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Brief (Transkript)

Friedel H. aus Gotha an Charlotte M. nach Göttingen am 29.07.1989

 

Gotha, am 29.07.1989

Liebe C h a r l o t t e !

Beim Schreiben des heutigen Datums fällt mir ein, daß ich nunmehr genau acht Jahre hier wohne, und ich kann sagen, daß ich den Umzug, wenn er auch mit einigen unangenehmen Begleiterscheinungen verbunden war, wie z.B. die Kosten, nicht bereue. Ich habe kein Beton-Gegenüber, fast nur Grünes. Auch die Nachbarschaft ist erträglich und verträglich. Während meiner Krankheit im vorigen Jahr habe ich auch sehr viel Hilfe gehabt, so daß ich eigentlich kaum einmal das Gefühl des Alleinseins gehabt habe.

Doch heute möchte ich mich meiner Schreibschulden entledigen und mich für Deinen Brief vom 11.06.1989 bedanken – nebst Inhalt. Mein Ostseeurlaub hat mir gut getan. Auch die kleinen Reisen in den letzten Wochen haben mir weiteren Auftrieb gegeben, vor allem in bezug auf meinen Gesundheitszustand. Natürlich weiß ich, daß ich mein Asthma nicht wieder los werde, aber ich versuche, damit zu leben. Die letzte ärztliche Untersuchung hatte jedenfalls ein positives Ergebnis.

An Goslar kann ich mich noch entsinnen. Es war mit Herrn B. 1978 oder 1979. Was Wetter war s-ehr trübe. Trotzdem haben mich wie immer die Fachwerkhäuser fasziniert. Ich habe schon oft die Frage gestellt, was ich wohl für einen Beruf wählen würde, wenn ich in dieser Zeit bei uns leben würde. Vor 15 oder 20 Jahren war es der Beruf der Kunstgewerblerin oder Gärtnerin. Heute wäre es der Stadtarchitekt oder Innenarchitekt. Aber das sind Phantastereien, man wird nur unzufrieden. Trotzdem tut mir jedes Haus weh, das abgerissen wird. Etwas mehr perspektivisches Denken in der Vergangenheit, hätte manches Haus noch erhalten können. Unser ehemaliges Gassenviertel ist zwar nach Meinung der heutigen Experten sehr schön geworden, es ist jedenfalls nicht „uniformiert“, aber das Romantische fehlt jetzt. Es ist nur gut, daß es in der DDR noch andere Beispiele gibt, wie Quedlinburg und andere Kleinstädte im Harz.

In den nächsten Monaten stehen noch einige Kurzreisen auf dem Plan. Auch mit meinen Rentnern war ich im Juni unterwegs und zwar im Raum Eisenach. Die Gegend hat allen sehr gut gefallen. Es ist nur immer schade, daß ich nicht alle mitnehmen kann. Für einen Bus sind es zu viel Rentner in unserem Wohnbezirk und für zwei Busse sind es zu wenig Rentner. Die Plätze müssen ja voll bezahlt werden. Vielleicht ist es im nächsten Jahr etwas günstiger.

In bezug auf die Miniaturhandarbeiten habe ich zwar sehr viel Ideen, leider fehlt es an den passenden Rähmchen. So ab und zu bekomme ich zwar welche, aber nicht immer passen die Farben und die Formen. Ich benutze diese Arbeiten, um kleine Geschenke zu machen. Auch bei uns ist es möglich, diese Sachen den Kunstgewerbegeschäften anzubieten. Dazu braucht man aber eine Genehmigung vom örtlichen Staatsorgan bzw. vom Rat des Kreises. Das möchte ich aber nicht.

Nun habe ich mich doch einmal zusammengerissen und mit meinen Memoiren angefangen. Der erste Abschnitt soll „Meine Kindheit“ umfassen. Ich habe zwar diesen Abschnitt schon zweimal geschrieben, aber immer kommen mir neue Gedanken und Erlebnisse, so daß mein ursprüngliches Vorhaben, Dir die erste Konzeption zu schicken mit dem heutigen Brief, noch nicht verwirklicht werden kann.

Natürlich steht in diesem Zusammenhang die Frage, ob Du überhaupt Wert darauf legt. Wie ich durch verschiedene „Ereignisse“ in bezug auf H.M. mitbekommen habe, wird auch von dieser Seite etwas geschrieben. I c h lege jedenfalls keinen Wert auf weitere „Besuche“ von dieser Seite aus. Ich wohne jetzt fast 44 Jahre in Gotha und noch niemals hat es einer meiner Brüder für notwendig (oder würdig) gehalten, mich mal zu besuchen, wenn ich von den Besuchen in meiner Wohnung, so lange meine Mutter bei mir wohnte, absehe. Es gibt eine Reihe von Erscheinungen, die mich wieder an das Jahr 1987 denken lassen. Aber damit möchte ich Dich nicht belästigen.
Ich kann nur sagen, daß keine Gelegenheit ausgelassen wurde, mich zu diskriminieren, sei es am Biertisch oder in den Verwandtschaften, sogar bis nach Georgenthal ist es gegangen.

Ich habe nur einen Wunsch: sehr s-chnell sterben! Um niemanden zur Last zu liegen!

Die Briefmarken habe ich alle an Dieter geschickt.

Noch etwas zur Rätselei. Nach wie vor löse ich diese. Es ist aber selbstverständlich, daß die von Dir einen andern Inhalt haben und daß diese demzufolge schwerer für mich zu lösen sind. Aber ich lege sie dann immer mal wieder weg und habe sie am Ende doch gelöst. Es fällt mir z.B. immer schwer, die Apostel und andere biblische Gestalten zu ermitteln. Oder die amerikanischen Schauspieler als weiteres Beispiel, die ich kaum kenne. Vielleicht ist es eine Bildungslücke, die ich aber so schnell nicht s-chließen kann. Das Rätseln ist des öfteren meine „Nachtarbeit“, wenn ich nach einem Asthmaanfall nicht gleich wieder einschlafen kann.

Für heute soll es alles sein. Es grüßt herzlich

Friedel

 

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