Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Bekannte an Ehefrau Huber am 31.3.1943 (3.2002.7130)

 

[Nürnberg, 31.3.43.

Meine lb. Trudl!

Ich will mich nur mal erkundigen, wie es Euch Lieben in Pasing geht. Hoffentlich ist alles noch wohlauf und Euer Häuschen noch ganz. Schreibe also gelegentlich was so alles hin ist von der blöden Bombenwerferei. - Bei uns hat es ja auch gelangt! Es war der stärkste Angriff, den wir bisher erlebten. 130 – 140 Flugzeuge sollen es gewesen sein und haben 43000 Bomben abgeworfen. Der Gesamtschaden wird auf 1 Milliarde geschätzt. 70 Häuser sind total erledigt und 1600 sehr schwer beschädigt. 151 Betriebe sind stillgelegt. An Toten sind ca. (mit vielen Franzosen und Russen u. ausl. Arbeiterinnen) 1000 – 1200 zu verzeichnen. Sie haben diesmal alle Viertel bombardiert. Am schlimmsten schaute es in der Werderau aus. Die ganze Siedlung soll futsch sein. Dann das Gebiet ab Celtisplatz bis zur MAN und Gartenstadt. Das Trafowerk der SSW ist zerstört und ein Teil des Verwaltungsgebäudes (35 Milllionen Schaden!) das ganze MAN Verwaltungsgebäude und die Konstruktionsabteilungen, Adlerwerke in der Bahnhofstr., die Continentalwerke i.d. Marienstr., die Metzeler-Gummiwerke am Marientorgraben, das Elektrohaus Marientorgraben, Ecke Marienstr., der ganze Lampen-Giessing i. der Kohlengasse, zum Hallplatz vor versch. grosse Lagerhallen, der Soldan, der Salamander, der Pöhlmann, der Rosenkranz (Hüte), die Vereinsbank, Färberstr., u. unzählige Geschäfte in der Färber- u. Breitegasse, die ganze Mauthalle ganz zerstört mit vielen Geschäften, darunter das Möbelgeschäft Prasser mit ca. 300 Zimmern, der Mohrenkeller, Patritier-Gasthaus, das Corso-Cafe neben der Klarakirche, das Haus Wollworth, dann das Karlstr. Viertel, Gonnermann und Schmidt, das Neutorviertel, halt sämtl. Viertel von Nürnberg sind schwer mitgenommen. - Bei uns in Zabo ist (150 m. von uns weg) auch ein Viertel weg einfolge einer Luftmine. Wir sind noch glücklich davongekommen und mußten wenigstens nicht räumen. Unser Haus war _ abgedeckt, 8 Fensterstöcke aus den Mauern heraus, 29 Fensterscheiben hin, 6 Türen beschädigt, die Haustür war mittenentzwei, sämtl. Wände und Decken haben bandbreite Risse, Vorhangstangen und Vorhänge kaput und sonstige kle. Gegenstände. Wie das alles nach dem Angriff aussah, kannst Du Dir ja vorstellen. Ich mußte 8 Tage zu Hause bleiben, um den ganzen Dreck wieder hinauszubefördern. Wir haben zu Dritt wie Schwerarbeiter gearbeitet und nun ist Gott sei Dank alles wieder so einigermaßen in Schuß, natürlich nur provisorisch, auf einen Stukkateur und Schlosser müssen wir noch lange warten. Die großen Löcher in den Mauern haben wir einstweilen mit Holzwolle und Papier ausgestopft, damit es von außen nicht so reinzieht. - Mein Papa ist seit 14 Tagen in Vorarlberg zu Erholung, denn sein Herz wurde schon wieder schlechter, er hatte schon wieder 2 Herzanfälle auf den Angriff hinauf. Nun geht es ihm aber wieder besser u. hat 8 Wochen Urlaub gekriegt zum Erholen. Ich glaube, daß er bald keinen Dienst mehr machen kann. - Von meinem Bruder hörten wir seit Weihnachten nichts mehr. Er war seit anfangs November in Stalingrad eingeschlossen und sehr erkrankt an Magen- und Darmkolik, aber er kam einfach nicht ins Lazarett und mußte trotzdem die schweren Tage mitmachen. Von der Wehrmachtsstelle konnten wir bis heute nichts näheres erfahren, als nur das eine, daß er in keinem Lazarett eingeliefert wurde. Wir müssen eben eine lange Geduld haben! Der Schwager von Luise v. Praun, ein Studienrat Preissler ist mit meinem Bruder immer zusammen gewesen (seit der Ausbildung an) aber sie hören auch nichts mehr. Es ist schon hart immer in der Ungewißheit zu leben, was mit dem Schicksal v. Karl ist. Seine Gattin hat am 22.12. einen Stammhalter gekriegt (das 3. Kind). Der Kleine macht sich sehr gut (Papa war Pate und ist nach meinem Bruder getauft worden, auf dessen Wunsch hin). Aber die Nachricht wird er nicht mehr bekommen haben. Es kommen fast alle Briefe ab November zurück mit dem Vermerk „unzustellbar“. - Anny Mengers Mann ist gefallen. Sie ist wieder in Bruck b. Erlangen bei ihren Eltern, sie hat ein Mädelchen von 3 _ Jahren. Tillys Mann ist auch wieder im Osten um Charkow herum u. sie wird im Juni entbinden. Nur kann man halt heute die Freude, die mal unsere Mütter bei den Erstgeborenen hatten, bei diesen Zeiten leider nicht mehr haben, da man ja in dauernder Sorge um seinen Gatten lebt. Ihre Mutter wird zu ihr fahren und einige Monate oben bleiben. Lenchens Mann wird demnächst auch eingezogen. - Nun lb. Trudel, schreibe bald wie es Dir und Deinen Lieben geht, auch Deiner Mama, Gisl und Mandi, gell? Aber unseren Humor verlieren wir trotz all dem Schweren, was jetzt ein jeder mitmachen muß nicht, das wäre ja gelacht, was? - Im Sommer (Juni oder Juli) werde ich in den hl. Bund der Ehe eintreten. Ich habe um ein Schlafzimmer eingereicht, nun war schon so ein hoher Beamter da und frug, ob nicht meine Mama ihr Bett hergeben kann!!!!!!! Man kann einfach nicht mehr reden. Ich glaube noch nicht daran, nachdem jetzt so viele Fliegergeschädigte zuerst berücksichtigt werden müssen. Ich habe z. dem Beamten gesagt, wenn ich kein Schlafzimmer kriege, dann werd ich mich auch nicht bevölkerungspolitisch bemühen. - Sonst geht es Mama und mir gut und ich ärgere mich noch einige Zeit weiter mit den narrischen Uhus am Theater herum. Das Theater geht weiter, so oder so. Das Schauspielhaus mußte 8 Tage schließen, die Schadensbehebung hätte ja noch länger gedauert, aber der Intendant und die Schauspieler haben nämlich tatkräftig mitgearbeitet. Sie haben mit eigenen Händen den Dreck raus, dafür sind sie dann öffentlich belobigt worden durch die Presse!!!! Das Velodrom ist nur noch Schutt und Asche, es war voll v. hochwertigen Dekorationen vom Theater. Sonst sind noch weitere 5 Dek. Lager verbrannt. Die Aufregung war schrecklich und derweil kriegen sie ja wieder alles, denn das ist auch ein kriegswichtiger Betrieb. - Nun lb. Trudl, sei recht vielmals gegrüßt, auch von meiner Mama und meinem Alfred, der auch noch ganz ist von Deiner Emmy
Viele Grüße an Deine lb. Mann, Gisela u. Mandi

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top