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Brief (Transkript)

Marta aus Magdeburg an Horst H. nach Stuttgart am 14.04.1964

 

Magdeburg, d 14.4.64

Mein lieber Horst!

Für Deinen grossen Brief herzlichsten Dank ich freue mich immer, wenn Post von Dir kommt. Ich schrieb Dir, dass ich schon einige Male den Gottesdienst über den Deutschlandfunk gehört habe unteranderem auch aus der Stiftskirche. Das lieber Horst kann ich natürlich nur, wenn ich Sonn- oder Festtags mal zuhause bin und das kommt leider leider nur zu selten vor! Empfangen tu ich den Sender gut er schwindet manchmal ein wenig das aber macht nichts. Sonntag abends bin ich meist immer daheim und da höre ich dann immer die Sendung „Von mir zu Dir“ Da ich Deine Einstellung zur Kirche kenne habe ich manchmal auch daran gedacht: ob Du in der Kirche anwesent sein könntest – es war aber nur ein Gedanke da Stuttgart ja viele Kirchen hat weiss ich ja nicht ob Du eine bevorzugst – nun ich das aber weiss ist es ein sehr schöner Gedanke Dich unter den Andächtigen zu wissen!
Ebenfalls schön finde ich: das Du an allem Anteil nimmst was in Deiner Stadt vor sich geht „dass“ spricht eine berete Sprache. Von mir muss ich sagen: das ich vielleicht gern dasselbe täte – über alles liebe ich Gottes freie Natur – leider leider fehlt mir die Zeit und wenn ich von der Arbeit heim komme bin ich zu müde. Im Sommer gehe ich dann öfter mal zum Friedhof und bringe ein paar Blumen auf meine Gräber.
Bezüglich der Renovierung meiner Wohnung irrst Du Dich Horst! Es ist schon 4 Jahre her und nun wurde es höchste Zeit. Es wäre schon lange vergessen, aber der Maler hat mich im vorigen Jahr sitzen lassen und jetzt habe ich einen anderen bekommen. Du glaubst nicht Horst was das für Schwierigkeiten macht! Die Handwerker wollen ja gleich die ganze Wohnung machen – um ein Zimmer kommen die garnicht. Die Renovierung von Wohnzimmer und Koridor kostete 150,- DM. dazu kamm dann noch eine neue Übergardine – ein paar neue Lampenschirme – eine neue Schlafdecke und so verstehen sich die 300,- DM.
Ja Horst 300,- M ausgegeben sind sie gar schnell aber sparen vom Gehalt, dass ist viel schwerer! Um meinen Urlaub mach Dir keine Sorgen, der kann so bleiben ich fahre voraussichtlich nach Meiningen/Thr. und da kann ich immer kommen! Was ich nicht begreife Horst – ist das mit Deinem Vater. Wie kann man nur in dem Zusammenhang das Wort Zuchthaus und Verbrecher aussprechen – als Vater – und wo er Deine Menthalitäten kennt! Daran siehst Du mal wieder, der grösste Teil der Menschen hat kein Verständnis für seine Mitmenschen, in allem wird nur das schmutzigste gesehen. ich kenne das! Schon vor 40 Jahren kannte ich einige Menschen mit Euren Menthalitäten, dazu gehörte auch mein Heinz – Du kennst ihn ja – unter diesen war ein Junge namens Tino. Seine Eltern wussten auch von nichts! Tino war so ein lieber Mensch und ich besass sein volles Vertrauen doch er konnte mit dem Leben nicht vertig werden und schied eines Tages freiwillig aus dem Leben – er war wie Du – seiner Eltern einziges Kind! Wer von uns hat ein Recht mit Steinen auf den Anderen zu werfen noch ist unser Leben nicht zu Ende gelebt und keiner weiss vor welchen Problemen er selbst eines Tages stehen kann. Darum sage ich: urteile – und verurteile nicht – keiner von uns hat dazu ein Recht! Helfen sollen wir unseren Mitmenschen – jeden Tag eine gute Tat und sei es, dass ich einen erblindeten Menschen über die Strasse führe ganz gleich was oder wie aber hilf und stosse niemand in den Abgrund! Möge sich Dein Vater besinnen! Dein Muttchen tut mir leid! Sie steht zwischen Euch und hat den schwersten Stand und hat doch schon so viel Herzeleid getragen. Ja Horst jeder trägt auf dieser Erde sein Kreuz, je mehr Kreuz je leichter ist der Weg in die Ewigkeit! Ich hoffe und wünsche das Allerbeste für Dich, Du bist alt genug und musst Deinen Weg kenne!
An Bodo habe ich zum 10.4. Geburtstagsgrüsse gesant auch in Deinem Namen da ich annehme, dass das angegebene Datum sein Geburtsdatum ist. Sollte ich mich geirrt haben, wird er mir sicher schreiben. Zigaretten habe ich ihm auch geschickt, bis jetzt ist nichts zurück gekommen.
Ich wünsche nur, dass er alles gut übersteht. Nun möchte ich dir noch sagen: das ich mich sehr auf den Mantel freue und wünsche mir nur: das er schön passt!
So Horst nun aber dann – draussen liegt Leber, die zum Abendessen gebraten werden muss. Es ist 19.30 darum sage ich Dir eine Liebe gute Nacht bald gehe ich schlafen!
Grüsse mir bitte recht lieb Dein Muttchen ebenfalls meinen Vetter Waldemar, den ich dann im nächsten Jahr erwarte und sei auch Du recht von Herzen gegrusst von

Deiner Marta.

 

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