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Brief (Transkript)

Heinz Donner an seine Ehefrau am 02. - 14. 10.1917 (3.2007.1656)

 

Den 2. Oktbr 1917



Meine innigstgeliebte Paula!
Obwohl ich diesen Brief heute noch nicht absenden kann, fühle ich das Bedürfnis, ein wenig mit Dir zu plaudern. Wie ich Dir ja in meinen letzten Zeilen von Zabern mitteilte, stand unser Abtransport bevor und er hat sich nun auch bereits vollzogen. An Briefverkehr war und ist auch heute noch, den 2.10. nicht zu denken. Außer der vorgedruckten Postkarte, die in solch geringen Mengen verteilt wird, daß es lange genug dauert, bis man an die Reihe kommt darf nichts abgeschickt werden und wird auch nichts angenommen. Post von Hause kommt jeden Tag an und zwar immer die neuste. Meine sämtlichen Kameraden haben Mitteilungen von zu Hause bekommen, nur ich nicht. Ich bin darüber umso mehr beunruhigt, als ich seit meinem Weggang von Stuttgart überhaupt ohne jegliche Nachricht bin. Die W.Z., die regelmäßig kommt, ist das einzige Bindeglied zwischen Heimat und Front.
Du wirst nun, liebe Paula, denken, es schadet gar nichts, wenn „er“ mal ein wenig zappelt, wie mirs schon öfters ergangen ist. Ich müßte diese handlgsweise nur mißbilligen, denn da muß Dir klar sein, daß ich jede Gelegenheit benutzt habe, Mitteilungen an Dich gelangen zu lassen, daß wenn die Sperre bei uns einmal eingeführt ist, mir aber auch jedes Mittel genommen ist, Dich davon zu verständigen. Briefe aus der Heimat kommen jedoch bald nach unserem Eintreffen in unseren Besitz und es ist deshalb töricht, das Schreiben einzustellen, weil von der andern Seite keine Nachricht kommt. Wenn Du mir, Schatz, meine erste Karte von Zabern, die spätestens am Donnerstag, 20.9. in Deinen Besitz gelangt sein muß, gleich beantwortest hättest, hätte mich die Antwort noch in Zabern erreicht, da die letzte Feldpostsendung am 25.9. verteilt wurde. Nachdem ich Dir meine Ansicht über die Sache nun dargelegt habe, bitte ich Dich, im Wiederholungsfalle entsprechend zu handeln. Unterlassen kann ich es jedoch nicht, zu bemerken, daß ich über das Ausbleiben der Briefpost sehr erzürnt bin u. z. nur deshalb, weil ich in Zabern, wo sich die Briefpostbeförderung von Stuttgt in einem Tag vollzieht, überhaupt nichts mehr von Dir hörte. Am Dienstag, 18.9. kam ich in Zabern an und abends schickte ich die betr. Karte um deren Beantwortg es sich handelt, ab. Doch nun Schluß über diese Geschichte, ich warte eben ruhig weiter, bis das erste Lebenszeichen von Dir eintrifft, hoffentlich stößt mir in der Zwischenzeit nichts zu. Also, liebe Paula, von Zabern fuhren wir über Strassburg, Karlsruhe, Pforzheim ins Schwabenland, wurden in Bietigheim verpflegt, fuhren am 27. vorm. 9 h durch Tannstatt, dann gings nach Ulm, Augsburg, München, Salzburg, Bischofshofen, […]tal, St. Veit in die Gegend um Klagenfurt, wo wir jetzt liegen. Es war eine unbeschreiblich schöne Fahrt durch das Oberinntal, Salzkammergut, Steiermark und Kärnten und die Deutschen wurden von Alpbevölkerung überall aufs stürmischste begrüßt. Du wirst nun wohl schon erraten haben, daß wir es mit den Italienern zu tun bekommen und wenn es in Zukunft mit der Briefpost noch länger als bisher dauert, so mußt Du wissen, daß wir oft viele Tage im Hochgebirge liegen, wo niemand schreiben kann und wo jeder „Verkehr mit rückwärts“ äußerst schwierig ist. Ein wunderbares Panorama liegt vor mir und beim Gedanken an das Besteigen der Berge, deren Gipfel im Wolkenmeer verschwinden, wird mir ein wenig bang. Mein einziger Wunsch wäre, Du liebe Pautzel könntest diesen Genuß, sich mitten unter der unverfälschten Almbevölkerg. umgeben, vorm herrlichsten Panorama bewegen zu dürfen, mit mir teilen. Wenn in kürzester Zeit die Berge vom Donner der Geschütze widerhallen werden, wird allerdings vom Genießen wenig mehr zu verspüren sein.

Den 3. Okt. 1917.

Immer noch kein Lebenszeichen von Dir auch die W. Z. bleibt aus.

Den 4. Okt. 1917.

Ebenso.

Den 5. Okt. 1917.

Endlich nach langem Warten kommt Dein Brief vom 26.9. leider mußte ich vernehmen, daß Du krank bist. Der Husten hat schon bei meinem Aufenthalt in St. Besorgnis erregt. Nimm Dich ja in Acht, Schatz, und heile Dich vollständig aus, damit kein Keim zurückbleibt. Meine herzlichsten Wünsche zur baldigen Genesung. In einer Richtung hat mich Dein Brief enttäuscht. Du erzählst mir mit unverblümter Ironie, wie ungelegen Dir mein Besuch kam; ich lauf mir fast die Füße weg, um Urlaub zu bekommen, aber Du sollst Recht behalten, Paula, bei unserem nächsten Ruheaufenthalt in Deutschland bin ich nicht mehr so voreilig. Bloß ist es hart, wenn einer solchen Sache im Brief eine ganze Seite gewidmet wird, während ich sie durch unsere mündliche Aussprache für erledigt gehalten habe. Im übrigen bezweifle ich, ob die Logiergelegenheit nach Deinem Geschmack gewesen wäre. Für heute gute Nacht. Morgen haben wir eine große Uebung im Hochgebirge.

