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Brief (Transkript)

Richard H. aus Waiblingen an Alfred W. nach Leipzig am 22.12.1947

 

Waiblingen, 22.12.47.

Lieber Alfred nebst Frau u. Töchterchen!

Ich habe zuletzt Deinen Bericht über die erfolgreiche Bettenreise beantwortet. Das geschah schon von Waiblingen aus. Nun weiß ich nicht wie lange die Post von hier nach Sachsen und zurück geht. Aber mir wurde gesagt, daß das mitunter recht lange dauert. Vielleicht hast Du auch wirklich wenig Zeit. Ich hoffe indeß, daß unser Briefwechsel nicht abreißt. Ich kann Dir mitteilen, daß uns heut das dicke Bettenpaket vollzählig erreichte. Meine Frau konnte sie dort nicht selbst abholen, weil sie schon seit ein paar Wochen mit Bärbel hier ist. Jedenfalls kam alles gut an und wir freuen uns natürlich sehr, daß alles so gut gegangen ist, umsomehr, als wir jetzt mitten im 1. Winter zu Hause stecken und unsere Wohnung noch ohne Ofen ist. Mit der Wohnung war das eine Katastrophe. Denn nachdem ich schon den Zuzug nach hier nur mit großer Mühe bekommen hatte, spreizte sich der Wohnungskommissar. Das ist hier ein strammer CDU-Mann und der hat natürlich kein Interesse an pol. Verfolgten, zumal auf unser polizeilichen Anmeldung in Spalte Religion „ohne“ vermerkt war. Inzwischen habe ich die Stadt verklagen müssen, daß sie meinen Zuzug mit Familie anerkennt und mir entsprechenden Wohnraum zuweist. Ich erhielt durch einstweilige Verfügung 2 Zimmer. Meine Sache steht aber günstig, so daß ich gewinnen werde. Die Militärregierung ist auch informiert, denn der Herr soll nicht denken, daß er mit uns machen kann was er will. Natürlich gibt es dadurch viel Lauferei und Ärger, aber wo gibt es den nicht. Ich bin jedenfalls froh, daß ich den Umzug gewagt habe, denn in der Arbeit gefällt es mir ganz gut. In Liekwegen wäre ich ja versauert. Zwar hatte mir Heini B. dort eine Parteistelle in Hannover angeboten, aber da lief bereits die Waiblinger Sache und ich wollte nun einmal, wenn irgend möglich, den Anschluß im Beruf nicht verlieren. Das wäre Zweifellos der Fall gewesen, wenn ich mich jetzt anders entschieden hätte. Ich gehe in die Partei und werde auch in der Gewerkschaft so aktiv wie möglich sein. Auch meiner Frau und Bärbel gefällt es hier ganz gut, weil die Wohnung besser ist und es sich auch mit den Möbeln machen wird. Jedenfalls hab für Deine Mühe mit den Betten nochmals vielen Dank. Du hast uns einen ganz großen Gefallen getan. Schreib auch was wir Dir schuldig sind, damit wir Dir wenigstens die Unkosten bezahlen können. Wir sandten am 13.12. ein Päckchen. Leider geht es nicht schwerer. Wir würden uns freuen, wenn Ihr es in gutem Zustand empfangt.
Ich werde heut auch an Max (Walter R.) schreiben, damit er sich einmal für meinen kl. vermißten Bruder interessiert. Erich G. war eine Niete. Dem hab ich darum mehrmals geschrieben. Jedoch hat er mich nur einmal auf später vertröstet. Das war alles!
Mit früheren Genossen aus Breslau bin ich wieder in guter Verbindung. Einige sind in Halle. Andere in Erfurt und manche verstreut.
Toni H. schrieb, dass er zu Hause ist. Auch Sepp G. hat aus Aaken an der Elbe geschrieben. Sein 2. Fluchtversuch ist geglückt im Kohlenzug aus dem Saargebiet nach Mannheim. Natürlich freue ich mich sehr mit ihm über den guten Erfolg. Mit Willi H. habe ich wieder gesprochen. Nächstens will ich ihn besuchen. K.s haben heut für Bärbel ein Paket mit Gebäk und Spielsachen geschickt. Natürlich war die Freude groß.
Daß es in London schief ging war vorauszusehen. Man muß abwarten wie es weiter geht. Ganz klar ist, daß das allgemeine Kriegsgequatsche nur einen Sinn hat, wenn Amerika der Angreifer ist. Zu einer solchen Logik will sich aber niemand bekennen. Schreib mit bitte genaues über Eure Rationen. Hier wird auch darüber wieder viel gequatscht. Ich glaube, daß mancher von unseren Bisertaleuten Weihnachten gern an unserem Kurs und kl. Feiern denken werden. Glücklicherweise habe ich in Stuttgart die [?]-Stelle aufdeckt und bereits sehr gute und seltene Sachen kaufen können. Wenn in unserer Wohnung ein Ofen sein wird komme ich auch wieder mehr zum Lesen.
Nun lieber Alfred, ich hoffe, daß Du die ersten Weihnachten wieder zu Hause im Kreise Deiner Lieben recht froh und zufrieden verbringen wirst. Wir wünschen Euch von ganzem Herzen alles Gute und ein frohes neues Jahr.
Ich wohne ja mit meinem Bruder in einem Hause und die Eltern kommen uns besuchen, so daß es auch ganz schön sein wird.
Für heut mit vielen herzlichen Grüßen an Euch drei,
Dein Freund Richard, Erna u. Bärbel.

 

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