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Brief (Transkript)

Walter A. aus Ellmendingen an Horst H. nach Ostdeutschland am 04.04.1958

 

Walter A. • Ellmendingen üb. Karlsruhe • [Straße und Hausnummer]

Ellmendingen 4. April 58.

Lieber Horst!

Nach längerer Pause drängt es mich, Dir einige Zeilen zu schreiben und ich bin gewiß, daß Du in Deiner Einsamkeit, wenn man so sagen kann, alle Lebensäußerungen aus Deiner Heimat dankbar begrüßest. Ich bin froh über den heutigen Karfreitag, denn ich habe den Segen, der vom Opfertode Jesu ausgeht, auch heute wieder kraftvoll verspüren dürfen. Offen gestanden war ich in letzter Zeit manchmal sehr niedergeschlagen. Vor allem die politischen Dinge waren es, die mir sehr zugesetzt haben. Wenn man tagtäglich mit ansehen muß, wie die westliche Welt ein Stück nach dem andern an den Kommunismus verliert und sich jeder ausrechnen kann, in wie viel Jahren auch wir in der Unfreiheit leben werden müssen und die antichristliche Weltherrschaft aufgerichtet sein wird, dann kann jedem, der den göttlichen Trost & Zuspruch und die Verheißungen nicht kennt, angst und bange werden. Man muß auch die gegenwärtige Arbeitslosigkeit in den USA und den Konjunkturrückgang unter diesen Aspekten sehen. Die Leute sind pessimistisch geworden, sie verlieren die Lust, sich große Anschaffungen zu machen, Geld in Projekte hineinzustecken usw. Kein Wunder, wenn sich heute schon viele Leute damit befassen, den Kommunismus stillschweigend zu akzeptieren, um eine kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden. Mann nennt so etwas „Aufweichung“, ähnliche Erfolge hatte Hitler seinerzeit mit der Besetzung Österreichs und der Tschechoslowakei. Selbstverständlich sind auch ernsthafte Leute im Westen nicht so töricht, zu glauben, daß man unter dem kommunistischen System nicht leben bzw. existieren könnte. Wenn es nur darum ginge, würde ich auch sagen: „Aufhören mit aller Rüstung und Starkmacherei. Wir wollen die atomare Vernichtung Deutschlands usw. vermeiden; darum laßt uns dem Kommunismus unterwerfen!“ Mit dieser Idee liebäugeln schon viele in der westlichen Hemisphäre, und dies wird voraussichtlich auch den Untergang des sogenannten „Kapitalismus“, der immerhin noch für individuelle Freiheit, Gedanken- und Gewissensfreiheit, verbürgt hat, herbeiführen.
Man sieht also daß der Satz, den K. Adenauer einmal ausgesprochen hat: „Diktatur verdirbt den Charakter“, schon eine Fernwirkung in den westl. Ländern hat, noch ehe die Diktatur in die betrf. Länder eingezogen ist. Denn alle wissen, was es bedeutet, - (in einem gewissen Grade) -, unter einer Diktatur seine Existenz behaupten zu wollen, nämlich: Gegen seine innere Überzeugung etwas mitzumachen, den Mund zu halten, bzw. das Gegenteil zu sagen von dem was man denkt.
Denunziationen, Spitzelei, Jugendweihe, Unwahrheit auf allen Gebieten. Es wird also sehr schwierig sein, seinen Charakter zu erhalten bzw. ein gutes Gewissen sich zu bewahren, ohne vom Räderwerk der Diktatur zermahlen zu werden. Sehr viele haben jetzt schon den inneren Schnitt vollzogen und wissen heute schon, wie sie sich verhalten werden, wenn das Paradies der Werktätigen auch bei uns Wirklichkeit sein wird. Ja jetzt schon sorgen sie vor, indem sie ja nichts schlechtes über den Kommunismus sagen, womit man sich nachher belasten könnten. Es ist viel ungefährlicher über Adenauer, die CDU und die Amerikaner zu schimpfen als etwas über die Russen zu sagen.
Siehst Du lieber Horst, das ist es, was mir und vielen ernsthaften Christen zu schaffen gemacht hat, vor allem die bange Frage: „Werde ich auch meinen Charakter verlieren und damit die ewige Seligkeit, wenn es einmal im antichristlichen Weltreich darum geht, entweder leidlich zu existieren, oder um der Wahrheit willen ausgelöscht zu werden. „Ihr seid das Salz der Erde“ hat Jesus einmal gesagt, und es ist für die Welt nicht bedeutungslos, ob dieses Salz einmal nicht mehr vorhanden sein wird, oder seine Würzkraft verloren haben wird.
