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Brief (Transkript)

Werner Leendertz am 8.6.1940 (3.2002.7247)

 

8. Juni 40



Mein Liebes,

gestern bekam ich Deine Briefe vom 31. und 1. und freute mich so, etwas wieder mal von Dir zu hören und über die Nachricht von Viktors Verlobung. Ich freue mich sehr darüber, merke aber dabei, daß ich so entfernt bin von allem zu Hause außer Dir, daß ich es kaum fertigbringe, mir eine Vorstellung von der Sache zu machen oder sie selbst weiterzudenken. Mein Kopf ist voll von Bildern anderer Art, die ich nicht loswerde und nicht erzählen kann – wenn man selbst handelnd im Kampf steht, handelt man und ist also ohne Reflexion – nun aber wo wir den Anschluß an die Front nicht mehr haben und uns aufräumend und Beute sammelnd in einem Gebiet, wo Engländer verzweiflungsvolles durchgemacht haben, langsam fortgehen, nun füllt sich der Kopf mit Dingen an, die den Zugang zu anderen und heimatlichen Sachen sehr verlegen. Soll ich Viktor etwas schreiben bevor er selbst etwas mitteilt: zur Zeit sage ich auch aus obigem heraus noch nein. Sonst fordere mich bitte dazu auf.
Unsere Dispositionen waren insofern falsch, als nun die Fliegertätigkeit in Westdeutschland unerfreulich zu sein scheint, wir aber anfänglich im ruhigen Herbst die Bude zumachten. Wie wäre es mit neuerlicher Verlegung? Aber vielleicht ist alles bald zu Ende – jedenfalls nach dieser Niederlage ist den anderen so enorm viel Material und auch wohl Menschen – so unvorstellbar viel – verloren gegangen, daß man kaum glauben kann, dies könnten sie sich lange leisten. – Eins weiß ich über alles: ich liebe Dich und mag der Trubel noch so stark werden, dies verlegt mir nichts. In einem Brief, den ich aufhob von der Straße des Unheils für die Engländer steht: „So my darling, we may hope for you home in 2 weeks time? Well, you have warned me and I shall only hope, until I have you in my arms.” Die guten Leute! Warum hausten sie in diesem Land wie die Wilden, statt ihre Sache zu verteten? An ihrer Ausrüstung, die uns ja nun in unvorstellbaren Mengen zugängig ist, lag es bestimmt nicht. Der Mensch ist im technischen Krieg alles – und seine Idee.
Soviel für heute, mein Liebes, möge Dein Bild mir immer die anderen Eindrücke überschatten. Keine Angst sonst, Liebes, die Gefahr ist auf das Maß Westfalens herabgesetzt und vielleicht geringeren Überraschungen ausgesetzt als bei Euch?

Dein Werner

 

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