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Brief (Transkript)

Hans-Reinhold Thiel an seine Freundin am 18.10.1944 (3.2002.0875)

 

Zieten, den 18.X.44.



Mein liebes, liebes Hannerle!

Hab’ vielen herzlichen Dank für Deine lieben Briefe v. 13. + 15. X. beide haben mich wieder so unsagbar glücklich gemacht. Du hast wieder so nett geschrieben, daß ich in mir eine seltene freudige Brandung in mir fühlte. Eine Brandung, die alle schönen Stunden unseres bisherigen Zusammensein klar und deutlich in Erinnerung rief. Es scheint wie ein physikales Naturgesetz seinen Gegenpol gefunden zu haben; denn die Zeichen Deiner wahren Liebe wirken in der Wiedergeburt der erlebten Erinnerung aufs Neue in mir – gerade so, als wenn ich jetzt bei Dir wäre. Da kann man einfach nicht sagen: „Mein Liebling weißt Du noch?“ Wie könnte man überhaupt an ein Vergessen dieser Stunden denken.
Meine liebe Jo, wenn Du nun zu Hause allein bist und Dir noch einmal alles vor Dir aufbaust und Deine Sehnsucht Dich um mich bangen läßt, so bitte ich Dich genau so zuversichtlich und furchtlos zu sein, wie ich.
Vor einer Stunde hat Reichsminister Himmler im Radio vor der ersten Volkskompanie gesprochen und uns nochmal auf die blutige Gefahr aufmerksam gemacht, die uns drohen könnte, wenn wir in diesem gigantischen Ringen den Mut sinken lassen wollten und nicht alle unsere Kräfte dem Feind entgegenstemmen würde. Hier kann es mal über Nacht losgehen, ob ich da nun in einem Panzerwagen sitze oder als infantr. Gruppenführer meine Pflicht tue, ist völlig belanglos, entscheidend ist allein die Zuversicht zu unserer guten Sache.
Doch ich will Dich nicht mit all diesen Tatsachen erschrecken, sondern wir wollen stets treu und lieb zueinander stehen. – Auch das geht vorüber und die Sonne bricht wieder durch das Dunkel, die uns noch viele Freuden in unserem jungen Leben bringen wird. – Da bin ich ganz gewiß!
Wie geht es Dir, mein liebes, kleines Hannerle? Du wirst sicher den kleinen Hubert gerade zu Bett gebracht haben und vielleicht an mich schreiben?
Nun will ich Dir auch den Geburtstag meiner alten Dame schreiben, sie hatte am 9.9. Geburtstag. Unsere ganze Fam. hat im September Geburtstag. Mein seliger alter Herr hatte am 22. Sept. seinen Ehrentag.
Mein Liebling, heute will ich Dir nun die langgewünschte Locke beilegen und Dir bei dieser Gelegenheit sagen, warum ich nicht schon eher Deinen Wunsch erfüllt habe. Sieh hier auf meiner Stube, wo ich mit anderen Kameraden zusammen bin, die es einfach lächerlich finden würden, wenn ich mir eine Locke abschneiden würde, ich bin überzeugt sie würden mich auslachen, weil sie vielleicht den tiefen Sinn dieser Handlung nicht begreifen. Jetzt bin ich nun allein und brauche diese Befürchtung nicht zu haben. Möge Dir diese kleine Locke immer wieder den nötigen Mut geben und alle unsere Wünsche bald in Erfüllung gehen zu lassen.
Mein Herzchen, für heute will ich schließen. Bleib gesund und munter sei tausendmal gegrüßt und geküßt
von Deinem Hannes

 

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