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Brief (Transkript)

Adolf Dick an seine Ehefrau am 12.12.1942 (3.2002.7565)

 

Rußland, den 12. Dezember 42



Liebe Marlies!

Ich danke Dir für Deinen lieben langen Brief v. 3. ds., den Du am letzten Abend in der Wohnung noch an mich geschrieben hast. Deine Zeilen haben mich sehr erfreut. Atmen sie doch viel Ausgeglichenheit u. auch Zufriedenheit sowie Lebensfreude, wie lange kein Brief von Dir. Ich habe in der Zeit vor u. nach Bockswiese oft solche Schreiben bekommen. Sie sagen mir, daß Du u. die beiden Kinder wirklich wohlauf sind. Man liest es zwischen den Zeilen. Dein Brief soll nun gleich beantwortet werden. Wie ich sehe, hast Du allerhand Abwechslung gehabt, was Deine Stimmung auch wohl gehoben hat. Ist daher Dein Entschluß herzuleiten, im nächsten Winter ganz in der Wohnung zu sein? Du schreibst davon, als wenn Du mir dieses Vorhaben schon unterbreitet hättest. Ich höre aber zum ersten Mal davon im letzten Brief. Besser ist es bestimmt für Dich, denn in Kleefeld wird Dir das viele Treppensteigen Sorge machen. Vielleicht brauche ich dann auch nicht mehr hier in Rußland sein u. kann mal öfter zu Dir kommen. Ich habe viel Hoffnung, daß es sogar im Winter in Rußland mit uns vorwärts geht. Wir werden ihn, den Russen, jedenfalls gewaltig schwächen.
Liesbeth war auch bei Dir. Wohl das erste Mal in unserer Wohnung? Sie sehnt sich ja auch sehr nach einem eigenen Heim. Heute kam für mich ganz unerwartet ein Weihnachtspäckchen vn ihr mit einem Stück Schinken u. schönem Feingebäck aus guten Zutaten. Wenn nun von Udes noch was kommt, bin ich in diesem Jahr mit Fettigkeiten u. Kuchen reich bedacht! Ich habe noch mal wegen verschiedener Sendungen bei Dir angefragt, ob sie angekommen sind. Einige hast Du mir bestätigt, doch an Briefen fehlt scheinbar noch etwas. Du wirst aber auf meinen letzten Brief schon ausführlich antworten. Ich wußte z.B. noch nicht, daß P mit den Briefen angekommen ist. Es muß also Post von Dir fehlen. Genau so kann es von hier der Fall sein. Hast Du mein Weihnachtspäckchen schon in Händen gehabt oder hast Du nur die Ankündigung gelesen? Bitte bestätige mir nochmals den Empfang. Was ich für Sorgen um Deine Figur habe? Diese Frage ist doch wohl überflüssig. Ich habe sie genug behandelt. Ich weiß, daß eine Frau viel zu ihrer Erhaltung tun kann u. nehme an, daß Du es auch wie bei den beiden Kindern machst u. nicht zu denen gehörst, denen es gleich ist, wie sie nach dem 3. Kinde aussehen. Sie sind ja verheiratet u. dies genügt ihnen. Ich dachte im Januar zu kommen, doch die Urlaubskarten kommen spärlich. Es sind noch immer 30 Mann vor mir. Ich würde es nach dem augenblicklichen Stand nicht schaffen. Der Chef macht vielleicht eine Ausnahme; wenn Du nach Bockswiese gingst. Ich habe es ihm schon mal angedeutet. Es hätte keinen Sinn, wenn ich im Febr. oder März fahren könnte; wenn Du u. die Kinder im Heim wäret. Wann meinst Du, wann die Entbindung sein wird? Tante Else schrieb mir jetzt in einem Brief, daß Du das Dritte im März erwartest. Dr. Lange hätte z. Zt. April auf den roten Schein geschrieben. Tante Else schrieb begeistert von den bei Margaretes Geburtstag verlebten schönen Stunden u. von Deinem guten Aussehen. Sie