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Brief (Transkript)

Ernst Emmerich an seine Eltern am 31.03.1915 (3.2011.3530)

 

Horodnica 31.III.1915


Damit Ihr einmal seht, wie seltsam Eure Klagen über mein Elend manchmal ankommen, muß ich wieder mal ein wahres Geschichtchen erzählen. - Gestern Morgen nämlich, als unsere „Eierpatrouille“ wieder beim Juden war, um unser Frühstück zu besorgen – unter 10 Eiern zum Frühstück u. dem nötigen Schmalzbrot dazu tuts Keiner mehr (das Stück kostet 5 Heller!) - bot man derselben Kalbfleisch an ([...] 36 Heller.) 13[...] nahmen sie mit; die wurden dann gebraten, und so etwa 25 Hütes dazu hergestellt, sodaß wir 12 Mann uns (nach! dem 10 Eierfrühstück) recht schön satt essen konnten, zumal es vom Abend noch Backpflaumen aus den Kochkesseln als Nachtisch gab. Dann trank man ein paar Becher Kaffee (zum Frühstück gabs Kakao) aß einen Bissen Brot dazu (es hatte ja jeder 2 Laiber) rauchte eine Emmerische Weihnachtszigarre, u. begab sich zur wohlverdienten Ruhe (es konnte sich nämlich keiner mehr regen.) - Als man uns dann um 5 Uhr weckte, kam Post, die wir zum frisch bereiteten Kaffee lasen. - Da fand ich nun einen Brief vom 24. III vor, in dem steht, daß Ihr so wenig Brot habt, u. daß Ihr die Kartoffeln für Rudes Hütes von Blaus habt holen müssen. Ein sonderbares Zusammentreffen! - Nun, am Abend kamen wir in den Schützengraben, d. h. in die hübschen, von den Östreichern gebauten Unterstände, die nicht viel schlechter sind als Karpathen-Bauernstuben, dagegen den Vorzug frischer Luft haben.
Ein paar Stunden lang bauten wir noch an einem Drahthindernis halb im Wasser des Dnjester, dann verhängte ich meine „Haustür“ mit der Zeltbahn, steckte mir ein Licht in meiner „Bude“ an, und las noch ein Stündchen den Aufsatz im „Tag“ über die Fr. V. V. (freie Vaterländische Vereinigung). - Dann schlief ich unter meiner Wolldecke bis 5. Um 6 Uhr gabs Kaffee, dazu östreichischen Zwieback; um 9 Uhr 10 (gestern gekochte) Eier mit Schmalzbrot; dazu von einem Kameraden ein Brot mit echt Braunschweiger Knackwurst (Thymian drin u.s.w. ausgezeichnet). - Dann steckte ich mir eine gestern erhaltenen „Rabenstein“ an, deren Duft aus dem ganzen Schützengraben aufsteigt. Da kam – weil heute keine Sonne scheint, u. der Tag ein wenig kühl ist – von der Kompagnie noch für Jeden eine Flasche „Flüssigkeit“, Rum, Kümmel, Korn, Käuterbitter etc etc zur Auswahl. So steht dann neben mir als „Heizung für die Bude“ ein Halbliterfläschchen „Weichsel“, den ich mir aus Neugierde ausgesucht habe. - Ihr werdet staunen, daß ich rauche und trinke; daran sind aber die vermaledeiten Karpathen schuld, die meine bis dahin streng festgehaltenen Grundsätze gebrochen haben. -
Es sind also mal wieder gute Zeiten hier draußen, wie es in den Karpathen schlechte waren. Immer Extreme sind es – ein Mittelmaß – etwa ausreichende Verpflegung bei mäßigen Strapazen – giebt es nicht. - Um auf die frische Luft im Schützengraben zurückzukommen. Wir alle schlafen bei einigermaßen trockenem Wetter jetzt lieber draußen als in der Stube, weil man nämlich durch den ständigen Aufenthalt im Freien – manchmal 5 Tage u. 5 Nächte – so an gute Luft gewöhnt ist, daß man im Zimmer fast ans Ersticken gerät. Den weiteren Vorteil, daß die „Bienen“ oder „Russen“, die Rudi so gequält haben, die frische Luft weniger vertragen u. daher nicht so überhand nehmen, wissen wir auch sehr zu schätzen; die Plage ist also so arg auch nicht mehr.
Wie die Geschichte mit den Eiern zeigt, ist die Gegend übrigens recht fruchtbar, die Bevölkerung wohlhabend, auch körperlich kräftig u. gesund. -
Die Sauberkeit als erster Anfang verfeinerter Kultur hat ihren Einzug gehalten; und am Palmsonntag war es eine wahre Freude die Leute in ihrem wunderbaren aber nicht unschönen Staat zur Kirche pilgern zu sehen, aus der dann sogar mehrstimmiger Gesang erscholl. -
Glaubs schon, daß die Russen Galizien haben möchten – eine wahre Kornkammer. Dem Volksstamm, der Religion und der geographischen Lage nach gehörts ja im Grunde auch dazu. - Nun noch einzelnes: Erkältet bin ich nicht. Hygiama habe ich genug. Stützel aus Heinrichs befindet sich, leicht erkältet sonst wohl, bei der Kompagnie; er ist viel mit mir zusammen gewesen. Heim, auch leicht erkrankt, bei der Bagage. Unteroff. Götze zurück wegen Krankheit. - So nun weiß ich im Augenblick nichts mehr als Grüße. Ich will mir Euer „Pökelfleisch mit Sauerkraut“ zu Mittag heiß machen, da die Kochkisten erst Abends kommen. Dafür ist das Beweiöfchen[?].
Ernst.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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