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Brief (Transkript)

Adolf Dick an seine Frau Marieluise am 15.02.1945 (3.2002.7565)

 

O.U, den 15. Febr. 1945



Meine geliebte Marlies!

Dieses ist heute der 2. Brief, den ich nach meinem Urlaub an Dich schreibe. Ich hätte am liebsten jeden Tag einen geschrieben, aber die Zeit langte mir nicht u. abends war ich schwer müde. Meine Gedanken sind bei Dir u. den Kindern u. immer wieder denke ich an die schönen Stunden u. die schönen Sachen. Die Gurken u. das sauer eingeweckte Gemüse waren doch zu schön; man vermißt so etwas umso mehr, wenn es jeden Tag die gleiche Leberwurst gibt. So braucht es Zeit, bis die Eingewöhnung wieder vorüber ist. Vielen Dank auch für die lieben Briefe, die ich hier noch vorfand. Du hattest grade in jener Zeit so oft u. viel an mich geschrieben. Die Schilderungen über das Weihnachtsfest waren so, als klängen Deine Worte direkt zu mir. Ich bin glücklich, daß ich sie in Wirklichkeit vernehmen konnte. Nun wartet man auf die nächsten Briefe. Vorläufig zehre ich noch von den schönen Stunden u. Tagen mit Dir und den Kindern. Es waren eigentlich märchenhafte Urlaubstage in diesen schweren Kriegstagen. Nun will ich berichten, wie ich alles vorfand u. wie ich die Reise überstand. Ich mußte in Kreiensen erst mal die Hotels vergebens absuchen. Zimmer Vorbestellungen gibt es sowieso nicht mehr. Der Aufenthaltsraum der Wehrmachtsbetreuung blieb mir zur Übernachtung. Man muß Glück haben. 3 Betten mußten freigemacht werden u. ich bekam um 23.30 eine Schlafgelegenheit. Um 4 Uhr machte ein Fliegeralarm der Ruhe allerdings schon ein Ende. Der Zug kam erst 7.20 . Die Kleinbahn kam 7.10. Es hätte also geklappt. Ich kann trotzdem der Nacht nicht nachtrauern, wenn ich bedenke, daß im Zug die meisten Urlauber zurückgerufen waren. Vor Fulda kamen wir erneut in Fliegeralarm. Bei uns ging es glatt ab. Regensburg war das Ziel der Bomberverbände, die uns durch ihre Bombenabwürfe den Weg über bzw. durch den bay. Wald aufzwangen. Es war eine langweilige aber landschaftlich schöne Fahrt. Ich habe auch so etwas von diesem schönen Stückchen deutscher Heimat gesehen. Es ging von Passau wieder im Eiltempo bis Wien. Die 30 Stunden Verspätung ließen die Verpflegung knapp werden u. so mußte ich den Kuchen selbst essen. Wien versorgte uns dann gut mit warmer Suppe u. Verpflegung. Ich ließ mein Gepäck am Bahnhof u. wollte mich beim Friseur rasieren lassen. Nach einer Stunde Wartezeit kam ich endlich dran, doch da gab es Voralarm u. wir u. auch ich mußten unrasiert abziehen. Als ich über die Straße ging gab es schon Vollalarm u. rein in den Bunker, welcher mir ein Splitterschutzgraben war. Die Bomben ließen nicht lange auf sich warten. Um uns fielen 20 dicke Brocken, eine davon 20 mtr. vom Splittergraben entfernt. Wir haben die gefährliche Nähe des Einschlags gar nicht bemerkt, sondern schätzten die Entfernung auf 150 – 200 mtr. Wie erstaunt waren wir, als wir so dicht bei uns den riesigen Trichter sahen. Der kurz darauf folgende Alarm ließ mich im Arsenal Schutz finden. Nach Beendigung ließ man uns von dort nicht mehr fort. Nach 5stündigem Warten konnte ich Tomaschütz aufsuchen. Stockdunkle Nacht, keine Straßenbahnen u. fremd in der Riesenstadt. Aber auch dieses wurde überwunden. Ich traf nach 20 Minuten wieder auf fahrende Straßenbahnen u. kam gut hin. Das Nebenhaus von Tomaschütz barg einen Zeitzünder. Die Häuser waren geräumt. Tomaschütz nicht zu finden. Ich schlief bei einem Hausmeister sehr gut. Am anderen Morgen kaufte ich meine Brötchen u. fuhr mit Straßenbahnen u. Stadtbahn nach Meidling, Wiener–Neustadt–Gramatneusiedl-Brück-Grenzstation nach Ungarn hinein. Ich war am 8.2. morgens in Wien u. am 10. 