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Brief (Transkript)

Paul Wortmann an seine Eltern am 25.10.1942 (3.2002.0935)

 

Russland, 25.10.42



Ihr Lieben!

Heute, am schönen, wolkenlos-sonnigen Sonntag kam endlich die langersehnte Post von Euch. 2 Kilopäckchen waren auch dabei! Herrjeh, war das eine Freude! Ihr könnt Euch das gar nicht vorstellen, was diese Herrlichkeiten in diesem gottverfluchten Land bedeuten!
Es waren eine Menge Überraschungen darin, vor allem aber die Kopfhaube und die Skihandschuhe.
Alle beneiden mich um die Haube, denn damit habt Ihr genau das Richtige getroffen. Wichtig ist, dass man den Stahlhelm darüberziehen kann! Hat da nicht ein alter Soldat ausgesucht? Bravo, bravissimo!
Dann etwas Herrliches: die selbstgestrickten Stümpfe, denn die Kommiss-Strümpfe sind halb so dick! Dann habe ich noch die 2 Paar aus Weimar. Gott sei Dank habe ich die Euch die nicht zum Verbrennen geschickt! Jetzt kann der Winter kommen, ich bin gerüstet! Ich will nicht all die schönen Dinge aufführen, die mir so viel Freude gemacht haben und sage Euch allen meinen herzlichen Dank!
Liebe Mutter, Du schreibst von Urlaub und da sieht es sehr düster aus. Nicht etwa, weil ich etwas verbrochen habe, nein, aber diese Kompanie ist sehr stark und hat viele Verheiratete, die öfter Urlaub bekommen. Der größte Teil hat über zwei Jahre keinen Urlaub bekommen, da voriges Jahr teilweise Urlaubssperre war. Aber vielleicht im Frühjahr 1943. Hoffentlich seid Ihr dann sesshaft geworden!
Der Feind ist wieder frech geworden. Ihr hörtet es ja, bestimmt nicht ohne eine gewisse Sorge um mich. Aber es ist nur halb so wild! Es ist hier wirklich ein Krieg gegen Stalinorgeln und Ihr ahnt nicht, wie wesentlich diese Waffe geworden ist! Der Russe greift oft mit zig Orgeln an. Stellt Euch das Trommelfeuer vor: 20, 30 oder 40 mal 42 Granaten! Wer drin steckt, dem geht der A.... von 1 bis 1000 (Redewendung). Wenn dann im Radio etwas von „Artillerievorbereitung mit Salvengeschützen“ gesagt wird, dann weiß bestimmt keiner von Euch, was das heißt. Die Russkis bauen Salvengeschütze auf schwere Panzer und fahren damit zum Angriff. Nicht schlecht ausgedacht, was? Das ist die Waffe der Zukunft! Leider braucht sie viel Munition. Ein Bild aus der Berliner Illustrierten zeigt die gepanzerte Orgel. Sieht toll aus. Ihr seht, dass Eure Waffe, ( ich meine die beiden, die jetzt gerade die Brust wölben), noch eine große Zukunft haben
Gestern baute uns ein russischer Panzerleutnant eine Latrine! Er war mit seinem Panzergeschütz nach hinten gedreht, einen weißen Lappen daran, zur deutschen Linie übergefahren. Er hatte zu wenig zu essen bekommen und hat gewaltigen Respekt vor der deutschen Panzerabwehr. Er sagte:
Njemetzki (deutsch) Tank karosch (gut), Russki Tank karosch, Russki Tankrist nikarosch, Njemetzki Tankrist karosch.
Wer weiß, ob Ihr das kapiert habt. So ähnlich verlaufen die Unterhaltungen mit diesem Pack. Er hat aber Recht gehabt, die russischen Tanks sind wirklich prima, vor allem der T 34. Von den oft eingesetzten amerikanischen Kisten halten sie nicht viel.
Bisher trug ich, wie Ihr auf den Bildern gesehen habt, nur Schnürstiefel. Für Modder und Winter habe ich nun in brutaler Weise vorgesorgt. Ein Gefangener kam hier mit deutschen Knobelbechern an, (wer weiß, wie er zu denen gekommen ist!). Ich habe sie ihm einfach ausgezogen, denn sie passten mir gerade richtig und es war gutes Leder. So kam ich zu diesen Kähnen, die normalerweise zur Uniform gehören.
Mit gemischten Gefühlen hörte ich von Rosels hochtrabenden Plänen, Statistin! Wer redet ihr denn das nun wieder aus?
Zu Eberhards Brief vom 4.10. Donnerwetter, war das ein langer Brief! Ich kenne Dich ja gar nicht wieder. Wenn Du Rekrut bist, werde ich mich revanchieren und Du wirst sehen, wie schön es ist, als Soldat Post zu bekommen!
Nun mache ich Schluss, grüße Euch herzlichst, wünsche Euch alles Gute und nochmals vielen Dank! Wie soll ich das wieder gut machen?

Euer Paul

 

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