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Brief (Transkript)

Richard Degener an seine Ehefrau am 16.11.1914 (3.2009.2238)

 

vor Ypern, d. 16.XI.14.


11/ (geschrieben 1 Tag vor Tod) [andere Handschrift]
Mein liebes Gretel!
Die letzten Karten schrieb ich Dir aus dem Schützengraben, waren daher ein bissel kurz & bündig. Hoffentlich hast Du sie erhalten. Am 15. allerdings kam ich nicht zum Schreiben. Ich hoffte nun beim Zurückkommen Post von Dir zu haben, bestimmt; aber nein, es ist noch keine Post fürs Bataillon gekommen. Danke, seit 26.10. weiß ich nun nicht, wie es Dir uns dem Lorle geht, ist das abscheulich! Herren von der Infanterie allerdings sagen, sie hätten seit Anfang Oktober keine Nachricht mehr. Da kann ich mich immer noch glücklich schätzen. 3 Tage habe ich jetzt von Kommißbrot & Schweinefett gelebt, die Nacht als ich zurückkam, hatten mir die Kameraden Leber aufgehoben. Als ich sie gegessen hatte, mußte ich alles wieder von mir geben. Trotzdem fühlte ich mich wohl. Kurz nach mir erhielt auch mein Hauptmann der früheren Komp. Vorgestern ist mein älterer Kamerad dazu eingegeben. Hier ist ein furchtbarer Dreck. 20 cm tief sinkt man zum größten Teil ein beim Gehen. Von den übrigen Kriegsschrecken soll ich gar nicht reden! Es wird aber wohl bald die Entscheidung fallen. Langsam gehts, aber es geht vorwärts. Ich möchte wissen, was zu Hause über Ypern geschrieben wird, Ihr könnt Euch die Zustände hier gar nicht vorstellen; ich war beim Einrücken von oben bis unten voll Dreck. Mein geliebtes Gretel, was soll ich Dir nun noch schreiben. Vom Kriege nichts! Ich kann Dir nur immer wieder sagen, es gibt keinen, der nicht sehnlichst das Ende des Krieges herbeisehnte. Keiner mehr als ich. Wir reden immer von der Möglichkeit eines Friedens und glauben selbst nicht recht daran. Wie oft sprechen wir und denken wir an die Freude bei der Heimkehr. Mein Lieb, könnten wir beide doch erst daran denken und uns auf die Stunde des Wiedersehens freuen. Und ich kann dann endlich Dein und mein Kind sehen. Es muß doch zu schön sein, wenn wir beide erst wieder in unserem schönen Zuhause weilen können. Als Drittes im Bunde das Lorle, das wohl noch gar nicht in unserer Wohnung war. Ich habe nun keine Ahnung, wie man mit einem Kinde umgeht. Läßt Du es jetzt schon an die Luft fahren? All die Freude an den ersten Tagen eines geliebten Kindes habe ich nun nicht. Umso schöner wird es später sein, und das muß uns trösten. Also mutig[?] ausharren. So leb dann Wohl. Dir, mein Lieb, und unserem Lorle alles Gute wünschend grüße & küsse ich Euch beide herzlichst.
Dein Richard
Sage Deinen & meinen Eltern sowie Allen, sie sollen es nicht übelnehmen, wenn ich in diesem Tagen nicht schreibe, ich komme nicht dazu. Grüße alle herzlichst.

 

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