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Brief (Transkript)

Küngolt R. aus Dorfmark an Wendelgard R. nach Halle/Saale am 12.06.1952

 

Dorfmark, den 12.6.1952

Meine liebe Wendelgard!
Über Deinen lieben Brief mit dem Bildchen von Ingo habe ich mich ganz tüchtig gefreut! Vielen Dank. Was ist Ingo doch für ein süßer Bengel, ich war einfach hell entzückt. Und dieses Entzücken wurde von Schwester Maria geteilt und bestärkt. Immer wieder hat sie mir erzählt, hat mit ihren Gemeindeschwester-Augen natürlich auch gleich gesehen, daß er nicht nur niedlich, sondern auch prächtig erzogen ist und …. (und nun fängt das Lob auf seine Mutter an, das ich aus pädagogischen Gründen nicht wiederhole) Hast Du die dicken Tücher von Schwester Maria bekommen? Hier ist nun die Ankündigung für Euere Nr. 2. Gefällt sie Euch so?
Wie geht es Tante Dora? Hast Du mal wegen des Mantels gefragt? Habt Ihr schöne Tage da gehabt? Und nächste Woche geht es ja dann in den Urlaub. Dafür wünsche ich Euch schönes Wetter, daß Ihr draußen sein könnt, und Ingo draußen spielen und ein kleines Negerlein werden kann. Wenn Du so von seinem Märchen-erzählen schreibst, höre ich ihn richtig vor mir. So ist er mir auch ganz lebendig, während ich die andern ja nun mal wieder richtig gesehen habe.
In Aachen war ich bis über Pfingsten. Anne ist die alte und immer fröhlich und hat mich rührend versorgt. Der kleine Meinhart ist nun schon im 2. Schuljahr, ein ganz heller Bursche, der, da der Rektor denen, die keine Fehler machen, eher freigibt, ungefähr jeden Tag früher nach Hause kommt. Roswithchen hat ein ganz anderes Gesichtchen, ist aber auch ein süßes und kluges Mädchen. Wir haben nachmittags immer Spaziergänge gemacht. Als dann Meinhart kam, war die ganze Familie selig.
Withchen zerdrückte beim Samstags-kaffee schon ein Tränchen, weil der Papa schon am Dienstag wieder fortmußte. Mit ihm waren natürlich die Spaziergänge extra schön. Dienstag sind wir dann zusammen nach Köln gefahren. So war das eine sehr nette Zeit in Aachen.
Hier werde ich nach allen Regeln der Kunst verwöhnt, wie das Schwester Maria so immer macht. Sie bekommt wohl ein paar weiße Haare dazu, bleibt aber sonst immer die gleiche, das ist einfach wunderbar. Leider war meistens das Wetter nicht schön, sodaß man nicht viel draußen liegen konnte oder jedenfalls ganz dick eingepackt sein mußte. Dabei habe ich dann viel gelesen. Und außer Deinen und einem Scherenschnitt zu einer Hochzeit habe ich sonst nichts getan, also noch viel weniger, als ich in mein an sich schon klein gehaltenes Ferienprogramm aufgenommen hatte. Nun, das macht ja nichts. Gestern hatte ich dann noch eine große Freude, als nachmittags H.s mit ihren beiden Kindern kamen und mich mit nach Soltau nahmen und auch wieder zurück. Die beiden kleinen H. sind beide fast weißblond und haben blitzblaue große Augen, waren aber trotzdem schön braun vom Spielen draußen. Von Lore bekam ich auch letzthin ein Bild von sich und den Kindern. So kann ich mir doch jetzt wieder mal all die um mich herum heranwachsende Jugend gut vorstellen. Schade, daß ich kein Haus habe und sie als „Ferientante“ mal um mich herum versammeln kann.
Am Samstag fahre ich nach Siegburg, mache da mal ein bischen Inventur, nehme das Wichtigste unter den Arm, und dann geht’s über Stuttgart wieder nach „Hause“. (Wenn das nur erstmal irgendwo wahr würde!)
Von Frau R. und Frau W. viele Grüße und alles Gute. Und auch von mir, und Euch allen ganz herzliche Grüße von Eurer Küngolt.

 

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