Frankreich, 14.6.40.

Meine liebe, süße Hansi!

Wir sind von unserem Marsch, der genau in Richtung Paris führte, wir standen 60 km davor, abgewichen und haben eine neue Aufgabe erhalten.
Jetzt befinden wir uns wieder mal auf dem Marsch südostl. von Paris. Wir werden gleich über die Seine gehen. Der Weg scheint verstopft zu sein, wir machen deshalb Halt u. diese kurze Pause gehört Dir. Ich liege im Straßengraben, fast fallen mir die Augen zu, u. gedenke Deiner. Die Mohnblume habe ich für Dich gepflückt, ein Gruß für Dich. Das Wetter ist prächtig, die Sonne scheint u. alles liegt wie im tiefsten Frieden. Diese Stunden bedeuten mir immer Urlaubswochen. Denn kurz ist diese Ruhe oft u. plötzlich ist man wieder mitten drin u. glaubt, die Welt geht unter. Manches Dorf haben wir zertrümmert, manches Flugzeug vernichtet. An der Nordfront ging es heiß her, aber auch hier konnten wir uns nicht beklagen. Nach Überschreitung der Somme war es manchmal sehr mulmig. Bei Estreés verloren wir 2 Kameraden dadurch, daß sie von einer Erkundungsfahrt gegen den Feind nicht zurückkehrten. Als wir Stunden später das Dorf nahmen, fanden wir nur blutige Kleidungsstücke vor, wahrscheinlich sind sie verwundet in frz. Gefangenschaft geraten. Das nicht allein, immer unvergesslich für alle Zeiten, bleibt unser Einsatz Renascure – La Crosse (Calais – Dünkirchen). In der vergangen Nacht passierten wir die Marne. Wegen Verstopfg. der Straßen bzw. der Notbrücke, Du mußt wissen, daß alle Brücken gesprengt sind, hielten wir an. Stundenlang standen wir. Ich hatte mich etwas in den Straßengraben gelegt, um zu schlafen. In der Luft Motorengeräusch. Die Feinde werfen Leuchtbomben. So eine Bombe schwebt ca. 8 Min. in etwa 50 – 100 m Höhe u. macht die Nacht zum Tag. Der Vormarsch soll dadurch erkannt und durch Bombentreffer gestört werden. Gott sei Dank wurden die Bomben neben uns geworfen u. wir keine Verluste. Die Fahrt geht weiter.
Ich schließe, weil ich ein Feldpostamt zu treffen hoffe.
Innige Küsse u. Grüße für Dich, den kl. Wolf u. Mutter u. alle
Dein Dich heißliebender Georg.