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Brief (Transkript)

Ernst Guicking an Irene Guicking am 11.11.1940 (3.2002.0349)

 

Im Westen, den 11.11.40



Liebste Frau,

für Deinen Brief vom 7.11. herzlichen Dank. Ich glaube, ich habe Dich in letzter Zeit schwer verwöhnt mit der Post. Ich hatte ja bis jetzt auch immer Zeit zum Schreiben. Gestern und heute hab ich schwer gearbeitet. Ich hab mir mein Zimmer erst mal ein bißchen wohnlich gemacht. Ich hab mir Möbel zusammengesucht, Tischdecken gekauft und alles abgewaschen. Es hatten heute vier Mann Arbeit bei mir. Dafür kann sich aber meine Bude sehen lassen. Sie sind wieder alle schwer neidisch auf das schöne Zimmer. Ja, ich will es ja auch so haben, denn dann gefällt es mir auch erst recht, wenn andere meinen, es wär wieder sehr hübsch. Ja, Irene, was meinst Du, wieviel ich heute ausgegeben habe? Paß auf, einen Augenblick, ich will es gerade mal zusammenrechnen. Aber wozu auch, ist ja gar nicht nötig. Es reicht ja auch, wenn ich mir Gedanken darüber mache, daß das Geld von Siebert, Malinckrodt, Sahmer eingetroffen ist. Es sind zusammen 153,00 Mark. Und mein Geld dazu. Davon hab ich aber nichts mehr. Ob Du es mir glaubst oder nicht. Ich hatte es keine zwei Stunden in der Tasche. Denkst Du, das ist ein leichtsinniger Kerl? Na, ich hab ja schließlich auch etwas dafür bekommen. Zum Beispiel habe ich sechs Meter Handtuchstoff für die Küche, vier Tischdecken für 10,00 Mark. Das ist schon alles, außer dem, was ich hier noch in einem großen Karton habe. Du, Bobi, ich bin ganz weg, ich bin fix und fertig. Jetzt hab ich aber noch eine ganze Seite im Notizbuch stehen. Das soll ich alles noch kaufen? Also, Du gehst gelegentlich noch mal bei der Bank vorbei und holst mir 50,00 Mark. Ich meine, mit dem gelegentlich, natürlich möglichst bald. Ich hab heute nach den Spitzen gefragt. Die sind sehr bekannt hier. Und die 50,00 Mark kannst Du an mich adressieren. Schick mir doch die Spitzenmuster, Bobi. Ich kann sie doch der Zeichnung nach nicht kaufen. Vielleicht sind sie dann obendrein noch verkehrt. Der Pelz, damit kann ich auch Glück haben. Ich will nur noch wissen, ob Kanin oder Kaninchenfell. Das eine ist echt und das andere, das ist vom Has, vom Stallhas, nehm ich an. Hoffentlich schreibst Du es in den nächsten Briefen. Ja, mit dem Wohnzimmer, das hat noch Zeit. Wir gehen Weihnachten mal zu Rau. Für den Meter Handtuchstoff hab ich 80 Pfennig bezahlt. Ist das viel? Was meinst Du? Was hör ich da von Tante. Sie will mir die Mandeln und die Schokolade bezahlen? Die Mandeln bekommt sie zu Weihnachten. Und Schokolade, ach mein Kind, wo soll ich die denn hernehmen? Ich bin doch froh, wenn ich für mein Frauchen eine Tafel mitbringen kann. Bis jetzt hab ich noch gar keine gesehen. Und Seife gibt es nur noch auf Karten. Damit ist es auch vorbei, genau wie mit Kaffee. Die Zeichnung von dem Schrank, die hast Du ganz groß hingekriegt. Ja, Bobi, hast Du auch symmetrisch zeichnen, in der Schule gelernt? Das fällt doch auch in das Fach. Gestern Abend war ich im Kino. "Bin gleich wieder da", so hieß der Film. Es war wieder mal etwas zum Lachen. Kennst Du den Film? Was hat der Mensch für ein Glück. Wenn ich doch auch mal so dumm gewesen wäre. Siehst Du, Dummheit ist doch nicht immer von Nachteil. Na ja, wenn Du jetzt auch so glücklich wärst, wie ich, dann wär ich beruhigt. Wie ist es denn mit Deiner letzten Hoffnung? Mein Schatzi, jetzt bring ich den Brief noch auf die Schreibstube und dann geht es in die Heia. Ich küsse Dich ganz herzinnigst und Deine Augen, Deinen Mund und sag ganz leise: "Gute Nacht, Bobi."

Dein Glücklicher Mann

 

 



Ansicht des Briefes

 

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