2. abends bei der Kompanie. Unterwegs traf ich Topf von der D.A.P.G, der damals auch mit in Rothfeld einrückte, als Oberzahlmeister bei unserer Division. Er ist schon bald ein Jahr bei uns. Die Wiedersehensfeier war natürlich groß. Bei der Kompanie hatte sich nichts verändert. Mit meiner Abreise hatten auch die Kämpfe aufgehört. Einige Urlauber sind nicht zugekehrt, sonder unterwegs angehalten u. zu neuen Kampfeinheiten zusammengestellt. Ich war bei der alten Kompanie u. hörte, daß auch Wrede nicht zurückgekehrt sei. Uffz. Ernst läßt grüßen. Das Rad kostet Rm 95.- (zahle ich von hier) Den Brief von Frau Reuter schicke ich Dir, sobald er beantwortet ist. Sie hat immer noch die Absicht, Dir einige von den gekauften Sachen zu schicken. Ich bin jetzt an 3 Tagen vorn gewesen u. habe erst mal alle wieder besucht. Nun kommt der Innendienst. Vor allem ist es mit meiner Ankunft um uns wieder lebhaft geworden. In unserem Abschnitt ist es noch ruhig. Ich habe ein nettes Quartier bei sehr sauberen Leuten. Mein kleiner Putzer fährt jetzt einen Panzer. Er fühlt sich sehr wohl dabei. Ich habe jetzt Innendienstkranke. Sie haben ja kaum etwas zu machen. Meine Strümpfe konnte ich hier im Hause prima stopfen lassen. Die Leute sind sehr nett u. hilfsbereit. Sie sprechen fließend deutsch. Meine Wäsche haben sie auch schon gewaschen. Wir haben gestern auf der Schreibstube etwas Fasching gefeiert. Prima ungar. Rotwein lieferte uns Glühwein u. die Marketenderei hatte uns mit Schnaps versehen. Um 10 Uhr lagen wir in der Falle ganz nüchtern. Mit den Rauchwaren sei sehr sparsam. Wir bekommen nur 3 Zigaretten beim Troß. Tabak gibt es wenig. Durch die Marketenderei habe ich 120 Zigaretten bekommen, die ich Dir gelegentlich schicken werde. Grotian muß vorerst mit 2 Paketen Tabak zufrieden sein. Für das Holz, was noch von Schröder kommen soll, kann er dann für das Zerkleinern noch mal 2 Pakete bekommen, für den Rest muß er Geld nehmen. Mein Verpflegungsgeld mit 121.20 Rm ist heute beim Rechnungsführer für Dich eingezahlt. Auch sonst konnte ich für Euch einiges erwerben. Die Division hat Stoffe verkauft, hauptsächlich für Bombengeschädigte u. Kinderreiche. Die Kameraden hatten an mich gedacht u. so kann ich Dir nach u. nach für die 3 Kinder warmen Flanellstoff, rosa mit Streublumen, für Schlafanzüge oder Nachthemden schicken, für Dich Stoff für ein Dirndlkleid in blau-weiß. Es kann auch für Margarete gut Verwendung finden. Weiter ganz dünner Stoff in rosa mit Streublumen für ein Nachthemd für meine liebe Frau. Wenn Du das anziehst, muß es ein Urlaub im Sommer sein. Etwas Sohlenleder soll ich in den nächsten Tagen noch von meinem Quartierwirt erhalten. Ob letzteres rankommt, bezweifele ich zwar, denn Leder ist hier auch Mangelware. Hoffentlich bekomme ich die Stoffe nun gut zu Dir, denn Du kannst sie doch so gut gebrauchen. Was machen die Kinder bei diesem Tauwetter? Sind sie noch gesund? Nun können sie morgens wieder alle in Mutters Bett tollen, ohne daß der Vati mit ihnen schimpft. Haben sie noch davon erzählt, daß ich sie so oft zur Raison gebracht habe? Ich vermisse sie doch sehr, wenn es mir auch manchmal über die Hutschnur ging mit ihren Unartigkeiten. Gerne denke ich auch grade an diese Stunden zurück. Grüße die Trabanten recht herzlich von wir u. sage ihnen, ihr Vati sei wieder gut an der Front gelandet. Leider gibt es jetzt auch weniger Drops, so daß die Freude beim Auspacken der Päckchen nicht die gleiche wie früher sein wird. Die Zeiten sind eben zu ernst. Hoffentlich kommt bald die Wendung. Sie muß u. wird kommen, davon sind wir hier alle überzeugt. Grade die Heimatlosen haben den stärksten Glauben, was die anderen Kameraden mitreißt. Also seid ganz beruhigt, es wird schon gut werden. Nun, meine liebe Marlies, werde ich meinen Brief beenden. Es ist Zeit zum Schlafen. Laß Dich in Liebe u. Sehnsucht umarmen u. herzinnig küssen von Deinem Dich innig liebenden
Atte

 

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