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Brief (Transkript)

Hellmuth H. an seine Familie am 23.02.1942 (3.2002.7139)

 

Nr. 82

23.2.42



M.l.B!

Heute ist ein besonderer Tag, nämlich der „Tag der roten Armee“ und der Geschützdonner war auch nachts stärker als sonst. Außerdem ist der Tag aber auch sonst noch bemerkenswert, weil ich heute seit sehr langer Zeit einen Rausch gehabt habe; der Grund ist ja nicht schwer erraten, wenn man bedenkt, daß ich einen eingewachsenen Nagel am großen Zeh hatte und der Rausch ein „örtlicher“ war, weil das Nagelausreißen sonst Unlustgefühle erregt. Der Tag ist mir aber trotz allem sympathisch, weil es mir heute glückte, 10 Farbfilme über die Division zu bestellen. Ach ja, und dann hast Du ja heute Geburtstag! Wo man sowas doch vergißt, wenn es nicht im Kalender steht!-
Inzwischen ist Deine lb. Matterhornkarte und der nachfolgende Brief, sowie ein Brief von Hörrle angekommen, den ich mitschicke. Also, es ist schon das Beste, wir warten mit Weiterem bis zu meiner Heimkehr. Hoffentlich hast Du nun einiges an Textilien bekommen. - Anbei sende ich die kleine Extrasache; es sind doch 2 Einzelergebnisse zu einem verschmolzen (das 2. kennst Du ja schon) Hoffentlich steigt sie nicht für das sonstige Verständnis zu tief in das psychologische Grundwasser. - Für Deine beiden Reklamebüchlein herzl. Dank. Ich kann mich wirklich nicht über Langeweile beklagen; nun haben wir auch seit einigen Tagen Radio im Flur, nicht doll, aber man hört grade noch die Melodie heraus und versteht Bruchstücke des Wehrmachtberichtes. Anbei schicke ich wieder einige Bücherwünsche, die Du „Dir“(!) erfüllen kannst. Du siehst, ich versuche, nicht zu verbauern, ich meine, Dich verbauern zu lassen (?!) . - Wer hat denn bloß von „sehr schmerzhaft“ bezüglich meiner Wunde geschrieben?! Weibliche Übertreibung! Was Genesungsurlaub angeht, so gibt es diesen nur von Heimatlazaretten aus, d.h. die Lazarette dürfen überhaupt nicht Urlaub geben, sondern nur bei der Ersatzeinheit befürworten, die ihn dann gibt, sobald man zu ihr kommt. Hier müßte das Feldlazarett bei der Fronttruppe Urlaub beantragen, und der wird höchstens bei - na bei wem wohl - bei Offizieren gelegentlich gewährt. -
Mit den beiden Befestigungssystemen auf der Krim seid Ihr 3 Doctores mittlerweile hoffentlich ins Klare gekommen, notfalls neulich durch meinen Brief; um es noch mal zu sagen: Die nördlichen Befestigungen fielen Ende September, nicht Ende Oktober! Und im September waren wir noch auf der Kinburn-Halbinsel südlich von Cherson.- Daß Du mir den Mund wäßrig machst, ist nicht hübsch von Dir; das sieht fast aus, als ob ich nicht nach Hause wollte! Ich würde aber tatsächlich bald nicht mehr, wie es in Wepritz zu Hause aussieht, wissen, wenn Du nicht immer so getreulich schreiben würdest. Und so bin ich Dir wieder für Deine genauen Ausmalungen von zu Hause dankbar.
Nun empfange am heutigen Tag, der - ganz leise ins Ohr gesagt - nur, weil an ihm mein liebes Beißerle zur Welt kam, für mich bedeutungsvoll ist, ganz besondere Grüße
von Deinem Hellmuth.
Was Du Dir von mir hast schenken lassen und daß Du den Geburtstag recht ordentlich gefeiert hast, werde ich hoffentlich bald erfahren.

Heute gehen wieder 80 RM. an Dich ab; in den letzten 2 Monaten 350 RM!

Zum Trost in die berechtigte Zerknirschung 2 politische Witze aus unserem Tataren-Wehrmachtskabarett, die aber vielleicht bei Euch schon längst "durch“ sind:
1.) Herr in der Straßenbahn schimpft auf alles: Verkehrsverhältnisse, Markensystem usw. Es wäre alles ein großer Saustall. Plötzlich zeigt Kriminalbeamter seine Marke u. will den Mann festlegen; er behauptet, nichts gesagt zu haben; der Kriminaler fragt den gegenübersitzenden Mann er hätte doch gehört usw.; der sagt, er hätte Zeitung gelesen und nichts gehört, der nächste sagt, er hätte zum Fenster rausgesehen u. nichts gehört, der dritte hat angeblich geschlafen, der vierte spielt den Taubstummen. Als bald darauf der erste Herr und der Kriminale aussteigen, sagt der Herr draußen zum Kriminalen triumphierend: ein Saustall ist es schon, aber es gibt doch Volksgemeinschaft!
2.) Italienischer Wehrmachtsbericht vom 30. 2.
Von unserer siegreichen Löwendivision wurde gestern in hartem Kampf ein Fahrrad erobert: das Vorderrad wurde unbrauchbar gemacht, das Hinterrad ging verloren, die Lenkstange befindet sich in unserer Hand, um den Rahmen wird noch gekämpft.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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