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Brief (Transkript)

Ernst Emmerich an seine Eltern am 26.03.1915 (3.2011.3530)

 

Horodnica bei Horodenka. 26.III.


Also am Dnjester liegen wir nun, und lassen seine gelben Fluten vorüberwälzen u. warten, ob auf der jenseitigen gerade so kahlen Höhe (besser Hochfläche) sich ein Russe zeigt. - Das ist eine andere Sache hier als in den Karpaten; fruchtbarer Boden, dicht bevölkert – Spuren von Kultur (einer hat in einem verlassenen Hause den Faust und den Werther unter vielen andern Büchern gefunden). Häuser mit Blechdächern z. T. sogar Ziegeldächern. Die Leute sind großenteils recht sauber und anständig, während sie in den Karpatendörfern schlimmer wie Tiere waren. Schönes Wetter hatten wir in den letzten Tagen auch. Es geht einem also gut. - Gestern 10, heute 9 Eier zum Frühstück. Wurst aus den endlich angelangten Weihnachtspacketen. Die Wäsche drin kam sehr gelegen; nun fehlt nur noch dringend wenigstens eine Reservebrille. Dank Eurer ausgezeichneten Verpackung war alles! (bis auf Tante Lieschens Äpfel) in bester Verfassung. Man hat sich also mal sehr gründlich satt gegessen, u. die Wurst wird noch ein bis zwei Tage weiter reichen. - Die Komp. liefert übrigens jetzt auch mehr, mal Speck, mal ein Schnippelchen Wurst, sogar im Frühstück Schinken haben wir neulich „empfangen“.
Von unsrer letzten Stellung aus, wo wir mit Abständen von 20-30 Schritt den Russen gegenüber lagen, wurden wir plötzlich im Lastauto abgeholt und kamen schließlich hierher, wo aber die Russen den weichenden Östreichern nicht so gefolgt waren wie man erwartete, sodaß wir so nötig gar nicht waren. - Was ich neulich über die Östreicher schrieb ist ganz richtig: teils miserable, teils ausgezeichnete Truppen. Ein actives ungarisches Regiment (165) mit dem wir neulich zusammen lagen, hat sich z. B. ausgezeichnet geschlagen und vorgestern einen russischen Angriff sehr blutig abgewiesen: Die toten Russen hätten so hoch gelegen wie der Drahtverhau, sagt das – stets übertreibende – Gerücht. - Weniger anmutig lautet die umherschwirrende Nachricht vom Falle Przemyls; das kann uns bös zu schaffen machen: Das Belagerungsheer und 30-40 000 gefangene Russen frei! und – nehmts mal wieder! - Nun es doch Frühling wird, kommts doch voraussichtlich zu größeren Operationen.
Überhaupt leben wir hier in großer Spannung: was wird mit Warschau? was wird Italien tun? In der neusten Zeitung vom 18. III ist noch keine Andeutung zu finden.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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