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Brief (Transkript)

Erika D. aus Schieder an Annegret S. nach Ost-Berlin am 15.04.1965

 

Schieder, 15.4.1965

Meine liebe Anne!

Der Brief an Dich liegt mir seit langem schwer auf der Seele und ich hoffe, daß Du ihn noch in Leipzig erreichst. Wie schade, daß damals die Hefte nicht angekommen sind, ich wage nicht mehr, irgendetwas Gedrucktes zu schicken, aber vielleicht nimmt sie mal jemand mit. Kann denn Mutti schon mal hierher kommen? Oder hat sie noch nicht das so begehrte Rentenalter erreicht? Wenn ja, dann muß sie auf jeden Fall, wenn es irgend einzurichten geht, bei uns reinschauen. Mit meinem Berlinbesuch wird es auch nichts mehr, weil die gute Tante Hilde nach Hamburg verzogen ist, ich hatte mich schon bei ihr angemeldet, da schrieb sie aus Hamburg! Es wäre so schön gewesen und ich hatte schon solche Rosinen – alles für die Katze. Uli war ganz froh, daß ich nicht fahren konnte, er fand es doch zu riskant und bei den jetzigen Mätzchen ist es sicher auch kein reines Vergnügen. Ja, da müssen wir nun auf noch bessere Zeiten warten, ehe wir uns wiedersehen. Mit einem Päckchen an Dich hat es auch nicht geklappt – Du wirst auch denken – lauter leere Versprechungen und nichts dahinter, aber irgendwann klappt es schon, es fehlt selbst an den paar Mark im Moment. Im letzten Vierteljahr hatten wir auch zuviel Neuanschaffungen, d.h. die alten Schulden für Möbel etc. waren bezahlt und nun haben wir wieder neue Schulden. Zum Glück liehen uns meine Schwiegereltern das Geld und wir können es dann bequem wieder zurückgeben. Na ja, es geht aber schön vorwärts und jedes neue Stück in der Wohnung freut uns dann auch sehr. Das Eßzimmer hat einen neuen Teppich – dunkeltürkis mit wenig petrol, gelb, schwarz, passend zu den Teakholzmöbeln – Stühle sind helltürkis bezogen, dann haben wir lauter Reste an Dekostoff gekauft und ein altes Bett in eine tolle Couch verwandelt. Uli hat dabei tüchtig geschimpft, aber als das gute Stück fertig war, war er doch ganz stolz – Farbe dunkler Rand – am Untergestell, oben auf den Matratzen eine Decke in orange hellgrün türkis, blaugrün in großen Karos, dazu orangerote Übergardinen, der ganze Spaß für 20.-, unsere alten Stores aus Weimar machen sich gut dazu, einige Löcher haben sie schon, aber 1 Wäsche müssen sie noch mitmachen. Das Kinderzimmer bekommt auch ein paar neue Stücke, ein Bett für Jörg, das am Tage als Liege offen bleibt, dazu ein passender Schrank und ein Bettkasten, alles in hellen Farben, aber mit Kunststoffolie bezogen, wegen des Abwaschens.
Vorige Woche hatten wir die Maler da, die endlich Flur und Kinderzimmer renovierten, seit wir hier eingezogen sind, war es schon nötig, nun strahlt alles in neuem Glanz und man freut sich, daß es nun endlich wieder schön ist. In der Küche prangt eine Waschmaschine, die wir im Hinblick auf den Familienzuwachs sehr nötig fanden, sie kam vor 8 Tagen und Uli hat das ganze Wochenende mit Begeisterung gewaschen!! So ein Apparat ist ja wirklich sehr praktisch und bei der Windelwäsche habe ich dann keine Last mehr mit großen Waschtöpfen und Qualm in der Küche. Du siehst, der Wohlstand bricht langsam über uns herein. – Gesundheitlich geht es uns allen ganz gut, Uli ist wieder sehr abgespannt und freut sich auf die paar Tage zum Ausruhen. Wenn er an die Zeiten in Apolda denkt, fragt er sich, wie er den Tag so herum gebracht hat, hier kommt er oft abends ½ 8 nach Hause und hat irrsinnig zu tun, dafür gibt natürlich auch mehr Geld und die Sache macht ihm viel Spaß. Jörg ist mit seinen 4 Jahren ein großer Frechdachs, immer das letzte Wort und nur vom frühen morgen bis zum späten Abend an die Luft. Wenn es mal regnet liest er Bilderbücher oder malt die Wände voll, das geht mal ½ Tag gut, aber dann ist die arme Mami dran mit erzählen, basteln, tuschen, vorlesen. Hoffentlich wird er nicht eifersüchtig wenn das Baby erst da ist und für ihn dann nicht mehr soviel Zeit.
Neulich haben wir mal Bilder abgezogen, aber die Verwandten haben alles kassiert, die beiden Aufnahmen sind der schäbige Rest, wir wollen uns aber am Sonnabend hinsetzen und wieder fleißig sein, damit wir selbst Alben voll kriegen. Zum Glück haben wir ja alle Filme gerettet und auch die Dias, die wir oft ansehen.
Ja, liebe Anne, daß wäre es für heute mal wieder ganz ausführlich, ich hoffe, daß es allen Deinen Lieben leidlich geht und Ihr alle ein recht schönes Ostern verleben könnt. Die neuesten Familiennachrichten über Bärbel und auch Inge waren doch sehr erfreulich, was macht der große Charmeur Carle? Ganz liebe und herzliche Grüße an Alle und besonders an die Mutti, die hoffentlich den Osterputz gut überstanden hat und nicht wieder in’s Bett muß, wenn alle schön feiern wollen (bei uns zu Hause ist es ja ähnlich!). Bis zum nächsten Brief dann also, laß Dich schön verwöhnen zu Hause und sei lieb gegrüßt von Deiner Erika
mit Uli und Jörg.

 

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