ist ganz traurig, daß sie nichts rechtes für uns zu Weihnachten hat. Stucke hätte ihr nur 10 Zigarren gegeben u. außerdem hätte sie keine Raucherkarte mehr. Sie hängt doch sehr an uns. Die Zigarren laß nur dort. An Schnürbänder u. Trinkbecher werde ich denken für die Kinder. Bislang hat unsere Marketenderin so etwas noch nicht gebracht, obwohl sie sonst alles mögliche bringt. Ich bin wirklich erfreut, daß unsere Margarete so lieb sein kann. Es wäre schon aus diesem Grunde gut, wenn ich bald wieder bei Euch sein könnte, u. wir zusammen in der Wohnung leben könnten. Ich glaube, auch kleine Jungen sind niedlich, denn Deinen Schilderungen nach ist Ernstludwig ein lieber u. drolliger Kerl. Was macht eigentlich sein Zucken in dem Unterkiefer? Du meinst, ich müßte mir die Schokolade u. den Kaffee absparen. Das ist sicher, aber ich tue es ja für Euch. Die Schokolade wird 1/3 zu 2/3 für Euch geteilt. Ich komme mit 1/3 aus. Nach Kaffee frage ich nicht viel. Unser Kaffee schmeckt doch meist nach dem Essen, was es mittags gegeben hat, da beides im gleichen Kessel gekocht wird. Zum Selbstkochen fehlt die Zeit u. Gelegenheit u. Du kannst Dir vielleicht viel Gutes damit verschaffen. Die ein oder andere Dose erübrige ich durch Marschverpflegung oder wenn der Russe uns eine Sonderzuteilung verschafft. Wenn er mal was trifft; dann leider meist die besten Pferde. So habe ich jetzt wieder einige Pfund Schieres zum Braten liegen. Durch die Fettigkeiten in den Weihnachtspäckchen bleibt auch was übrig. Ich könnte alles zusätzlich essen, aber Euch tut es besser gut. Ich werde reichlich satt. Wir bekommen jeden Tag 50 gr. prima Butter dazu 100 – 120 Aufschnitt oder eine kleine Dose Fisch. Weiter gibt es Marmelade oder Honig, Zucker, Drops u. Schnaps. Wie ich jedoch schon sagte, schicke ich es für Euch u. nicht für andere. Was Du mit dem Kaffee u. den Drops machst ist mir gleich. Die anderen Sachen sind zu wertvoll. Es sei denn, daß Du etwas Eßbares dafür wieder bekommst. Ich glaube, Du hast verstanden, wie ich es meine. Du kannst gerne bei besonderen Gelegenheiten Tante Else oder sonstige davon essen lassen, aber im Ganzen fortgeben wäre wohl zu überlegen. Du schreibst, Herr Dahle mache so gute Fotoarbeiten, kann er von dem beiliegenden Film nicht mal einen Abzug machen? Der Junge sieht darauf grade so niedlich aus. Ich werde Dir für ihn einige gute Zigaretten schicken zusammen mit etwas Schokolade u. Rosinen für Euch. Letztere haben wir als Zusatzverpflegung erhalten. Dein Brief wäre soweit wohl restlos beantwortet. Nun sollst Du noch etwas von mir und von hier hören. Meine Verbrennungen sind tadellos verheilt. Wir haben 2 Tage Tauwetter gehabt u. ich konnte schon ohne Verband draußen für kurze Zeit sein. Sonst trage ich noch den Pelzhandschuh. Ich kann mich schon wieder selbst waschen u. mit zufassen. Es hat sehr schnell gegangen. Ich habe vor 2 Tagen sogar schon wieder eine Dienstfahrt mit dem Schlitten gemacht. Morgens waren 20° Kälte u. eisiger Wind. Dicke Pelze schützen mich zwar sehr gut. Am Nachmittag taute es. Diese Temperaturstürze sind keine Seltenheit. Heute abend kracht wieder alles vor Frost u. Kälte.
