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Brief (Transkript)

Richard Degener an seine Ehefrau am 24.10.1914 (3.2009.2238)

 

St. Hilaire, 24.10.14


10/ 3 Wochen vor seinem Tod [andere Handschrift]
Mein liebes Gretel!
Ich erhielt heute Deinen Brief vom 20.10., 2 Pakete mit Strümpfen & Handschuhen sowie den Brief Deiner Mutter vom 16.10. Wieder vielen Dank für Deine Fürsorge. Als ich Deinen Brief in die Hand nahm, dachte ich mir: „Photographien“ und hob ihn für zuletzt auf. Leider waren es noch keine Photographien. Na, ich bin überzeugt, daß Du mir so bald als möglich Bilder schickst. Wegen Kostüm und Kleider schrieb ich Dir schon vorgestern. Gestern hatte ich keine Zeit, Dir zu schreiben. Vormittags Dienst und nachmittags Standgericht als Richter. Das erste Mal, daß ich als Richter fungierte. Am 27.10. wieder. Es ist nicht angenehm, im Felde urteilen zu müssen. Die Strafen sind zum Teil furchtbar hart. Gestern wars Diebstahl, das nächste Mal Gehorsamsverweigerung.
Ich habe Dir heute nach 6 Tagen wieder mal telegraphiert, da ich nun weiß, wie sehr doch ein Telegramm erfreut, werde ich noch öfter telegraphieren. Nebenbei, ich habe schon so oft als möglich in letzter Zeit telegraphiert. Während ich schreibe, wird unser Dorf beschossen durch feindliche Artillerie Das ist gar nicht so schlimm als man immer denkt. Heute werden wir das 3. Mal beschossen. Noch nichts passiert, auch bei andern Truppen.
Morgen ziehen wir aber um. Auf der Lôtz[?] wurden wir andauernd beschossen – nichts passiert, wenigstens bei meiner Kompanie! Du siehst, so furchtbar schlimm ists gar nicht.
Nun unser Kindel. Es hat also vorderhand wenigstens, blaue Augen & schwarze Haare, wie wir es uns immer gewünscht. Wirds noch anders, ist ja auch kein Schade. Du beschreibst, es ist groß, groß & schlank wie wir beide also. Famos. Nun sorge nur, daß Du & Lorle gesund bleibt[?], damit ich bei meiner Rückkehr meine Freude an Euch habe. Sorge für Deine Kleidung, wie ich auch schon schrieb. Wenn Du mich allerdings auf dem Bahnhofe empfängst, werde ich so richtig wie ein Feldsoldat aussehen. Das ist schon jetzt der Fall. Wie werde ich mich freuen und stolz sein, wenn ich Eure Photographien erhalten werde & zeigen kann, Du glaubst nicht, wie ich mich auf den Tag freue. Es ist ja noch das Einzige, das ich vorderhand von unserem Kinde haben werde. Wies mal sein wird, wenn ich erst wieder zu Hause bin, kann ich mir noch nicht recht vorstellen. Hoffen wir, daß wir Weihnachten zusammen feiern können. Ich glaube jedoch nicht mehr daran. Siegen werden wir wohl, aber so schnell? Die Hauptsache ist doch siegen und für uns beide, daß ich heil zurückkomme & Dich & unser Kind gesund & kräftig vorfinde. Einmal wird doch Friede.
Also nur die Hoffnung nicht verloren.
Grüße nun Deine & meine Eltern und sage Deiner Mutter vorderhand meinen Dank für Ihren Brief, der mich sehr erfreute. Wenn Du diesen Brief erhälst, habe ich vielleicht das Bild von Dir & Lorle schon in den Händen. Wird das eine Freude für mich sein. Leb wohl, mein Liebes. Küsse & Grüße mir unser Kind & nimm selbst innige Grüße & Küsse von Deinem
Richard

 

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