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Brief (Transkript)

Ida F. aus Schwartow an Werner M. nach West-Berlin am 04.01.1948

 

40. Brief Schwartow, am 4.1.1948

Mein heißgeliebter Werner!

Am Neujahrstage habe ich Dein liebes Glückwunsch-Telegramm und Deinen süßen und lieben Brief Nr. 45 vom 17. Dez. erhalten. Habe für Deine herzlichen und guten Worte und Zeilen recht, recht vielen Dank.
Mein Liebling, mein lieber, lieber Werner, mache Dir nicht unnötige Sorgen um mich, betreffs der Überfälle. Gewiß diese nehmen immer noch zu. In der Silvester-Nacht sind hier auf einem Bauernhof wieder sämtliche Hühner und Enten gestohlen worden, und auf einem anderen Gehöft 8 Gänse. Es ist ganz furchtbar. Aber hoffentlich brauch ich nicht mehr allzu lange hier bleiben. Abends gehe ich ja überhaupt nicht aus dem Hause, und wenn ich Sonntags zu meinen Eltern gehe, komme ich stets vor Einbruch der Dunkelheit hierher zurück und jedes Mal begleiten sie mich nach hier.
In einem kleinen Dorf, garnicht weit von hier, hat man 4 junge Burschen festgenommen. Diese überfielen täglich in den Wochen vor Weihnachten die Leute die aus Boizenburg vom Einkauf kamen. Die Fahrräder, der Einkauf und sogar Kleidungsstücke wurden den Opfern weg genommen. Und weißt Du wer die Räuber waren? Es waren die Söhne von Neubauern! Auf deren Konto sollen auch die meisten Viehdiebstähle kommen. Hier in dieser Einsamkeit ist es augenblicklich viel, viel schlimmer als in einer Großstadt. Hier liegen ja die Höfe so zerstreut, größtenteils wohnt jeder auf seinem Land und einer hört und sieht vom anderen nichts. Hört man des Abends oder Nachts die Hunde von fremden Gehöften bellen, dann zittert man und hofft und wünscht man, daß der eventuelle „nächtliche Besuch“ dort genug findet. Sehr viel macht ja auch die Nähe der Zonengrenze hier aus.
Gesundheitlich geht es mir gut, dasgleiche hoffe ich von Dir meinem Liebling ebenfalls.
Bei uns ist augenblicklich das reinste Frühlingswetter. Nun brauchst Du mein lieber, lieber Werner, doch noch nicht so sehr frieren. Die Brennerei in Greße steht auch zur Zeit still, denn sie haben weder Kohle noch Holz.
Mit den allerherzlichsten Sonntagsgrüßen und –küßen verbleibt Dir meinem über alles geliebten Werner, Deine Dir ewig treubleibende und sich immer nach Dir sehnende

Ida

 

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