Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Karl Schwegler am 5.10.1939 (3.2002.7504)

 

Niedrzwica, am 5.10.1939.



Liebes Dornröschen!

Gestern nachmittag, ich war gerade dabei einen Brief zu schreiben, kam Feldpost an. Ich bekam Dein Päckchen. Meine Überraschung war groß. Und herzlichen Dank möchte ich Dir sagen, für diese Freude, die Du mir damit gemacht hast. Es ist schön zu wissen, daß auch daheim an uns die wir fern der Heimat sind, gedacht wird. Und wenn daheim in unserem Deutschland alle so tapfer, so hoffnungsvoll und mutig sind, wie Du bist, kann kommen was will, der Sieg ist uns dann immer gewiß. Deine Zeilen [...] auch meinen Kameraden lesen. Und alle stimmten mir bei, wenn es daheim so aussieht, kann es uns draußen gar nicht dick genug kommen.
Für die Süßigkeit meinen besonderen Dank. Das gibt für uns immer einen Festtag, wenn so etwas entritt. Solang wir in Polen sind bekamen wir derartiges nicht zu Gesicht. Dieses Land ist ja so arm, und kommt man mal in ein Städtchen, ist es von den zurückflutenden Polen ausgeplündert oder bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
Ich glaube, daß es Dich interessiert, wenn ich Dir hier einiges von meinen Erlebnissen hier in Polen mitteile.
Am 1.9. begann unser Marsch nach Osten. Nördlich Leuthen überschritten wir die Grenze. Nun ging es Tag für Tag bei gleißender Hitze, oft auch nachts hinter dem flüchtenden Feind her. Über Pilliza – Miehow – Piesgow ging es quer durch Galizien. Bei Lusko-Gdwi die ersten Leichenfelder. Stognika – Nasgow. – Der 11.9. Ein blutiger Tag. Bei Osiek, das ist ein kleiner Ort kurz vor der Weichsel, begegneten wir dem 1. größeren Widerstand und die Polen wollten den Weichselübergang halten. Doch unsere Kampfkraft zwang sie am 2. Tag unter erheblichen Verlusten zum Rückzug.
Bei Tarno setzten wir über die Weichsel. Brücken gab es längst keine mehr. Doch unseren Pionieren machte dies wenig aus. Weiter über Stala – Grebow – Nisko – Rudnik über den San nach Bilgorey. Diese ganze Stadt ist abgebrannt. Rudka – Tomaszow. Dort waren wir am weitesten im Osten und zugleich eine unserer größten Schlachten. Wir schrieben den 20.9. der Krieg ist aus, hieß es. Wir traten sogleich den Rückmarsch an. Aber unsere Ruhe war von kurzer Dauer. Bis zum 30.9. hatten wir fast alle Tage noch Gefechte. Nur einige Orte: Zamosc, Terespol (dort 4 ½ Divisionen Gefangene) – Janow – Szarstarka (bei Krasnik) – Dzwola. Am 30.9. Wir hatten Biwak. Nun muß doch gleich Schluß sein dachte jeder. Da Alarm! Einer Meldung nach war eine Panzerabwehr-Abtlg. (es waren Augsburger) in Dzwola von polnischer Kavallerie schwerstens bedroht. Wir eilten sofort zur Hilfe, denn Artillerie hören die Polen nicht gern. Aber 30 km hatten wir zu machen. Bis auf 5 km kamen wir heran. Wir brauchten nicht mehr zu helfen. Russische Panzerstreitkräfte hatten unsere Kameraden befreit. Am selben Tag bekam ich die ersten russischen Soldaten zu sehen. So eigenartig es klingt. Ein freundliches grüßen und winken auf beiden Seiten. Wir hoch zu Roß, die anderen im Panzerwagen.
Seit diesem Tag haben wir einigermaßen Ruhe. Heute sind wir 15 km südlich Lublin. Wie wir erfuhren, bleiben wir vorläufig als Besatzungstruppe. Das ist eben Pech, wenn wir nicht nach Hause kommen, 70 km nördlich Lublin werden wir wahrscheinlich den Winter verbringen. Nun muß ich aber schließen. Seiten könnte ich füllen. Ich bräuchte nur die nötige Zeit dazu. Wollen wir hoffen, daß den Engländern doch noch ein Licht aufgeht, wenn nicht, wir werden unserem Führer folgen, wohin es auch sein soll.
Nochmals herzlichen Dank. Alles Gute und viele Grüße Dir und Deinen Eltern

Karl Schwegler

 

top