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Brief (Transkript)

Gretel Zwanger an ihren Mann am 22.11.1942 (3.2013.22)

 

Tübingen, den 22. November 1942
Sonntagabend!



Mein geliebter, guter Hugo, unser guter Vater!

Zuerst will ich vom netten Abend schreiben, ehe ich mit dem andern vielen zu erzählen beginne. Nach dem Nachtessen als die Großeltern gingen da konnte ich mich den Kindern widmen. Wir spielten Wundh. Möchte es nur einmal richtig können. Wir zündeten das Jullicht an u. die kleinen Herzchen, Friedrich folgte sein Nachtgebetchen, dabei schickten wir dir viele gute Wünsche u. Hoffnungen. Dann guckten wir hinaus zum Mond u. zu den Sternen, hatte dazu die Kinder auf dem Sofa stehen u. die Verdunkelung ein bischen beiseite geschoben. Und als sie im Bett waren da sangen Beide, es war rührend Helmut trank sein Fläschle leer u. nun ist es mir als hörtest du mit zu. Friedrich sagte mir vieles was ich dir schreiben soll, darauf will ich mich besinnen. Warum der Vater so weit fort ist? Daß wir die Eisenbahn laufen ließen, Hermann da war, schöne Abzeichen haben, der Vater bekommt auch eines u.s.w. Jetzt schreit Helmut, er will immer Licht u. die ganze Gesellschaft ist wach.
Gestern morgen haben wir alles vorbereitet für den Besuch, das Essen gleich für heute gekocht. Mittags warteten wir lange, da kam Erich, gegen 4h Hermann. Er war noch nicht ausgezogen Frau Brettle mit Karli. Da wurde es gemütlich u. lustig. Hermann gefiel es wie Frau Brettle sprach, der Karli sieht drollig aus. Hatte Erich die Spielsachen gezeigt, die lagen herum da konnte der Bub nichts mehr reden nur spielen. Und was sie uns alles mitbrachte, wir alle waren erstaunt. Gute Bonbons die darfst du auch versuchen, 1 Kinderbettüberzug, 1 Bleyle-Schlupfhösle für Rosmarie, 1 Bubenanzügle u. ein Spielhose zum Sticken für Helmut. Wie sagte sie daß sie auch noch gerne ein Kleines bekommen hätte, wenn ihr Mann zurückgekehrt wäre. Aus Rosmaries großer Kikerikiki –Schachtel geben wir Karli ein Gänsle, Henne u. Entchen sowie ein Trieler. (K. Lätzchen). Am Donnerstag will sie nochmals kommen ehe sie nach Gratz fährt. Hermann aß nebenher, Hirsesuppe, Rotkraut, Kartoffel u. Sindfleisch, für alle gab es Schokladepudding u. Apfelbrei. Wie redeten wir von dir, liebes Kind, wo du noch hinkommen magst? Vom Geschäft aus kam Hermann mit dem Zug, der […] fuhr später da über die Zeit gearbeitet wurde. Brauchte keine Fahrkarte, stieg deshalb am Westbahnhof aus u. kam direkt zu uns. Erich ist so still, lacht nie, ging bald fort. Die Kleinen fingen mit Hermann an zu tollen, bald so wie wenn du dabei wärst, hätte nicht geglaubt wie er sich mit Rosmarie u. Friedrich abgeben kann. Unterm Tisch mit dem Tisch überall hüpften sie umher, alles mußte Hermann tun. Neben ihn saß Rosmarie aufs Töpfchen, er mußte die Hose naufziehen, Strumpf einhängen us.w. Zwei Winkel u. einige Bleistiftproben gab er ihnen. Zum Nachtessen gabs: geröstete Kartoffel mit Redfleisch, Endiviensalat, Bleikraut u. Kernlesten. Da kam Frau Speidel mit ihrer Strickerei, danach unsere Großmutter. Das war ein Mittag voller Besuche, wir waren aber dazu eingerichtet. Mutter konnte Helmut füttern u. ging vor der Winn. Die Kinder schliefen bald ein, Hermann u. ich guckten die Zeitungen durch, erzählten , tranken Tee mit Großmutters Apfelküchle, Pudding u. Kompott. Um ½ 11 h legten wir uns, ich schlüpfte zu Friedrich hinein, Hermann gab ich die Decke u. Kissen aufs Sofa. In der Früh, es war ja Sonntagmorgen, da durften die Kleinen bei mir sein, stillte u. fütterte Helmut. Hermann schließ als ich die Kinder anzog, Friedrich hängte herum ohm war es schlecht, hatte gleich gebrochen. Wir tranken Kakao u. Gesülzbrot, es war mir als könnte ich dir etwas tun. Deinen Ring erhielt ich, hätt dabei fast heulen können, wie oft muß ich mich zus. Nehmen doch manchmal geht es nimmer. Hermann ist zu Wilhelm u. er sagte ihm die Vollmacht sei unterschrieben. Herr Motze wegen der Hürde, er hätte sie angefangen. Friedrich lag bleich herum u. mußte sich oft erbrechen. Sie spielten mit der Eisenbahn. Mittags gabs Nudelsuppe, […]braten, Blumenkohl u. Kartoffel. Vom Gemüse bekam Helmut einen halben Teelöffel voll. Die Milch habe ich im letzten Moment noch erwischt. Mutter brachte zum Kaffee einen großen Apfelkuchen, Großvater kam auch. Da war es Friedrich besser, er probierten den Kuchen. Doch schon um ½ 5 h fuhr Hermann zurück, mir tat es leid als er ging. Vor Weihnachten kommt er nimmer, vielleicht die Großmutter. Wir warten auf deine Nachricht, das ist unsere größte Sorge. Zum Nachtessen behielt ich die Eltern da, hatte alles für Hermann gerichtet. Alles ging, nun bin ich allein drinnen im Schlafzimmer ist es still, kann in Gedanken ganz bei dir sein du mein lieber Hugo. In diesen Tagen, da ich weiß daß das Margretle nicht zu uns kam ist es mir ein bischen schwerer. Am liebsten würde ich dir besuchen, das sagte ich heute zu den Eltern u. Hermann. Ich fahre zu dir? Soll ich? Kann ich? Könnte ich dich noch sehen ehe du weit fort kommst? Es ging schon, wenn Großmutter die Kinder u. Winn nimmt. Und so denke ich alles mögliche, wie glücklich bin ich daß ich dich habe, ohne dich zu sein das könnte ich mir nicht denken. Wie wird deine erste Nachricht ausfallen, wann wird Post kommen u. wären es nur einige Zeilen ich bin dann zufrieden. Und du mußt lange auf Post warten. Denkst wohl immer wie es daheim geht? Friedrich war es heute abend besser, etwas Fieber, hat viel gegessen, es ist jed. die Erkältung schuld, denn wir alle vier zusammen haben Schnupfen nur Friedrich hustet mehr. Du lieber Hugo sei so lange du fort bist ohne Sorge ich übernehme alles.
„Fliegeralarm“ mein liebes Kind. Schon um 9h, das fuhr in mich. Was tun. Ins Bett od. aufbleiben. Jedenfalls will ich das große Licht ausmachen. Bei dir ist größere Gefahr. Gute Nacht.

