegreich für Deutschland beendet ist. Wenn ich Euch erhalten bleibe, werden wir gemeinsam aufbauen, vielleicht ein noch schöneres Heim als zuvor. Bleiben wir beide gesund, wird das Glück bald wieder bei uns sein. Sollte ich nicht zurückkehren, so trauere nicht um mich. Ich habe dann mein Leben für Dich u. die Kinder gegeben, damit sie in einer besseren Zeit aufwachsen u. Du mit ihnen einer besseren u. schöneren Zukunft entgegen gehst. Du wirst Euer Heim dann ebenfalls so einrichten, als wäre ich noch bei Euch. Ich habe Dich u. die Kinder sehr lieb u. möchte, daß Ihr notfalls auch ohne mich gut u. zufrieden weiterleben könnt. Doch vielleicht ist das Kriegsglück weiterhin hold u. ich kann am Schluß des Krieges zu Euch zurückkehren u. weiter für Euch sorgen u. mit Dir Glück u. Leid für hoffentlich noch recht lange Zeit teilen. Dann können wir auch beide noch recht viel Freude an unseren Kindern haben. Dieses waren meine Gedanken, die mich für eine weitliegende Zeit bewegten. Das naheliegende ist der Urlaub, der mir evtl. gewährt werden soll, um Dir Deine augenblicklichen Sorgen zu nehmen. Hoffentlich wird es was u. hoffentlich bist Du dann bereits wieder einigermaßen gesundheitlich auf der Höhe, damit wir nach so langer Trennung auch etwas von einander haben. Etwas wird es ja noch dauern, aber wer weiß wie lange meine u. Deine Post unterwegs sein werden. Ich werde natürlich versuchen, einen Brief einem Urlauber mitzugeben, damit Du noch rechtzeitig in Zahnbehandlung gehen kannst, falls es ohne diese nicht abgehen sollte. Vielleicht ist Dein Gesicht wieder abgeschwollen u. die Entzündung zurückgegangen. Meine Absicht ist, um die Mitte bis Ende Januar zu fahren. Ich muß, bzw. werde mich nach dem Einsatz richten. Es hat nun so lange gegangen; dann wird es auch noch diese paar Wochen dauern können. Das Kriegsschädenamt muß eben auch warten. Außerdem sollte ich mich auch etwas nach Deinen Daten richten, die Du mir wohl in einem Deiner nächsten Briefe mitteilen wirst. Ich schreibe über den Urlaub in den letzten Briefen oft das Gleiche, da ich nicht weiß, welches meiner Schreiben Dich am ersten erreichen wird. Wenn ich man erst bei Dir u. den Kindern wäre. Du kannst Dir denken, daß ich grade jetzt ungeduldig auf Post von Dir warte u. nun wird es durch die Verlegung grade lange dauern, u. außerdem sind wir jetzt räumlich wieder weiter entfernt. Man muß überhaupt abwarten, wie viel Tage die Post normal brauchen wird. Nun, meine liebe Marlies, will ich meinen Brief beenden mit dem Wunsche, daß unsere Erwartungen, die wir in das Jahr 1945 gelegt haben, auch in Erfüllung gehen. Der erste Wunsch auf Urlaub wird hoffentlich bald erfüllt werden. Wir können dann endlich all die vielen brieflich gesandten Küsse von 16 Monaten in die Wirklichkeit umsetzen. Ich glaube, wir kommen da mit 20 Tagen gar nicht aus. Grüße die lieben Kinder u. sei Du herzlich gegrüßt u. innigst geküßt von Deinem Dich heißliebenden
Atte

 

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