Daß es mir gut geht, kannst Du daraus ersehen, daß wir an einem Tag zwei Impfen in die Brust bekamen, ohne daß ich Beschwerden hatte. Kannst Du oder Dein oder mein Vater mir wohl einen kleinen Kalender besorgen, wie das beiliegende Muster zeigt. Ich kann so ein Ding sehr gut gebrauchen. Vielleicht kann es auch Zippel. Er und auch Heldt haben mir geschrieben. Heldt wünscht auch Dir ein frohes Fest u. gutes Jahr 43. Zippel u. Heldt schreiben, daß die Kinder auch v. d. Fa. selbstgefertigtes Spielzeug bekommen. Nun sind wir bei der Firma. Du weißt wohl schon, daß es wieder ein volles Gehalt zu Weihnachten gibt. Ich habe veranlaßt, daß es wieder auf das „Eiserne Sparkonto“ geht. Eine feine Sache. Ich lege Dir das Schreiben von Hamburg bei. Das von Hannover mußte ich mit meiner Anweisung zurückgeben. Steht das Buch auf meinen oder auf Deinen Namen? Ich hatte damals an Dich geschrieben, Du sollst es auf Deinen Namen nehmen. Die immer noch fehlenden 40.- RM kann ich Dir noch nicht senden. Ich habe mein Mankogeld immer noch nicht bekommen u. meinen Sold habe ich ziemlich verbraucht, da ich damals die 100.- RM geschickt hatte. Du bekommst es aber noch. Liebe Marlies, vielleicht bekommst Du in nächster Zeit mal Päckchen von einem Obergefreiten Bodmann aus Estland. Ich versuche das Gleiche, wie damals, als ich im Urlaub war. Hoffentlich klappt es. So einen kleinen Zuschuß könnt Ihr doch immer gebrauchen. Schreib mir bitte, was eingeht. Ich teile es dann dem Kameraden mit. Schrieb ich schon, daß ich von Hilda u. Erna auch ein Paket mit Kuchen u. Schinken bzw. Mettwurst bekommen habe? Dieses Jahr kommen wirklich schöne Päckchen. Eins habe ich aus Deinem Brief noch vergessen zu schreiben. Spieß Müller ist nicht auf Urlaub. Aber unser Oberbeschlagmeister Karl war bei Eckebrecht. Er sieht durch seinen starken schwarzen Schnauzbart wie ein richtiger Wilddieb aus. Sein ganzes Tun u. Treiben dreht sich hier auch nur um Jagd. Er hat meine alte Jagdflinte und ist dauernd unterwegs u. bringt viel an. Ich hatte ihn an Eckebrecht wegen Patronen verwiesen u. gesagt, er könnte sich auf mich beziehen. Dann noch zu Vaters scheußlichen Furunkeln. Er tut mir wirklich leid. Du kennst doch den Uffz. Schmidt, der die Flasche Sekt brachte. Der Arme hat seit Wochen einen geschwollenen Kopf von hühnereigroßen Furunkeln im Nacken. Er kann schon seit langem keinen Dienst machen. Es ist zur Zeit auch bei uns schlimm mit den Dingern.
Nun wolltest Du noch wissen, wen ich jetzt als Gehilfen habe. Du erinnerst Dich vielleicht noch an einen Kameraden, der mit uns mal von Düderode nach Hannover fuhr, als Du mich in D. besucht hattest. Er ist in meinem Alter. Leider kein Büromensch sondern Verkäufer. Seine letzte Arbeitsstelle war in Hameln bei Günthers Manufakturwarengeschäft. Zu allem Überfluß hat er in kurzer Zeit 2 Brüder im Osten verloren u. ist mit seinen Gedanken auch dadurch nicht bei der Sache. Jung verheiratet ist er auch u. seine Frau zur Luftwaffe jetzt eingezogen.
Liebe Marlies, ich will nun schließen. Grüße die Kinder von Ihrem Vati u. sei Du besonders
herzlich gegrüßt u. innig geküßt von Deinem Dich liebenden
Atte

Ich bitte um Grüße an Grete u. Elli, Vater u. Ernst ebenfalls viele Grüße
u. die besten Wünsche für baldige Besserung.

 

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