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Brief (Transkript)

Richard Wientzek an eine Bekannte am 07.12.1915 (3.2002.9073)

 

Schützengraben, d. 7/12.15.



Liebes Frl. Else!

Ihre lb. Karte dankend erhalten. Nun sind wir heut den 7. Tag im Graben und bleiben noch bis morgen abend da, dann machen wir 4 Tage ins Städtchen Comines. Jetzt waren wir 20 Tage unterwegs. Zuerst 8 Tage in Res. Stellung, dann 4 Tage in einer großen Wirtschaft und 8 Tage in der vordersten Linie. Liege hier noch mit einen Kameraden im Unterstand. Derselbe ist aber nicht pompen[?] sicher sogenannte Sommerwohnung. Haben auch ein Ofen, können nur des Nachts feuern. Die Tage gibt es ein fürchterliches Artilleriefeuer. Die Gräben und Unterstände wurden wieder eingeschossen, so daß man nicht mehr weiß, wo man sich verkriechen soll. Ja da heißt Tag und Nacht fest arbeiten und Wasser pumpen. Jetzt hatten wir auch sehr schlechtes Wetter. Am Tage das schönste Frühjahrs Wetter und die Nächte immer Regen. Mußte gestern mich aus dem Unterstand entfernen, da die schweren Granaten immer vor und hinter den Unterstand einschlugen. Bei der großen Kanonade haben wir sehr wenig Verluste, man staunt selbst darüber. Sonst fühl ich mich bei allen noch ganz wohl. Vor einigen Tagen war ich sehr krank, habe mich fürchterlich erkältet, und wollte mich schon ins Revier bemühen, aber dort ist auch nicht viel los und so habe ich mich selbst kuriert. Jetzt geht es schon wieder. Hier ist alles schön nur nicht krank werden oder sich melden. Mit meinen Weihnachts-Urlaub wird vorderhand auch nichts werden, denn zu den Feiertagen muß alles von Urlaub bei der Kompanie sein. Nun begnügt man sich schon mit denselben bis später, die Hauptsache ist, daß man wiedermal daheim fahren kann, wann bleibt sich gleich. Wo ich diesjahr Weihnachten feiern werde ist bis jetzt noch nicht bestimmt ob im Graben oder Comines. Meine lb. Eltern haben für mich ein Gesuch eingereicht damit ich eher an die Reihe dran komme. Auch einen neuen Regtsführer haben wir. Es ist ein aktiver Major, aber wie gesagt kein feiner. Der verlangt von uns unmenschliches. Ja jeder Befehl bei Militär muß ausgeführt werden. Alle Tage müssen welche zu den Engländern patrolie gehen und die ganze Nacht dort ohne Schutz liegen. Auch unser Hauptmann ist von der Kompanie fort und so sind wie ganz ohne Vater, so zu sagen ganz verlassen. Ein junge Leutnant führt die Kompanie.
Muß nun schließen denn der Bogen reicht nicht mehr aus.
Viele freundl. Grüße sendet Ihnen Ihr Richard Wientzek.
Bitte schreiben Sie wiedermal!
Meine Adresse ist jetzt kürzer: Batl. & Brig. ist überflüssig.

 

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