Was hat dieses alles nun mit dem Karfreitag zu tun? – An jenem Tage schlug man den Sohn Gottes ans Kreuz, ihn, die Wahrheit – das Leben – den Frieden („denn Christus, er ist unser Friede“. Denke bitte immer an dieses Wort, wenn Du die Parole vom „Kampf um den Frieden“ hörst oder vielleicht selbst gebrauchen mußt.) Er hätte auch einen einfacheren und billigeren Weg gehen können. Aber er tat es um unseret willen, „auf daß wir durch ihn Frieden hätten und durch seine Wunden geheilt sind“ „Die Strafe, die wir verdient hätten liegt auf ihm“. Er trank den bitteren Kelch bis zur Neige aus und endete, - er, der Gerechte – als Übeltäter unter dem Gespött des damaligen Geschlechts. Aber es war der einzige Weg zu unserer Erlösung und er hat ihn vollendet und damit den Sieg behalten, den Sieg des guten Charakters – der Wahrheit, des Friedens, des Lebens usw. – über die Finsternis, die Ungerechtigkeit, den Satan. Eben dessen, nämlich des Teufels Triumph schien vollkommen; jetzt war er tot, der verhaßte Christus. Aber am dritten Tage ist Christus wieder auferstanden. Und mit ihm sind Millionen und aber Millionen zum Leben in Christo erwacht.
Dies ists, was mir dieser Karfreitag gezeigt hat: „Der Sieg Jesu Christi ist ein vollkommener Sieg und ist nicht aufzuhalten. Es ist unmöglich, daß ein Mensch, der die Wahrheit – den Frieden das Leben Jesu konsequent auslebt, selbst wenn er dafür sterben muß, ohne „göttlichen Samen“ sein wird; im Gegenteil, wenn der Triumph des Teufels vollkommen zu sein scheint (wie es auch sein wird im antichristlichen Weltreich) werden die Gräber der Gemordeten wieder aufgehen, und sie werden alle wieder erscheinen, alle auferstehen zum ewigen Leben. Dies wird eine große Stunde sein, wenn Christus dann mit all denen erscheinen wird, die „um das Wort des Zeugnisses“ willen gemordet wurden in den Wolken der Luft erscheinen wird, um mit der „bösen alten Schlange“ abzurechnen, und das „Tausendjährige Friedensreich“ aufrichten wird. Da werden die Menschen dann endlich das bekommen, wonach sie sich jahrelang vergeblich gesehnt haben: Vollkommenen Frieden (ohne Doppelzüngigkeit), Wahrheit (aber nicht „Prawda“), Freundschaft der Völker und vor allem wird die Liebe Gottes regieren. Lieber Horst! Ich kenne Deine innere Einstellung nicht; aber Gott kennt sie. Er sieht das Herz an, meines und Deines. Ich hoffe jedenfalls nicht, daß Du meine Zeilen für Phantasterei hältst. Freilich, rund 1 Milliarde Kommunisten scheinen heute dem oberflächlichen Beobachter die Möglichkeit eines Sieges Jesu Christi auszuschließen. Laß Dich nicht blenden! „Groß Macht und viel List, des Teufels grausam Rüstung ist!“ so hat schon Luther gesungen. Und im neuen Testament heißt es an einer Stelle: „Es soll nicht durch Heer und Macht geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr!“ Es ist für mich eine felsenfeste Gewißheit, daß Jesus am Kreuze dem Teufel und dem Tode die Macht genommen hat, und daß diese letzten „bösen“ Ereignisse, die unmittelbar vor uns liegen nur noch das letzte verzweifelte Ringen der Finsternis und des Teufels ist, soviel wie möglich noch mit sich in den Abgrund zu reißen.
Lieber Horst: Ich wüßte Dich so gerne in dem einen mit mir einig: „Aber der Herr ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünden willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Und so richtet er an uns beide heute die brennende Frage: „Das tat ich für Dich, was tust Du für mich?“

Herzlichen Gruß Dein Vetter Walter

 

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