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Brief (Transkript)

Willy M. aus Gotha an Charlotte M. nach Göttingen am 23.03.1974

 

Gotha, den 23. 3. 1974

Liebe Schwester Charlotte!

Deine Postkarte vom 17.3.1974 haben wir erhalten und auch unseren herzlichen Dank dafür. Wir haben uns gefreut, daß Du einen herrlichen Urlaub verbracht hast und Dich demnach auch sehr erholt hast.
Durch diese Post wurde uns bestätigt, daß das besagte Buch in Deiner Hand gekommen ist und somit unsere gehegten Befürchtungen nicht eingetreten sind. Nur eins finden wir nicht in Ordnung, daß wir Deine zwei Briefe daraufhin nicht erhalten haben. Wir müssen annehmen, daß dieselben verloren gegangen sind.
In der Zwischenzeit habe ich nun einen Brief an Dich abgesandt und diesen hast Du ja bei Deiner Rückkehr vorgefunden. Ich habe nun auch das Eisenacher Buch in meinem Besitz und werde es in den nächsten Tagen an Deiner Adresse abschicken. Als Paket oder als Päckchen, ich weiß es noch nicht ganz genau. Das letztere hatte ich wohl als Paket, weil man mir auf der Post Schwierigkeiten machte wegen der Verpackung. Das Päckchen hatte ich zu sehr verschnürt und ausserdem noch verklebt, weil es eben zu klein war. Deine an uns abgesandte Päckchen haben wir bis dato noch nicht erhalten, hoffen aber, daß sie uns noch erreichen.
Mit der Oma haben wir in den letzten vier Wochen allerhand erlebt und durchgemacht. Acht Tage vor ihrem Geburtstag kam sie nicht mehr zu uns an den verabredeten Tagen. Am Geburtstag hofften wir auf ihren Besuch und richtteten uns darauf ein. Wer nicht kam war Oma. Wir glaubten und mußten annehmen – eine andere Nachricht erhielten wir nicht – daß sie ihren Geburtstag zu Hause verleben wollte oder im Kreise von Friedel. Aber der Tatbestand war folgender: Dieter hat sich angemeldet und wie so üblich er kam nicht wegen irgendwelchen Schnupfen oder die Jungens konnten nicht alleine bleiben. Irgendetwas war es jedenfalls. Anstatt nun die Friedel die Initiative in die Hand genommen hätte, und trotz Nichteintreffens von Dieter der Oma einen anständigen Kaffeenachmittag bereitet hätte, hockten beide in ihren Zimmern und ließen die Dinge vorüberrauschen. Friedel hat sich ja auch vorbereitet gehabt. Wir selber hatten nichts gewußt vom eventuellen Kommen des Dieters und Frau Hanna, und warteten ebenfalls auf Oma. In der nachfolgenden Zeit bekam ich dann durch Friedel oder deren Bekannten, daß Oma nicht mehr laufen kann und wir die Rente abholen sollen. Von da ab waren wir dann lufend auf Trapp. Jlse betreute Oma jeden Morgen mit Verpflegung und ich bin jeden Abend zum Einreiben und Massieren bei Ihr oben gewesen. Das ging so drei Wochen lang und jetzt haben wir es eben wieder hinbekommen, daß sie laufen kann. Die linke Wade war sehr hart und im Knie hatte sie Schmerzen. Sie war also ans Zimmer gefesselt. Zu allen Unglück hatte auch noch Dr. P. für drei Wochen keine Sprechstunde. Durch die Massagen und dem Einreibemittel wurde das Bein wieder lockerer und die Schmerzen ließen nach. Vergangenem Samstag war sie bei uns, nachdem wir sie überzeugt hatten, daß sie wieder Mal an die Luft gehen müßte. Nach Rückkehr hat Dr. P. ihr Bestrahlungen verschrieben und weitere Einreibemittel.
Ich wollte Dich nur in dieser Richtung informieren und dabei betonen, daß Oma nicht zu wissen braucht, daß Du den genauen Sachverhalt kennst, sonst würde sie wieder grübeln. Entschuldige auch bitte meine aus der Klamottenkiste herausgeholte „Tippvisitte“
Bitte wenden!

Ansonsten geht es bei uns den alten Gang weiter. Im Garten wird es jetzt wieder rund gehen. Es wird ja auch Zeit, denn allzuviel Winterspeck ansetzen ist auch nicht gut. Thomas wollte heute zum Wochenende seinen letzten Urlaub machen. Ende April wird er dann für immer nach Hause kommen und seine Arbeit wieder aufnehmen. Gesundheitlich geht es den Umständen nach gut. D.H.: man darf sich nichts anmerken. Im übrigen blühen jetzt Deine Krokusse im Garten und die kommenden Monaten sind die schönsten in der Natur.
Liebe Charlotte!
Zum Schlusse sei herzlichst gegrüßt von uns. Wir hoffen und wünschen, daß Du bei guter Gesundheit bist und verbleiben
Als Dein Bruder und Deine Schwägerin
Willy Ilse

Fürs kommende Wochenende haben wir vor, nach langer Zeit einmal nach Eisenach zum „Sommergewinn“ zu fahren. Wollen mal sehen, was daraus wird.

 

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