3.4.1990

Liebe Anne!

Vielen Dank für Deine Zeilen und gleich Antwort wegen der Adresse: Frau Christa S. [Adresse] Sie ist gerade 1 Woche in England, gestern war ich in Schieder (36 km entfernt jetzt) und habe sie besucht, herrlich auf der Terrasse gesessen. Heute habe ich wieder gearbeitet, 7-12, 3 Tage diese Woche, das geht ganz gut so, diese Arbeit ist nicht ganz so schwer wie im Altenheim, aber traurige Fälle! Jedenfalls hat alles sich ganz gut angelassen bei uns hier in der neuen Bleibe. Ob wir es vor dem Urlaub nochmal schaffen, nach Berlin zu kommen, ist noch ungewiß – Ulrich liebäugelt mit Dresden – Moritzburg – Elbsandsteingebirge – ab Himmelfahrt hätten wir einige Tage frei dafür. Ob man da die Schumänner belästigen könnte? Das Telefonieren ist ja aussichtslos von hier aus – man kommt garnicht in’s Netz herein, ob früh mittag oder abend – alles besetzt!
Diese Woche wollen wir nochmal zu Tine, Ulrich arbeitet zwar morgens ab 6.00, aber bis Bielefeld ist’s von hier aus nicht so weit. Ja, Deine Zeilen klangen, wie alle Briefe, die uns aus der DDR zur Zeit erreichen, ziemlich beklommen – der Optimismus und das Besinnen auf die eigene Kraft sind wohl völlig abhanden gekommen – hier ist auch alles nur durch Arbeit entstanden, warum packt man es nicht an und barmt nur wegen der Hilfsgelder – es fällt keiner durchs Netz, dafür hat man lange genug nach der Einheit Deutschlands von hier aus gewerkelt!
Für uns hier wird es eine teure Sache, aber das hat man wohl nicht so geahnt, was alles in der DDR desolat ist – nämlich alles! gemessen am hiesigen Standard. Also, hofft nur, daß es nur besser werden kann, die Talsohle ist zwar noch nicht erreicht, aber es geht ja auch nicht alles über Nacht – doch das weißt Du ja auch. Also – weiter Ohren steif halten und abwarten –

bloß nicht wieder das alte Regime ans Ruder lassen! Viele liebe

Grüße. Deine Pimpinella. Wann kommst Du mal?