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Brief (Transkript)

Carl M. aus Oberweißbach an Familie M. nach Aachen am 11.09.1982

 

Oberweissbach, 11.9.82

Ihr lieben 4 M.s!

Euren hübschen, ausführlichen Brief vom 26.8. kann ich eben dankend bestätigen. Was seid Ihr doch für kühne Weltreisende! Und, welche Mühe macht Ihr Euch alle Schönheiten der Erde u. der Gottesnatur zu erschliessen? Ja. ja, wenn ich Eure Zeilen lese, wäre ich früher gewiß neidig geworden! Aber so werde ich an meine frühere Kindheit erinnert u.selbst zu dieser Zeit war ich ja immer im lieben Elternhaus angebunden u.habe hier meinen Brüdern Opfer über Opfer gebracht! Schreibt mir bitte Eure Reiseberichte und dabei Euer Schlemmerleben nicht mehr so ausführlich, es passt nicht im Alter und vor allen Dingen in unserer D.D.R. zu den abgeschliffenen Characktereigenschaften der Bewohnen! Dazu kommt auch noch, dass wir gerade in der Zeit, in der man sich Manches hätten gönnen können, in Feindesländern gezwunener Maßen Soldat spielen mussten! So ist meine Generation eben u.noch dazu bei uns hüben mißmutig, ja stubid geworden.
Bitte versteht meine Zeilen recht, ich will Euch damit keinesfalls zu Nahe treten!
Ich bin doch wirklich so gleichgültig u.amspruchslos geworden, dass mir in meinem Zustand überhaupt nichts mehr am Leben liegt!
Meine gute Maria war bis vergangenen Mittwoch wieder 4 Tage in Oberweissbach zu Besuch u.hat mich mit Essen p.p. wirklich verwöhnt. Ansonsten wurde alles gewaschen u.in Ordnung gebracht. Die Gute arbeitet an Sonntagen immer einige Tage voraus, um die weite Bahnfahrt ausnutzen zu können. Sie hat eine Menge Augustäpfel abgenommen ,eingekocht usw.usw. Ihr könnt Euch doch kaum vorstellen, wie es bei mir zugeht. Selbst kleine Handreichungen p.p. muss ich vorrichten lassen u.immer wird die Hand aufgehalten!. Franz u.Frau u.Tochter kommen mit Maria erst am 8.Okt.ds. wieder nach hier. Franzels Schwiegereltern haben an diesem Tage Goldene Hochzeit. Ich hatte ja auch vor mit meinem Lischen am 15.Okt.ds. das seltene Fest groß feiern zu wollen. “ Der Mensch denkt ----- Gott lenkt !“ Es wird eine betrübliche Zeit werden!
Meinen Bruder Heinz in Rudolstadt habe ich 6 Monate nicht gesehen. Wir sprechen höchstens ab u.an mal per Telefon zuammen. Heinz hat ja auch mit seinem Garten ,Haus u.Hund zu tun! Ihr lieben in Aachen, was habt Ihr auch für grosse Freude an Euren beiden Kindern? Wie erstrahlt da wohl das ganze Haus u. Umgebung? Gott erhalte Euch u. die Kinder immer hübsch gesund u. mobil!
Schicke Euch anbei wieder einen Freimarken-Umschlag, den Ihr gut erhalten möget. Entschuldigt bitte, wenn mein heutiger Brief etwas unbeabsichtigt- wehleidig ausgefallen ist , aber wenn man sich den ganzen Tag mit Niemandem erzählen kann, bleibt Einem nur noch der Fernseh Apparat.und jeden Abend vor dem Zubettgehen einge Glas Cognack.
Mit vielen, lieben Grüssen bin kch immer Euer alter Opa
Carl.

 

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