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Brief (Transkript)

Friedrich Spemann an seine Ehefrau am 01.09.1939 (3.2002.7135)

 

1.9.39



Liebste –

ich sitze feldmarschmäßig, d.h. mit allem "Behang" in einer kleinen Kneipe und vertrete den Hauptmann, der beim Kommandeur ist. Alle Augenblick kommen Befehle, Ordonnanzen flitzen - daneben schlafen unsere Leute im Saal auf Stroh. Absolut Kriegsbetrieb - nur ohne Feuer. Die schweren Aufklärer brausten heute früh um 6 Uhr los, eben kommen sie vollzählig zurück. Wir warten auf den Einsatzbefehl, der wohl diese Nacht kommt.
Damit bin ich nun ganz in den Kriegsbetrieb übergegangen, den ich als Soldat nach besten Kräften ausführen muß und will. Daß ich dabei mit jeder Vorsicht vorgehe, ist nicht mehr als soldatisch, denn Ausfall schon einer Meßstelle setzt uns auf Stunden, wenn nicht Tagen außer Gefecht. - Trotzdem kann natürlich auch was passieren, aber auch das muß ja nicht gleich ans Leben gehen. Also nun behalte Du das Vertrauen. Deine Aufgabe ist jetzt die Kinder zu schützen, so gut Du kannst und dabei die Energie zu haben, die Du sonst in solchen Dingen hattest. Wenn die Luftschutzgeschichte nicht in Ordnung kommt, nimm Du die Organisation in die Hand. In meinem Aktenschrank in einer blauen Mappe liegt ein Haufen Sachen dazu; ebenso eine blaue kleine Mappe im untersten Fach des Regals neben meinem Schreitisch. - Oder besprich das, was Frau Billing und Frau Becker gelernt haben mit ihnen und handle! Unser Häuschen mit seinen kleinen Seelen und seiner großen Seele muß eine Festung werden wie wir alle. Du bist dort meine Stellvertreterin wie immer und wenn Du Entscheidungen zu treffen hast, dann horche in Dich hinein, was ich davon dächte und dazu täte, dann wirst Du auch Antworten finden, die richtig sind.
Ich bin bei allem bei Dir, immer und immer. Und wenn ich will, dann zaubere ich mir Dein liebes Gesicht hierher und schaue ihm in die Augen, tief bis auf den Herzensgrund und das spürst Du bis dort. Und Du weinst nicht, sondern bist stolz und bereit alles einzusetzen. Was die anderen Menschen tun, geht uns nichts an. Wir tun unsere Pflicht, dazu bist Du Elisabeth Spemann-Kliem - mit allem, was in meinem und Deinem Blut liegt. Und wenn Du es um niemandes willen tätest, tust Du es um meinetwillen. Du bist nun Offiziersfrau und hast ein Beispiel zu sein, mag kommen was mag. Dann werden wir vielleicht auch einmal unser Recht bekommen, wenn wir nun unsere Pflichterfüllung unter Beweis stellen. Wie Du den Jungen erziehen mußt, weißt Du als Heimmutter. Die Mädels sollen nach Kräften werden wie Du und Grete.
Wenn mir was passieren sollte, treibt mit meinem Andenken keinen Kult. Ich lebe in Dir und den Kindern weiter. Und wenn ein anderer nach mir kommt, dem Du vertraust, dann sage nicht nein.
Das Leben mit Dir war so voll Schönheit und Reinheit und unendlicher Liebe von beiden Seiten, daß ich nur restlos dankbar sein kann und sagen, es hätte nicht schöner sein können. Du sollst nicht immer denken, wenn jetzt Fritz da wäre - er ist da und hilft und schaut zu. - Und wenn ich Dir manchmal Kummer gemacht habe, verzeih es mir. Und tue das eine - lebe mit mir weiter.
Und nun weißt Du, wie ich denke. Das alles mußte einmal gesagt werden. Aber jetzt wollen wir nicht mehr davon reden. Nun mag das Schicksal seinen Lauf nehmen - sei Du so bereit wie ich zu allem, dann wirst Du auch alles leisten.
Für heute leb wohl. Ich will versuchen, regelmäßig zu schreiben. - Deine Anschriften an mich: Oberlt. d.Res. Spem. Feldpostnummer 04480 Postleitstelle Kassel. Bitte an alle anderen weitergeben (Eltern, Gerdi Dorle) In Liebe Dir und den Kindern

Dein Mann

 

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