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Brief (Transkript)

Irene Guicking an Ernst Guicking am 29.03.1941 (3.2002.0349)

 

Gießen, den 29.3.41



Mein lieber guter Mann,

jetzt sitze ich wieder hier in meiner Küche und kann Dir auf Deinen Brief vom 25.3. antworten. Hätte ich meinen Zug noch erwischt, dann hätte ich Dir heute nicht mehr schreiben können. Ich weiß, Du bist jetzt froh, daß mir der Zug davongefahren ist. Aber das stört mich gar nicht, ich bin nicht böse gewesen. Ich hab' ja Zeit und nichts zu verlieren. Ich fahre halt morgen früh und außerdem schläft es sich in meinem Bett doch viel, viel besser wie zu Hause. Jetzt ist es 21:30. Zu tun habe ich nichts mehr und wenn ich diesen Brief fertig habe, kann ich gleich ins Bett.
Weißt Du mein Bib, wenn es hätte heute Abend sein müssen, hätte ich auch den Zug erwischt. Aber sieh mal, ich hatte mir grüne Soße gemacht, auf die ich mich schon wochenlang freute und die hätte ich stehenlassen müssen, wenn ich rechtzeitig am Bahnhof hätte sein wollen. Kannst Du das verstehen? Ich hab also in aller Ruhe gegessen und bin dann an den Bahnhof. Ich habe mein Köfferchen aufgegeben, dann habe ich morgen früh keine Last damit.
Mein Bib, ich habe auch gestern die Eier und die Babysachen erhalten. Du glaubst gar nicht, wie ich mich darüber gefreut habe. Da ist ja eines schöner wie das andere. Ich kann mir immer wieder die Hemdchen und die Blüschen betrachten. Die sehen zu reizend aus. Es scheint alles Handarbeit zu sein und deshalb hast Du sie wohl auch ohne Punkte kaufen können. Die Organdystoffe waren hier auch lange Zeit frei aber schade, daß wir nicht schon früher auf den Gedanken gekommen sind solche Sachen zu kaufen. Ich finde das gerade so schön, daß Du dafür sorgen kannst. Ich möchte mal ein Mäuschen sein, wenn Du einkäufst. Das Mäuschen wäre dann imstande und würde dazwischen quatschen. Mein Bib, rede doch deutsch. Ich verstehe ja nichts. Also mein Schummelchen, hast Du Deine Sache wieder gut gemacht, auch die Decken, diese Einschlagdecken sind richtig. Du fragst, ob es noch mehr sein soll. Ja Ernst, da kann ich Dir aber nichts genaues sagen, denn wenn es so schwer fällt mit dem Kaufen, dann hat es doch gar keinen Zweck Wünsche zu äußern. Du kannst ja noch einmal schauen, Du weißt ja ebenso gut, was man gebrauchen kann. Wichtig ist dabei, daß die Sachen nicht gleich so groß sind. Es soll vorläufig für das erste Jahr sein. Wir hoffen doch, daß bis dahin der Krieg vorbei ist oder daß er seinem Ende zugeht und das Kaufen einem leichter gemacht wird.
Ja mein Bib, die Eier, dieses Mal hätte ich gleich einen Pfannkuchen backen können. Verquirlt waren sie schon angekommen, so verschiedene. Es waren sieben Eier noch einwandfrei zu gebrauchen. So ein Teelöffel voll mag in jeder Schale noch gewesen sein und vier Eier waren eben ganz ausgelaufen. Mir schien es, als hättest Du sie zu dicht gelegt. In Mühlhausen war das Paket aufgegeben. Die Entfernung war auch für diesen Inhalt zu groß. Weißt Du, ein Kistchen ist immer noch das Idealste für Eier. Der größte Teil ist auf jeden Fall noch brauchbar und das ist doch schon was wert.
Hör mal Ernst, Du hast den "Ersten" geschossen? Ja mein lieber Bib, ich wußte ja gar nicht, daß Du solch eine Kanone bist. Bekommst Du dann wieder eine neue Schützenschnur? Und gesoffen habt Ihr auch? Wenn ich Dich nur mal sehen könnte wenn Du mal einen Schoppen zuviel getrunken hast. Machst Du dann auch keine Dummheiten? Schummelchen, Schummelchen, ich habe doch nichts dagegen, wenn Ihr Euch so einen Rausch antrinkt. Das weißt Du doch auch. Wenn es natürlich mal zu Hause vorkommen sollte, dann darf es nicht schlimm kommen. So mein Schummelchen, jetzt gehe ich aber ins Bett. Morgen früh um 7:00 Uhr ist die Nacht herum. Zu Hause werden sie jetzt am Bahnhof stehen und wer nicht kommt, das ist Dein Bobelchen, das Dich so gern mal lieb haben möchte, Deine Augen küssen möchte. Ich sage Dir eben nur gute Nacht

Deine Irene

Mein Schatz ich will Dir nur noch einmal zu Deiner Beruhigung sagen, daß wir schon fünf, sechs Tage keinen Alarm hatten. Es ist eine Wohltat, denn der kalte Keller ist nicht gerade das Gesündeste, denn wir ziehen uns ja nur notdürftig an. Meistens ziehe ich meinen dicken Morgenrock an, vielleicht ein paar Höschen drunter und dann sitzen wir da und warten, daß wir bald wieder hochgehen können. Aber stell Dir vor, so recht die Nacht schlafen kann man nicht, denn man ist immer wieder gefaßt drauf, es könnte wieder Alarm geben. Der Schlaf ist also nicht tief aber immerhin besser, wir brauchen nicht aus dem Bett. So mein Schatz, das wollte ich Dir nur sagen und ich denke, Du beruhigst Dich.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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