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Brief (Transkript)

Rudolf Rothe an seine Eltern und Geschwister, am 13.7.1944 (3.2002.0973)

 

Rußland, den 13. Juli 1944



Liebe Eltern, Geschwister, Verwandtschaft, Kinder u. Hunde.

Nun macht Ihr große Augen was? Sicher kommt manch einer im ersten Moment auf den Gedanken, ich bin auf einer Schreibstube gelandet aber mit nichten. Ich bin immer noch da, wo ich bisher war. Nur etwas hat sich geändert, ich bin nämlich ein furchtbar fauler Hund geworden. Seit Tagen liegen 2 Briefe bei mir und warten auf ihre Beantwortung, aber wie ihr ja selbst wißt, wird man immer fauler, je mehr Zeit man hat. So auch bei mir. Nun hat aber Liesel Gestern Abend geschrieben, das bei Ursel und Heenerich wieder mal was Kleines angekommen ist und zwar ein Junge mit Namen H E L M U T ! Heini, ist Er denn auch so dick wie Hellmut Gutschmidt? Sicher noch nicht ganz so! Von Euch selber habe ich ja noch keine Nachricht darüber, ich will aber trotz alledem schon vorneweg recht recht herzlich gratulieren und dem Jungen und auch Euch alles Glück wünschen. Groß und Stark soll Er werden, mindestens 500 Jahre alt und jeden Tag 3 Pfund zunehmen. (Wenn das nun kein anständiger Wunsch ist, dann weiß ich es auch nicht.) Hoffentlich ist alles glatt gegangen und Mutter und Kind sind wohlauf. Nun ist es bei Rothes jun. genau wie bei sen. damals Det Mächen is die Älteste und dann kommen die Jungs, die Zahl stimmt auch haargenau. Jetzt will ich erst mal dankeschön sagen für die beiden Briefe vom 18.6. und 21.6. Wie Euch Liesel sicher schon mitgeteilt hat, ist in meiner Kante hier noch immer die schönste Ruhe (toi toi toi) Wir sind vielleicht von de Socken, daß man uns hier solange in himmlischer Ruhe liegen läßt. Sonst ging es doch nie ohne uns und wo was los war, da mußten wir hin. Jetzt stinkt es ganz gewaltig im Mittelabschnitt und wir sind immer noch hier. Ich will damit aber nicht etwa sagen, daß uns das nicht paßt, im Gegenteil, wir möchten schon ganz gerne bis zum Kriegsende hier liegen in unserer Sommerfrische. Es ist aber auch zu schön hier, alle Tage mal ein Schuß eigene Ari und sonst Totenstille. Das schließt nun natürlich nicht aus, daß es in den nächsten 5 Minuten auch hier losgeht. Im Westen geht es ja nun auch hoch her und ebenso in Italien, wir sind eben mal wieder auf der ganzen Linie am Siegen. V 1. Hm ist ja ganz schön, was nutzt das aber, wenn Ihr dafür die Terror-Angriffe um so mehr zu spüren bekommt. Aber es ist schon die Wahrheit, das immer nur der dämliche Arbeiter die ganze Last zu tragen hat, und so wird es ewig ewig bleiben.
Wie sieht es denn momentan mit den Krankeitsfällen aus, mit Alfred Greizu, Onkel Maxe und Onkel Georg? Ich hoffe das sich die Hauptsachen inzwischen wesentlich gebessert haben. Jetzt krank zu werden ist eine wenig angenehme Angelegenheit, denn welcher Arzt kümmert sich wohl Heute in der Heimat um seine Patienten so, wie es sich gehört. Die haben ja auch keine zeit dazu und dann sind auch die, die etwas verstehen davon eingezogen zum Militär und der Ausschuß läuft zu Hause rum. Am besten ist es schon, garnicht erst krank zu werden, denn auch in Friedenszeiten taugt die beste Krankheit nischt nich. Onkel Org hatte sogar einen Schlaganfall, na ich dankeschön, wenn das garnichts ist. Ich dachte das bekommen nur ganz alte Leute und nun fängt Jörge Rothe schon im besten Alter damit an. Man kann aber sehen, das doch bestimmt die Ernährung dazu beiträgt, denn die Menschen haben doch keine Widerstandskraft mehr. Ich kann es mir jedenfalls nicht anders erklären. Viel hat ja bei mir auch vor ein paar Wochen nicht gefehlt. dann hätte auch mich der schlag getroffen als nämlich die Sache mit der Urlaubssperre rauskam. So eine verdammte Sauerei, da bin ich nun so ziemlich dran und selbstverständlich ist mit Urlaub gerade alle. Meine und der Anderen Freude könnt Ihr Euch ja lebhaft vorstellen, aber so das ich 3 stimmige Lieder ganz allein gesungen habe. Darüber hilft uns auch kein Kino und kein Theater hinweg und was man uns noch alles so hier auf den Hals gehetzt hat. Wir wollen unsern wohlverdiensten Urlaub haben und dann können sie sich ihren Kintopp an den Hut stecken.
Das Wetter ist bei uns schon wieder besser geworden. Nach der Großen Hitze war es ein paar Tage ziemlich kühl bei uns aber Heut scheint schon wieder die Sonne als wäre garnichts gewesen. Meine Hühner hätte ich gar zu gern mit nach haus gebracht aber inzwischen haben wir sie gegessen und die andere Hälfte ist uns kurz und schmerzlos eingegangen. Eier haben sie in der letzten Zeit auch nicht mehr gelegt, so daß es weiter nicht schade drum war. Schweine sind in den Landstrichen sehr seltene Tiere geworden, da ja die Landser alles wegfressen aber Kühe laufen hier auf den Straßen als Freiwild rum. Wir dürfen aber keine schlachten sondern nur die Schlächterei-Kompanien, weil sich ja die Truppe aus dem Land ernähren soll. Wer es trotzdem tut und geschnappt wird, hat allerhand zu erwarten na und das möchte ich ja nun nicht riskieren. Ich habe ja noch zusätzlich meine schöne Stellung zu verlieren. Wenn der Krieg mal sein Ende gefunden hat, dann Freß ich mich bestimmt auch krank, aber nicht an Fleisch, sondern an Kuchen, denn den entbehre ich am meisten, wenn man da überhaupt von Entbehrungen sprechen kann. Wir entbehren zur Zeit überhaupt nichts, nur unsere Familien, weiter nichts. Dann noch meinen besonderen Dank für die schnelle Nachricht nach dem dicken Terrorangriff. Es muß ja in der Stadt doll ausgesehen haben danach. Auch wie mir Liesel geschrieben hat, war es der Gipfel und sie kann sich keine Steigerung mehr vorstellen. Hoffentlich trifft man mit der V 1 auch in England mal einen der verantwortlichen Herren, damit die Mistviecher mal merken, wie gut so etwas tut, aber die sind bestimmt außer Gefahr. Nun will ich langsam wieder aufhören, all die Weil ich noch eine Nebenbeschäftigung habe. Bleibt mir alle recht schön gesund und seid recht herzlich gegrüßt von Eurem

Rudi.

 

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