23.11. Mein liebster Hugo! Das war eine Nacht! Kurz nachdem Alarm bin ich ins Bett, etwas besorgt, über eine Stunde hörte man Flieger, einen Einschlag daß alles zitterte. Der Stuttgarter Bahnhof würde brennen, in Dattenhausen hat eine Bombe in weichem Boden eingeschlagen trotzdem sind 4 Häuser durch Luftdruck weggeweht. Winn’s Vater tel. der Hausfrau u. erzählte dies, da sie die Verwundeten führen mußten. Winn selber sei krank. Wie mag es in Nellingen u. Echterdingen zugegangen sein? Wir werden das nächste Mal in den L.Keller gehen, die Hausfrau u. Ena sprachen mit mir, sie wollen mir behilflich sein. Wäre der Kellner im selben Haus, ginge ich ohne Bedenken. Die Kinder schlafen ruhig, hören den Alarm nicht u. ich bin bei ihnen u. horche. In der Ammer hier fand man eine Brandbombe. Du wirst bei dieser Nachricht im Wehrmachtsbericht erschrocken sein u. gedacht haben wie arg. So sagte ich zu Friedrich und er frug zweimal warum sagt Vater arg, warum brennt der Stuttgarter Bahnhof. Guckte vorhin zur Haustür hinaus, es wird hell, mit bangt es jetzt schon. Den Tag über ging ein […] Wind in der Nacht zuvor war es gefroren, den Mittag über schneits, alles wird weiß. Wie ist es mir zumute, war den ganzen Tag allein. Friedrich geht es besser, spricht noch heiser. Als Friedrich vorhin sein Gebetchen sagte war ich nicht wenig gerührt als er sagte, daß Vater kein Leid geschehen mag, Amen. Du lieber Hugo bist in einer größeren Gefahrenzone, um dich müssen wir uns sorgen. In der Früh holte ich Friedrich das Schweinemast[…] herunter, da sagte Friedrich der Briefträger hat für uns keinen Brief u. heute mittag hat er frei. So hat Friedrich den Briefträger gefragt ob etwas von dir dabei ist. Wir warten u. hoffen. Gern würde ich dich besuchen, ist aber Alarm möchte man die Kinder um sich haben. Sie spielten mit dem Zug u. den Perlen, erzählte ihnen, dann guckte Friedrich noch, Hänschen im Blaubeerenwald an. Alles räumt er auf, man merkt den Altersunterschied doch zwischen ihm u. Rosmarie. Hab gebügelt, gleich kommt Helmut denn dann das Flickgeschäft das mehr zu als abnimmt. Deshalb für heute Gute Nacht, lieber guter Hugo, wie sind meine Gedanken so oft bei dir.
25. November. Erhielt deinen lieben Brief. Freut mich sehr.
Schreibe dir dann näheres. Hatten viel Arbeit die Hürde kam, Wäsche, backen, Winn noch immer krank.
Dir nun die herzlichsten Grüße u. Küsse
Von deiner Gretel

Brandbomben fielen bis in die Am(m)ergasse, Belthlestraße. […] löschten 40 […]. Nur Feldhäusle abgebrannt, alles nochmals gut verlaufen der Himmel war klutrot. So werden wir auch in den Keller müssen.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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