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Brief (Transkript)

Freund [Franz] an Otto Madl am 28.12.1941 (3.2002.7163)

 

28.12.1941



Lieber Otto!

Nach langer Zeit auch wir wieder mal Post erhalten und auch von Dir waren 2 Briefe und zwar vom 4. u. 27. 11. dabei, wofür ich Dir herzlich danke. Du bist immer noch bei Nürnberg und da kannst Du bestimmt von Glück reden. Glaube schon, daß es Dich manchmal nicht freut und lieber daheim bei Deiner Cilly wärst, ist ja niemanden zu verdenken, aber sei nur um Deine jetzige Lage froh, es gibt noch was viel Schlechteres. Wenn Dir ein Einsatz erspart bleibt, alles andere nimm keine in Kauf, auch wenn es manchmal eintönig ist.
Otto, Du bittest mich, meine Ansicht über die Lage und die Dauer des Rußlandkrieges zu schildern. Es ist schwer und überhaupt nichts darüber zu sagen. Du weißt, einmal hab ich mich schon geäußert, war ein bitterer Fehlschlag. Aber wer hat sich mit dem Russen noch nicht getäuscht, bestimmt andere Leute als ich. Ich glaube, daß dieser Krieg im kommenden Jahr immer noch nichtentschieden wird. Wenn ich damals glaubte auf ein ende, so war ich der Meinung, wenn Krim genommen und Moskau umschlossen, so muß der Russe es aufgeben, weiter mit uns zu kämpfen. Aber nun stelle ich Dir heute eine andere Rechnung auf. Der Russe kann der Menschenmenge nach ein Heer von 30 Mill. haben. Gerüstet hat der Russe Jahrzehnte lang und seine Industrie verteilt. Was hat der Russe alles verloren, viel nach menschlichen Begriffen hat aber allen Anschein nach noch ungeheuere Reserven an Menschen wie an Material.

Durch den Kriegseintritt Japans sind die russischen Fernostarmeen nicht mehr gebunden, da Japan mit Amerika und China zu kämpfen haben wird. Stehen uns also im Frühjahr frische und aktive Truppen gegenüber. Ausgehungert kann der Russe ebenfalls nicht werden, denn der sibirische Weizen steht dem der Ukraine kaum nach und wo man oft Steppe vermutete, wächst heute der best Weizen. Außerdem geht der Russe nicht planlos zurück, sondern mit Überlegung, um uns weit ins Innere zu locken, wo unser Nachschub schwierig ist. Diesen Schachzug hat er vom Anfang an gemacht, sich also auf einen langen Krieg mit uns vorbereitet. An eine Revolution, wie vielleicht mache noch glauben, ist gar nicht daran zu denken. man kennt sonst nichts als Kommunismus, wird ja schon ein Menschenalter hier gepredigt. Wer soll auch Revolution machen. Wurden ja alle erschossen oder sind geflüchtet. Hier muß schon gekämpft werden bis die letzte Div. oder Komp. sich nicht rühren kann und das wird schon noch einige Zeit dauern. Mußt auch wissen, daß der Russe nichts unversucht läßt und da noch kämpft, wo schon längst alles aussichtslos geworden ist. Was sagst Du nun zu dem Einen. Der Russe ist an den Weihnachtsfeiertagen bei Ketsch gelandet. Wir sind nun wieder hierher gekommen, diesen wieder zu vertreiben. Kann wieder nette Kämpfe geben. Ist also durchaus kein Zeichen der Schwäche oder einer baldigen Auflösung. Otto, das ist heute meine Anschauung, hoffe und wünsche aber, daß ich nicht recht habe und es doch noch anders kommen möge.
Nun, Otto, kommt auch wieder ein neues Jahr. Wünsche Dir noch mal alles Gute und möge uns dieses Jahr den Frieden nahe bringen. Mir geht es noch soweit gut, nur die ver-dammte russische Kälte hier bei Kertsch. War es doch bei Jalta so schön warm.
Schreibe mir bald wieder und was Du zu meiner Ansicht sagst. Gesamtlage zu urteilen, wage ich nicht. Was sagst Du zu den Kämpfen in Afrika? Wie denkst Du über England und was wird im Frühjahr die Türkei tun.
Für heute Schluß, auf baldiges Wiederhören und noch mal alles Gute
Die besten Grüße
Dein Spezl Franz

Auf Wiedersehen!

 

 



Ansicht des Briefes

 

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