Den 6.10.17.

Heut waren wir im Gebirge. Es schneit schon tüchtig. Heute abend boten die Kärntner Alpen einen unvergeßlichen Anblick. Wohin das Auge sah, waren die Gipfel und Abfallwände mit Schnee bedeckt und drohende Schneewolken lagerten sich über denselben. Plötzlich durchbricht die Abendsonne die Wolkenwand und wirft ihre glühenden Strahlen in verschwenderisches Weise auf die Gebirgslandschaft. Stundenlang könnte man sich an diesem großartigen Bilde ergötzen, wenn nicht die hier bald hereinbrechende Nacht den Genuß stören würde. Morgen Sonntag gebe ich Urlaub nach Klagenfurt ein zum Besuch des durch Koschat verewigten Werther-Sec's[?]. Geissler geht auch mit. Post ist heute keine eingetroffen. Hoffentlich morgen welche. Es ist so beklemmendes Gefühl, Dich, mein Schatz, krank zu wissen und über Deinen Zustand nicht orientiert zu sein. Recht gute Besserg., Paula!

Den 7.10.17.

Keine Nachricht von Dir, Schatz! Wenn Du wüßtest, wie ich in Sorge um Dich bin, würdest Du sicher schreiben. Heute war ich in Klagenfurt war großartig, besonders der 16 km lange Wörthersee. Aber auch in anderer Hinsicht wird viel geboten. Ich habe 2mal ohne Marken zu Nacht gespeist. Geld hatte ich keines mehr, aber es gibt ja Kameraden, die immer welches haben.

Den 8.10.17

Keine Post. Heute waren wir ziemlich hoch im Gebirge. Die Fernsicht war wunderbar. Aber müde und hungrig macht das Bergsteigen.

Den 9.10.17.

Immer noch kein Lebenszeichen von Dir. Wenn wir in den nächsten Tagen nach vorn aufbrechen, so befürchte ich, überhaupt nichts mehr zu bekommen, wenigstens auf die Dauer von 10 Tagen, bis wir wieder einen größeren Halt machen. In der W. Z. habe ich von dem Fliegerangriff auf Stuttgart gelesen. Es scheint diesmal nicht so harmlos verlaufen zu sein, wie bei meinem Aufenthalt.

Den 10.10.17.
Keine Post.

Den 11.10.17.

Desgleichen. Heute hatten wir eine Uebung im Gebirge und gerieten in ein schweres Gewitter mit Wolkenbruch; Wie aus dem Wasser gezogen, kamen wir im Quartier an. Frische Wäsche hatte ich keine, also wand[?] ich die nasse aus, zog sie wieder an und wickelte mich in einen Teppich. Ich habe dann 12 Stunden geschlafen und als ich aufwachte, war sie trocken. Am Feuer können wir nichts trocknen, wir liegen 35 Mann in einer Scheune und Holz darfst kaum nehmen weil man sich im verbündeten Land befindet. Auch die ganze Verpflegung kommt aus Deutschland; in den ersten 8 Tagen, als wir hier waren, haben wir tüchtig Kohldampf geschoben, dazu macht die Gebirgsluft dauernd hungrig; außerdem keine Post, keine Karte, kein Brief nur meine getreue W. Z. Das macht Stimmung. Doch ich will nicht klagen, wenn ich nur wüßte, wie es Dir ginge. Es ist unverzeihlich von Dir, Schatz, mich so hängen zu lassen; bin ich Dir denn so gleichgültig geworden. Uebermorgen gehts voraussichtlich los, dann dauerts wieder 14 Tage, bis uns die Post erreicht. Doch weg mit diesem Thema. Ich schluck den Ärger hinunter, - Ersatz für Verpflegung. -

Den 12.10.17.

Keine Post. Heute ist Dein Geburtstag; wenn ich Dir auch nicht schreiben kann, so habe ich ihn doch nicht vergessen. Meine herzlichsten Glückwünsche. Mögest Du, meine liebe Paula, noch oft in ungetrübter Gesundheit diesen Tag erleben dürfen. Hoffentlich dürfen wir ihn nächstes Jahr in unserm trauten Heim gemeinschaftlich feiern.

Den 13.10.17.

Wieder keine Post. Es wird mir alle Tage unbegreiflicher. Dauernd bin ich in Gedanken bei Dir. Sollte sich Dein Zustand derart verschlimmert haben, daß Du zum Schreiben unfähig bist, ich kann es nicht glauben. Es wäre dann doppelte Pflicht, Deiner Angehörigen, mir Kenntnis zu geben. Morgen ist Sonntag, vielleicht kommt ein Briefchen.

Den 14.10.17.

Endlich der 2te Brief nach 4 langen Wochen. Besten Dank. Es scheint Dir wieder besser zu gehen was mich beruhigt. Morgen gehts bei uns los. Es wird wohl jetzt die schwerste Zeit im Kriege kommen. Beschwerliche Märsche im Gebirge, knappe Verpflegung, keine Post, Biwakleben bei Regenwetter. Heute geb ich diesen Brief auf, wer weiß, wann ich wieder zum Schreiben komme. Lege auch einige Postkarten bei.
Und nun, liebster Schatz, sei herzlich gegrüßt und innigst geküßt von Deinem Dich treu liebenden Heiner

 

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