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Brief (Transkript)

Richard H. aus Liekwegen an Alfred W. nach Leipzig am 07.10.1947

 

Liekwegen, 7.10.47.

Lieber Alfred!

Deinen Br. vom 10. erhielt ich mit vielem Dank am 22.9. Inzwischen war ich während der Herbstferien mit Frau u. Kind ein paar Tage bei Verwandten in Ostfriesland. Wir mußten sehen, wie dort die Kartoffeln wachsen und ich muß sagen, es hat sich gelohnt. Anfang Sept. war ich in Waiblingen bei Stuttgart, denn ich hatte mich auf Rat meines Bruders bei Daimler-Benz beworben und dort vorgestellt. Bei der Fa. hat auch alles nach Wunsch geklappt. Die Hauptschwierigkeit ist die Zuzugsgenehmigung. Aber ich habe alle entsprechenden Stellen bearbeitet und nun läuft der entsprechende Antrag seinen Gang und ich erwarte tägl. Bescheid. Hier hatte mich Heini B. einmal besucht aber nicht angetroffen. Wir haben ihn dann am 14.9. in Hannover besucht. Er wollte mir zu einer Stellung in der Partei in Hannover verhelfen. Ich würde aber Stuttgart vorziehen und muß den Bescheid von dort abwarten. Daraus ersiehst Du, daß ich noch ohne Arbeit bin und meine Nase in Bücher und Zeitschriften stecken kann, die ich mir auch hier zu beschaffen weiß. Du bist mir also in Punkto Arbeit eine volle Nasenlänge voraus und ich muß annehmen, daß Du jetzt bereits auf der Meisterschule Deinen Wissensdurst stillst. Ich bin überzeugt, daß auch die finanzielle Seite befriedigend gelöst wird. Ich habe von Waiblingen aus Golf B., der in [?] auf E.’s Stube lag und Otto K., Frankenbach, besucht. Bei letzterem habe ich übernachtet. Ich habe bei der Gelegenheit seine sehr patente Frau und den Jungen kennengelernt. Wir haben auch an vergangene Tage und an Dich gedacht, denn es stand ausreichend selbstgemachter Apfel-Süßmost und gutes Essen zur Verfügung. Er ist nicht mehr in ärztl. Behandlung. Mit Hilfe von O.d.F. hat er sich einen eigenen neuen LKW „Krupp“ 4,5 t. für 25 [?] gekauft und ein eigenes Gewerbe als Fuhrunternehmer gegründet. Du siehst, daß auch in diesem Falle mehr Unternehmungsgeist offenbar wird, als wir drüben annehmen konnten. Allerdings ist er sonst inaktiv, weil jetzt die Jüngeren was leisten müssen. (!)
Bei den Funkern muß man bedenken, daß in ihren Reihen nicht nur Kommunisten sind, sonst würden sich die Kommissare erübrigen. Wenn die notwendige Zusammenarbeit unten nicht immer erreicht wird, klappt es dafür oben umsobesser. Bei einem Vergleich von hüben und drüben, wird das erst richtig offenbar. An Dr. P.s Stelle treten fünf andere, dann ist alles gut. Uns machen sie nichts vor. Wir wissen, was besser ist, auch in punkto Verpflegung. Bei einem Karten-Vergleich muß man beachten, daß ihr Perioden von 10 Tagen und wir von 4 Wochen haben.
Deine Büchersorgen teile ich gern und vollkommen. In Stuttgart haben mir „Kollegen“ gesagt, daß sich das Zentrum des graphischen Gewerbes von Leipzig nach Stuttgart verlagert hat. Der Reclam-Verlag soll von Reparationsleistungen besonders hart betroffen sein? Ich bin überzeugt, daß Du Deine Vorsätze im Beruf voll erfüllst und wünsche Dir dazu viel Glück.
Was kostet denn die Lenin-Ausgabe? Ich lese noch das „Neue Deutschland“, Berlin und regelmäßig die Halbmonatsschrift „Neue Welt“ im Aufbau-Verlag, die ich Dir sehr empfehlen kann. An Elementar-Heften habe ich mir auch bereits eine ganze Reihe anschaffen können. Für London sehe ich wie Du schwarz und die 2. Alternative Deiner Aussichten scheint die wahrscheinlichere zu sein. Die Schwierigkeiten bei Euch kenne ich gut und in Bezug auf Kohle ist es leider so wie Du schreibst. Bei der momentanen Ruhr- und Bergmannspolitik besteht auch keine Aussicht auf Besserung.
Gehe mit B.s Wasserkopf nicht zu hart um. Demnächst habe ich womöglich auch einen dann werde ich obendrein noch „rot“. Mit der Parteiflaute kann es bei Euch nicht schlimmer sein als bei uns. In meiner Ortsgruppe war seit meinem Hiersein nicht eine einzige Sitzung. Am 19.10. öffentl. Parteiversammlung! Unter solchen Umständen muß man erwarten, daß nicht einmal alle Mitglieder erscheinen. Ich habe bereits mit meinem Vorsitzenden von VVN gesprochen um Mitgl. zu werden. Ausweise können bei […weitere Briefseite fehlt]

 

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