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Brief (Transkript)

Werner Leendertz am 29.5.1940 (3.2002.7247)

 

29.5.40



Mein liebes Frauchen,

heute kamen Deine Briefe 25 und 22 an. Hab keine Angst wegen Fliegerbomben – wir sagen immer wenn man die Sache noch hört ist einem nichts passiert – ausserdem tut das Motorengeräusch niemandem weh. Aber Du hast ja auch nur Erstaunen, keine Angst. So ging es uns ja auch. Zunächst denkt man: was ein Krach, das muß ja ganz nah sein. Später, wenn sie dann wirklich nahe kommen, erfährt man erst die Steigerungsfähigkeit solcher Geräusche. Wir schlafen herrlich dabei, - d.h. wir schliefen – denn nun ergeben sich die Belgier und weit und breit ist kein Kampflärm mehr zu hören. Die arme verführte – zum Fliehen in den eingeschlossenen Gebietsteil verführte Bevölkerung kommt seit Tagen und Nächten in fast ununterbrochenem Zuge des Elends und der Verzweiflung an uns vorbei – Heute fuhren wir fast 20 km an Flüchtlingen vorbei. Zu Hause finden die Angekommenen dann zerstörte und geplünderte Häuser vor, und zwar hier von den Wallonen unter dem Motto „les Flamands sont aussi des boches“ planmäßig ausgeräubert. Die Belgier muß man wohl trennen, sie lieben sich gegenseitig offenbar nicht. Fragt man die Flamen, was nun sei, so sagen sie „Reich“ und „England zahlen“ die Wut auf England ist allgemein: Plötzlich bei dieser allgem. Auflösung sind wir tief in der Etappe. Arme Gegenden und schlechte Unterbringungsmöglichkeiten und die allgemeine Zerstörung und Verzweiflung der hin und herziehenden Bevölkerung lassen einen das nicht so merken. Gestern lag ich im Sched [?] einer kleinen Seidenweberei, die gutes Material sauber aber nicht so neumodisch, daß ich etwas gelernt hätte, verarbeitet hatte.
Nun wird es dunkel, daß ich nichts mehr sehen kann.
Gute Nacht mein Frauchen!
Habe ein Teil eines Bettes ergattert.

Dein Werner

Rudi ist Leutnant bei irgend einem Stab höherer Art und schrieb, daß eine Tochter in seiner Abwesenheit angekommen wäre.
Du könntest auch langsam auf Deine Briefe Uffz. schreiben statt Gefr. Er bleibt sich allerdings derselbe!

 

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