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Brief (Transkript)

Marta aus Magdeburg an Horst H. nach Stuttgart am 20.02.1964

 

Mein lieber Horst!

Heute ist Donnerstag der 20.2.64 es war mein freier Tag. Seit einer Woche arbeite ich wieder. Es sehr schwer wieder in Gang zu kommen denn es saß ziemlich fest und – „man wird ja immer älter!
So Horst – nun laß Dich erst einmal recht lieb drücken. Dein kleines Bild liegt vor mir und Du hast mir ja damit eine große Freude bereitet. Scheinst mir etwas schmaler im Gesicht zu sein und so ein innerer Ernst schaut aus Deinen Augen – aber ansonsten sowie ich Dich in Erinnerung habe!
Für Deine lieben Zeilen danke ich natürlich ebenfalls herzlich.
Mit deiner Anschauhung im Bezug auf Mensch und Welten, hast Du nur zu Recht. Niemals wuch’s soviel Unkraut wie jetzt! Man belügt sich – man betrügt sich, der Neid wäch’st ins uferlose! Neid aber ist – und war – schon immer die Wurzel alles Übels! Wo Horst – wo ist die Liebe unter den Menschen – wo ist sie geblieben! Einmal "vor 20 Jahren" glaubte ich: die Not hätte die Menschen zu einem unlösbarem Stück zusammen geschweiß, aber wie sehr, wie bitter wurde ich entteuscht! Ich kam vor 20 Jahren aus dem Ausland – aus unsagbarem Leid und schwer geprüft, in die Heimat zurück. Ich hatte Gott im Herzen – nicht auf der Zunge – und hatte in Polen vielen – vielen Menschen geholfen und nur mein Glaube machte mich stark! Heim gekommen schmiß mich daß Schicksal völlig zu Boden! Alles aber auch alles war weg – Mutter – Vater – Bruder – und ich nackt und blos!
O. Gott – o. Gott fragte ich: warum – warum hast Du mir das angetan, ich hatte dich doch immer lieb!
Die Menschen aber Horst – die Menschen scheinen mir zur Bestie geworden! Ich zog mich 2 volle Jahre zurück, ging meiner Arbeit nach und lebte nur den Schmerz, der mein Herz ganz stumm gemacht hatte und nun Horst kaufte ich mir Blumen – beim Gärner war ich die beste Kundin an ihre Reinheit und Schönheit freute ich mich und ihnen schenkte ich meine ganze Liebe! An einem Heiligen Abend stand ich im Säulengang des Domes, an die Mauer gepreßt und hörte den Gottesdienst der Dom war überfüllt, da fragte ich mich: Warum versucht man hier Gott nah zu sein und im Leben kennt man ihn nicht? Langsam begriff ich, daß das Leben weitergeht und man mit den Menschen leben muß!
Die Liebe aber Horst – Warheit und Treue sind Gäste, die es bei einem großen Teil unserer heutigen Menschen nicht mehr giebt. Ich bin ganz für Deine Art und halte es im Leben auch so, allezeit sag’ mir die Warheit was es auch sei – bitte nicht lügen und belügen zwischen Menschen, die sich alles sein wollen muß Aufrichtigkeit vorherrschen tut es auch manchmal weh die Achtung aber für den Anderen überwiegt alles!
Das Leben schreibt oft tiefe Runen und sie begleiten Dich ein Leben lang, Dein Platz aber ist bestimmt an dem Du stehen wirst. Deiner Natur entsprechent wirst Du Dein Leben formen Gott wird Dir auch Wünsche erfüllen gegen seinen Willen! Oft erbittest Du etwas, stöhnst unter dem was dir schwer und als Kreuz erscheint, handelst impulsiv – unüberlegt – manchmal sogar ohne auf die Stimme zu hören, die sich in Deinem Inneren meldet, tja und etwas später fühlst du dann: es war falsch! Auch dann muß man aufrichtig und ehrlich sein und nicht mit anderen, sondern mit sich selbst zu Rate gehen.
So ist es auch mit unserem Bodo! Der Verstand kommt nicht vor den Jahren „sagt man“! Er möchte mit dem Kopf durch die Wand und verletzt nur sich dabei: Seine Wünsche erzwingen kann man nicht, auch nicht mit Gewalt ich verurteile deshalb Bodo nicht sondern ich will versuchen ihm zu helfen, wenn er wieder da ist und es mir vergönnt sein wird: Wie Du aus meinem letzten Brief erfahren hast, kamen unsere Briefe zurück und mir sind die Hände gebunden, ich kann nichts für ihn tun sei es zu seinem Geburtstag, auf die Gefahr hin, daß auch das zurück kommt.
Kommen dürfte er wohl frühestens Ende d.J. d.h. also, daß Dein Freund Bodo nicht antreffen wird, wenn er ja kommt.
So mein lieber Horst, daß wär ein langer Brief für Heute. Der Abend ist hereingebrochen, es ist 20.00. Noch schnell zu Abend essen und dann schnell ins Bett denn Morgen beginnt wieder die schwere Arbeit.
Dir aber mein lieber Horst – Deinem lieben Muttchen und Deinem lieben Freund sage ich lieb – bis zum nächsten Brief –

eine gute Nacht
Deine Marta.

 

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