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Brief (Transkript)

Friedrich Spemann an seine Ehefrau am 13.09.1939 (3.2002.7135)

 

13.9.39.



Mein Liebstes –

das Idyll von gestern war schnell zu Ende, nun sind wir eingesetzt und ich bin auf meiner Meßstelle zum 1. Mal in diesem Krieg - doch davon nachher. Was viel wichtiger ist, ist, daß ich gestern zum 1. mal Post bekam. Brief Nr. 3 - 8 (mit der Tafel Schoko.) hab' vielen vielen Dank. Wenn die letzte Nachricht auch schon 8 Tage alt ist, ist sie doch immerhin viel neuer, als das, was ich sonst wußte. Sie tragen alle noch die Nummer der 3. Batterie, die ich in Gotha erfuhr. Nun wird ja auch bald anderes mit der neuen Nummer kommen. Ich hatte natürlich die meiste Post von der ganzen Batterie! Von Gerdi Brief, den Eltern. So was ist schön. Ich versank ½ Stunde in der Heimat. Plötzlich: fertig machen! Alles hatte Wäsche gewaschen und seinen Kram so behaglich ausgebreitet und trotzdem waren wir in ½ Stunde fertig. Den ganzen Tag waren nachrückende Fußtruppen und bespannte Batterien an uns vorbeigekommen, trotz der stechenden Hitze und dem verheerenden Staub sehr gut in Form, zum Teil singend. Sie müssen ja auch keine Tornister mehr tragen! - Und nun überholten wir das und der Einsatzbefehl kam. Ausgerechnet da hatte mein Fahrer Benzinpumpenschaden und blieb liegen. Ich nahm nur das Notwendigste mit und wurde dann von einem anderen Fahrzeug gefahren. Hoffentlich kommt der bald in Ordnung, denn Mantel, Wäschetasche u.s.w. sind drauf, während ich nur Waffen, Gasmaske, Brotbeutel und Meldetasche bei mir habe. Und dann Anfahrt zur Meßstelle mit einem Ferkelwagen (!!!) und einem Opel Blitz - (beides grau gestrichenen Zivilfahrzeuge). Ich kann Dir sagen: Tiefer Sand wie in der märkischen Heide - und ich habe immer einmal da, einmal dort meine zehn Mann am Heben und Schieben gehabt. Dabei Nacht, kein Mondschein und Nebel und nur blaues Fliegerlicht an den Fahrzeugen. Es war herrlich! Wir bauten auf, als alles klappte, Verbindung etc. kam jemand von der 1.: Der Offizierswagen säße fest, ob wir ihn mit unseren Lastkraftwagen rausschleppen könnten. Ein Opel Admiral, bis an die Achse im Sand. Nach einstündiger Arbeit mußten wir es aufgeben. Dazu kam der Befehl: Abbauen! - Also nach einer Stunde waren wir wieder auf fester Straße. Dort angekommen: Neuer Befehl, wieder an die alte Stelle zurück! Um 3 Uhr waren wir wieder fertig. Inzwischen hatte der Gegner natürlich feste geschossen (zum 1. Mal mit Artillerie!) und wir hatten die Gelegenheit verpaßt. Als Grund der ganzen Geschichte nehme ich an, daß wir rausgezogen werden sollten und dann war die Ablösung noch nicht da. - So ist's im Krieg! Mit Militärautos relativ leicht - so: eine Schinderei!
Ich saß dann im Wagen, Doppelposten, selbstverständlich geladen u.s.w., bewachten Meßstelle, Funkerstation und Fahrzeuge und dann habe ich bis 5 geschlafen. Wenn der dicke Nebel weg ist, will ich die Fahrzeuge in Fliegerdeckung bringen. Vielleicht kann man auch Wasser bekommen. Waschen. Mit der Zivilbevölkerung sind wir natürlich sehr vorsichtig. Noch schlimmer sind die versprengten Trupps von Soldaten. Überall wo geschossen wird, werden die Häuser angezündet. So fuhren wir bei jenem Gewaltmarsch, wo die Entscheidung bei uns lag, mit gespannten Gewehren und Pistolen durch brennende Dörfer und Städte zum Teil grausig schöne Bilder. Waffenbesitz wird mit dem Tode bestraft, für jeden ermordeten Soldaten 3 Zivilisten erschossen. Aber das wichtigste: Alle Männer zwischen 18 und 45 werden jetzt als Kriegsgefangene festgesetzt. Gestern kam ich an der Gefangenensammelstelle vorbei. Dreißig, vierzig Frauen vor dem Tor des Friedhofes, zum Teil zerlumpt, ganz wenige ordentlich angezogen, viele Jüdinnen (300 Familien bei ca. Größe wie Gebesee) Und die Juden mit Ihrem Anhang - wir haben welche geknipst - fürchterlich! Nur ganz wenige etwas feiner geschnittene Gesichter - die meisten hätten aus dem Stürmer entsprungen sein können! Die Säuberungsaktion ist natürlich noch nicht überall durchgeführt, das können erst die „rückwärtigen Dienste“ machen. Eben brachten mir meine Leute zwei Burschen, 18 und 19. Ich wollte sie festhalten lassen nach Durchsuchung, da kamen die Eltern. Ich fand natürlich keine Verständigungsmöglichkeit. Die Frau fiel in die Knie, der Mann, ein alter Bauer, fing an zu weinen, ich habe lange mit ihnen verhandelt - aber es ging nicht. Nun haben sie wenigstens verstanden, daß wir alles anzünden, wenn wir belästigt werden. 14.9. morgens. Inzwischen waren wir zum 1. Mal eingesetzt, sind jetzt in Ruhe für 1 Tag nach Abschluß „der“ großen Schlacht, an der wir entscheidend beteiligt waren. Wir waren bis zu dem Ort dessen Name Ähnlichkeit mit dem Vornamen Deines Jugendfreundes hat, wenn Du den 2. Buchstaben hinter den vorher 4. stellst und wy dranhängst. Jetzt sind wir im Mittelpunkt des Schlachtgebietes, wir haben Tomaten und Pflaumen kaufen können - ein Labsal! - Die Schoko ist gut, wichtiger 2 x in der Woche Zigaretten für mich und meinen Fahrer. Am besten Overstolz oder R6 - Die Post geht - also in Liebe, Du!
Dein Mann




 

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